Darf das Familiengericht beim Sorgerecht von einer Sachverständigeneinschätzung abweichen?

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Die gemeinsame elterliche Sorge ist der Regelfall.

§ 1671 I BGB normiert, leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben soweit der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Oftmals müssen Familiengerichte zu der Frage, ob in einem konkreten Fall ein Elternteil allein die elterliche Sorge ausüben soll und wenn ja welcher Elternteil, bzw. ob gemeinsame elterliche Sorge bestehen soll, ein Sachverständigengutachten einholen. In einem Sachverständigengutachten wird durch den Sachverständigen oder die Sachverständige eine Einschätzung abgegeben, ob es zum Wohle des Kindes am besten ist, dass gemeinsame elterliche Sorge besteht oder aber welcher Elternteil die alleinige elterliche Sorge ausüben soll.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 14.4.2021 – 1 BvR 1839/20 - deutlich gemacht, dass es mit der Verfassung vereinbar ist, wenn ein Gericht im Einzelfall von den fachkundigen Feststellungen und Wertungen eines/einer gerichtlich bestellten Sachverständigen abweicht. Eine derartige Abweichung erfordert jedoch eine sehr gute Begründung des entscheidenden Gerichts, weshalb es der Einschätzung und Bewertung sowie den Feststellungen des Gutachters/der Gutachterin nicht gefolgt ist. Das Gericht hat dann eine anderweitige verlässliche Grundlage für die am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung darzutun. Das Bundesverfassungsgericht fordert in solch einem Fall eine eingehende und tragfähige Begründung, weshalb das Gericht von der Sachverständigeneinschätzung abweicht. Hierzu gehört auch, dass sich das Fachgericht mit den maßgeblichen kindeswohlbezogenen Aspekten im Gutachten auseinandersetzt. Das Fachgericht muss in allen Einzelheiten und nachvollziehbar darstellen, weshalb es den gutachterlichen Einschätzungen und Bewertungen nicht folgt.

Das Bundesverfassungsgericht legt die Messlatte für die Fachgerichte bei ihrer Begründungspflicht weshalb den gutachterlichen Empfehlungen eben nicht gefolgt wird, sehr hoch.


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