Coronavirus – Teil 1: Erste-Hilfe für Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler

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Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler spüren die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise besonders: Ihre Existenz ist bedroht – ein Ende ist ungewiss. Doch was können Sie tun, um diese Krise so gut es geht zu überbrücken?

Es bieten sich folgende Möglichkeiten an:

Teil 1: Kurzarbeitergeld – die Lösung für Arbeitgeber

Kurzarbeit in ein geeignetes Mittel, um eine Krisensituation effektiv zu begegnen. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt das Kurzarbeitergeld als teilweisen Ersatz für den entfallenen Lohn. Bei Gewährung von Kurzarbeit werden die arbeitsrechtlichen Hauptleistungspflichten in Form der Erbringung von Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts ganz oder teilweise suspendiert. Die Kurzarbeit soll den wirtschaftlichen Nachteil der Arbeitnehmer kompensieren.

Sie entspricht damit der Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien. Sie ist für den Arbeitgeber ein milderes Mittel als eine betriebsbedingte Beendigungskündigung. Er behält seine Mitarbeiter bis die Krisensituation beendet ist.

Arbeitgeber sollen bis zum 31.03.2020 die Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit anzeigen, damit die Arbeitnehmer rückwirkend zum 01.03.2020 Kurzarbeitergeld erhalten.

Nun stellen sich folgende Fragen:

Kann der Arbeitgeber die Kurzarbeit einseitig anordnen oder muss er dies vorher mit dem Arbeitnehmer absprechen? 

Der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit nicht im Wege seines Direktionsrechtes einseitig anordnen. Es bedarf vielmehr einer gesetzlichen Grundlage bzw. einer Vereinbarung. Das hat den Hintergrund, dass der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Beschäftigung hat.

Der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit anordnen, wenn sie sich aus einem Gesetz (z. B. § 19 KSchG im Falle der Massenentlassung), einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung im Individualarbeitsvertrag ergibt.

Welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber, wenn eine entsprechende Vereinbarung fehlt und die Parteien nicht tarifgebunden sind bzw. ein Betriebsrat im Unternehmen nicht existiert?

Wenn eine entsprechende Rechtsgrundlage fehlt, haben die Arbeitgeber die Möglichkeit, eine Änderungsvereinbarung (Zusatzvereinbarung) zum Arbeitsvertrag abzuschließen oder eine Änderungskündigung auszusprechen. Die Änderungsvereinbarung erweitert den Individualarbeitsvertrag auf die Kurzarbeitsklausel.

Wie sollte die Klausel in der Zusatzvereinbarung ausgestaltet sein?

Die Klausel sollte einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten, d. h., den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen.

Wie eine Kurzarbeitsklausel auszusehen hat, ist bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt. Jedoch ist von entsprechenden Maßstäben des BAG auszugehen. Beispielsweise ist eine Klausel, die dem Arbeitgeber gestattet, jederzeit ohne Ankündigung Kurzarbeit einzuführen, nach § 307 BGB unangemessen und damit unwirksam. Die Klausel sollte daher unbedingt den Hinweis enthalten, dass der Arbeitgeber die Kurzarbeit gegenüber dem Arbeitnehmer z. B. drei Wochen vorher anzukündigen hat.

Die Klausel sollte nicht überraschend i. S. d. § 305c BGB sein, z. B. nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages an einer inhaltlich passenden Stelle angebracht sein, wo der Arbeitnehmer damit rechnen kann. Die Kurzarbeitsklausel kann unter dem Punkt „Arbeitszeit“ oder unter einem gesonderten, daran anschließenden Punkt „Kurzarbeit“ aufgeführt werden. Wenn der Arbeitgeber nachträglich eine Änderungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer schließt, sollte sich die Kurzarbeitsklausel auf die Arbeitszeitklausel im Arbeitsvertrag beziehen. Nur so kann der Arbeitgeber die Bewertung als „überraschende Klausel“ nach § 305c Abs. 1 BGB verhindern.

Muss der Arbeitnehmer der Kurzarbeitsklausel zustimmen?

Nein! Der Arbeitnehmer kann nicht dazu gezwungen werden, der Kurzarbeit zuzustimmen. Weigert sich der Arbeitnehmer die Änderungsvereinbarung zu unterzeichnen, riskiert er eine Kündigung. Er behält aber für den Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen vollen Lohnanspruch.

Was sind die Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeit?

In den §§ 95 ff. SGB III sind die Voraussetzungen der Kurzarbeit geregelt.

a) Es muss zunächst ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen.  

Ein Arbeitsausfall ist gem. § 96 Abs. 1 SGB III erheblich, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend und nicht vermeidbar ist. Weiterhin muss im jeweiligen Kalendermonat mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein.

Ein unabwendbares Ereignis gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III liegt vor, wenn objektiv feststellbar und auch durch äußere, nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Sorgfalt des betroffenen Betriebs nicht abwendbar ist. Das Coronavirus stellt bei einer staatlich angeordneten Betriebsschließung ein unabwendbares Ereignis dar. Wirtschaftliche Gründe müssen daher nicht zusätzlich vorliegen.  

Vorübergehend ist ein Arbeitsausfall gem. § 96 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, dass mit einem Übergang zur Vollarbeit in absehbarer Zeit, also einem die maximalen Bezugsfristen von 12 Monaten nicht wesentlich überschreitenden Zeitraum, zu rechnen ist. Wie bei SARS, BSE, Schweine- und Vogelgrippe ist mit dem Ende der Corona-Pandemie zu rechnen.

Eine Unvermeidbarkeit liegt gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 SGB III vor, wenn im Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Betriebsausfalls zu verhindern. Vorrangig sollten daher Zeitguthaben auf Arbeitszeitkonten abgebaut und der Resturlaub aus dem Vorjahr genommen werden. Da der Arbeitnehmer nicht dazu gezwungen werden kann Zwangsurlaub zu nehmen, sollte der Arbeitgeber dies mit dem Arbeitnehmer besprechen.

§ 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III stellt klar, dass der Entgeltausfall des Arbeitnehmers auch 100 % betragen kann, wie dies bei einer behördlichen Betriebsschließung der Fall ist.

b) Des Weiteren müssen die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sein.

Das ist der Fall, wenn mindestens ein Arbeitnehmer in einem Betrieb oder einer Betriebsabteilung beschäftigt ist, § 97 S. 1 SGB III. Daraus wird deutlich, dass Kurzarbeit nicht für den gesamten Betrieb eingeführt und angezeigt werden muss. Die Kurzarbeit kann auch auf einzelne Betriebsabteilungen beschränkt sein.

c) Es müssten auch die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sein.

Voraussetzung dafür ist, dass es sich um eine versicherungspflichtige Beschäftigung handelt, das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist und der Arbeitnehmer nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen ist, § 98 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Eine eventuelle Erkrankung des Arbeitnehmers in der Bezugszeit ist unschädlich.

Arbeitnehmer, die an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme mit Bezug von Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld teilnehmen oder Krankengeld zum Eintrittszeitpunkt des Arbeitsausfalls beziehen, erhalten kein Kurzarbeitergeld, § 98 Abs. 3 SGB III. Da Minijobber (geringfügig Beschäftigte bis zu 450,00 €) versicherungsfrei sind, kann für sie auch kein Kurzarbeitergeld beantragt werden. Auch Rentner erhalten kein Kurzarbeitergeld. Hingegen können Leiharbeiter Kurzarbeitergeld erhalten.

d) Der Arbeitgeber oder die Betriebsvertretung (Betriebsrat) muss die Kurzarbeit bei der zuständigen Bundesagentur für Arbeit schriftlich anzeigen.

Auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit kann sich der Arbeitgeber das entsprechende Formular herunterladen.

Der Anzeige ist die Stellungnahme des Betriebsrats, soweit vorhanden, beizufügen. Die Anzeige kann aber später um die Stellungnahme ergänzt werden, da die Stellungnahme keine konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung ist.

Antrag gestellt – was passiert nun?

Die Bundesagentur für Arbeit prüft nach Eingang der Anzeige, ob die Voraussetzungen für Kurzarbeit vorliegen und erteilt einen schriftlichen Bescheid, § 99 Abs. 3 SGB III.

Sind die Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes nicht erfüllt, zahlt der Arbeitgeber das Gehalt wie gewohnt weiter, da er das Betriebsrisiko trägt.

Sind die Voraussetzungen gegeben, was aller Voraussicht während der Corona-Krise der Fall sein dürfte, errechnet der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld und zahlt es an die Beschäftigten aus.

Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld?

Die Arbeitnehmer erhalten nicht die volle Vergütung. Kurzarbeitergeld wird in derselben Höhe wie Arbeitslosengeld gewährt. Sie beträgt gem. § 105 SGB III für Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind 67 % der Nettodifferenz und für Arbeitnehmer ohne Kind 60 % der Nettodifferenz. Die Arbeitnehmer erleiden daher Gehaltseinbußen in Höhe von 33 % bzw. 40 %. Ein Zuschuss durch den Arbeitgeber in Höhe der Differenz ist aber möglich. Anfallende Sozialversicherungsbeiträge werden für ausgefallene Arbeitsstunden zu 100 % erstattet.

Wie errechnet der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld?

Eine Hilfe zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes findet sich auf folgender Internetseite: „https://www.arbeitsrechte.de/kurzarbeitergeld/“

Im Übrigen haben viele Betriebe eine Software zur Errechnung des Kurzarbeitergeldes. Ggf. ist auch der Steuerberater behilflich.

Wie wird dem Arbeitgeber nun der Betrag von der Bundesagentur für Arbeit erstattet?

Im Anschluss an die Zahlung des Kurzarbeitergeldes an den Arbeitnehmer beantragt der Arbeitgeber schriftlich die Erstattung des von ihm verauslagten Kurzarbeitergeldes. Diesen Antrag muss er unbedingt innerhalb von drei Monaten mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tage liegen, für die Kurzarbeitergeld beantragt wird, eingereicht werden.

Wie lange kann das Kurzarbeitergeld bewilligt werden? 

Kurzarbeitergeld kann für eine Dauer von bis zu 12 Monaten bewilligt werden. In außergewöhnlichen Fällen kann die Höchstdauer auf bis zu 24 Monate verlängert werden, § 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB III.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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