Das Bundesverfassungsgericht zum Steuerrecht

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Kaum ein Rechtsbereich ist politisch so umstritten wie das Steuerrecht. Die Steuererhebung soll möglich „gerecht“ von statten gehen, was freilich höchst subjektiv und tatsächlich niemals ganz zu erreichen ist. Darum lässt das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag grundsätzlich freie Hand dahingehen, was er besteuert, welche Ausnahmen er vorsieht, wie hoch die Steuersätze sind usw.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bindet allerdings den Gesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und das Gebot, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Wie dies konkret aussieht, ist aber hochgradig vom Einzelfall abhängig. Dieser Artikel soll eine grobe Übersicht über wichtige Entscheidungen des BVerfG aus den letzten Jahren geben.


Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben

BVerfG, 2 BvR 290/10 und 323/10

Altersvorsorgeaufwendungen sind steuerrechtlich als Sonderausgaben zu qualifizieren (§ 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG). Dabei handelt es sich um eine Spezialregelung. Denn anders als üblicherweise vorgenommene Werbungskosten führen Altersvorsorgeaufwendungen bereits in der Erwerbsphase in gewisser Hinsicht zu einer Vermögensbildung und sind damit keine Ausgaben. Die Beiträge stellen somit keine Werbungskosten des Beitragszahlers dar.


Ehegattensplitting auch für Lebenspartner

BVerfG, 2 BvR 909/06, 1981/06 und 288/07

Die früheren Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (§§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG) zum Ehegattensplitting verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Eheleute haben die Möglichkeit, die Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer zu wählen, was zur Anwendung des (jedenfalls bei unterschiedlicher Einkommenshöhe) günstigeren Splittingtarifs führt (§§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG). Dieses Splitting blieb eingetragenen Lebenspartnerschaften verwehrt – stattdessen wurde von der Finanzverwaltung regelmäßig die Einzelveranlagung durchgeführt. Diese Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Verheirateten war verfassungswidrig; es fehlte an hinreichend gewichtigen Sachgründen.

Die Regelung hat ihre Brisanz jedenfalls seit Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe verloren. Sie stellt aber immer noch einen wichtigen Bezugspunkt für Fragen nach allgemeiner Gleichbehandlung im Steuerrecht dar.


Degressive Zweitwohnungssteuer unzulässig

BVerfG, 1 BvR 1656/09

Die Stadt Konstanz sah in ihrer Zweitwohnungsteuersatzung feste Tarife für die Zweitwohnungssteuer vor. Man musste nicht – wie meist – einen bestimmten Prozentsatz der Miete zahlen, sondern feste Beträge, die sich an der Miethöhe orientierten, aber bei hohen Mieten prozentual geringer ausfielen. Bei einer Zweitwohnungsmiete von 350 Euro pro Monat betrug die Steuer bspw. 925 Euro pro Jahr, bei 700 Euro Monatsmiete aber nicht das Doppelte, sondern nur 1625 Euro.

Ein solcher degressiver Zweitwohnsteuertarif verletzt das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) abgeleitete Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sofern dieser Steuertarif nicht durch gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung ist gegeben, wenn weniger leistungsfähige Steuerschuldner mit einem höheren Steuersatz als wirtschaftlich leistungsfähigere Steuerschuldner besteuert werden.


Erststudium nicht absetzbar

BVerfG, 2 BvL 22/14 u.a.

Aufwendungen für das Erststudium oder für die erstmalige Berufsausbildung können nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) nicht als Werbungskosten abgesetzt werden. Derartige Aufwendungen sind regelmäßig privat (mit-) veranlasst und daher nur als Sonderausgaben zu qualifizieren. Zwischen erster Ausbildung und späterer tatsächlicher Berufsausübung gibt es nicht notwendigerweise einen Zusammenhang, darum handelt es sich dabei nicht um „vorgezogene berufliche Ausgaben“. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG verstößt somit nicht gegen das Grundgesetz.


„Wucherzins“ auf Steuer verfassungswidrig

BVerfG, 1 BvR 2237/14 und 2422/17

Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ist in § 233a und § 238 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Dabei gilt das Prinzip der Vollverzinsung; d.h. die Verzinsung umfasst den Zeitraum zwischen der Entstehung der Steuer und ihrer Festsetzung.

Die gesetzlich vorgesehen Zinshöhe beträgt dabei 0,5 % pro Monat – also ein Vielfaches der aktuell marktüblichen Zinsen. Das BVerfG beauftragte den Gesetzgeber darum, bis zum 31.07.2022 eine neue Regelung zu schaffen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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