Das Bundesverfassungsgericht zur Gültigkeit eines Ehevertrags

  • 3 Minuten Lesezeit

Das Gesetz hält für den Fall des Scheiterns einer Ehe verschiedene Regelungen bereit, die die Rechte und Pflichten der früheren Ehepartner nach der Scheidung regeln sollen. Dabei kann es um das Sorgerecht für gemeinsame Kinder gehen, aber auch um handfeste wirtschaftliche Fragen wie den Unterhalt, Zugewinnausgleich für Vermögenszuwachs während der Ehe oder den Versorgungsausgleich im Hinblick auf kommende Rentenansprüche.

Viele Ehepartner halten diese allgemeinen gesetzlichen Regelungen für sie persönlich nicht für ideal. Sie möchten daher oft von diesen abweichen und andere, individuelle Vereinbarungen treffen. Dies geschieht durch einen notariellen Ehevertrag, den die Ehepartner (typischerweise vor der Heirat) einvernehmlich abschließen.

In der Praxis kommt es dann oft vor, dass ein Ehepartner sich durch die Regelungen des Ehevertrags benachteiligt fühlt. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Ehevertrag trotzdem gültig ist oder ob er vielmehr sittenwidrig und deswegen nichtig ist. Diese Entscheidung treffen grundsätzlich die Familiengerichte. In letzter Konsequenz kann ein solches Urteil aber auch im Rahmen der Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht überprüft werden.

Grundsatz: Vertragsfreiheit auch für Eheverträge

Ursprünglich war das Bundesverfassungsgericht der Ansicht, dass hier die volle Vertragsfreiheit zur Geltung käme. Wenn sich die Ehepartner freiwillig für ehevertragliche Regelungen entschieden, dann seien sie hieran auch festzuhalten, gerade wenn sie dadurch Nachteile hätten.

Später hat das Bundesverfassungsgericht dann aber mehr und mehr betont, dass Ehepartner nicht immer freiwillig entscheiden können, ob und mit welchem Inhalt sie einen Ehevertrag wollen.

Unterlegenheit durch Schwangerschaft

Der Paradefall einer Zwangslage war der der schwangeren Ehegattin: Eine noch nicht verheiratete Frau, die ein Kind erwartete, war nach Ansicht des Gerichts förmlich darauf angewiesen, zu heiraten, um nicht in der höchst unvorteilhaften Lage einer unehelichen Mutter zu landen:

"Eine Situation von Unterlegenheit ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine nicht verheiratete schwangere Frau sich vor die Alternative gestellt sieht, in Zukunft entweder allein für das erwartete Kind Verantwortung und Sorge zu tragen oder durch Eheschließung den Kindesvater in die Verantwortung einzubinden, wenn auch um den Preis eines mit ihm zu schließenden, sie aber stark belastenden Ehevertrages."

Diese Worte des Bundesverfassungsgerichts stammen übrigens aus dem aktuellen Jahrtausend (Urteil vom 06.02.2001, Az. 1 BvR 12/92).

Ausweitung der Sittenwidrigkeit

Später wurden diese Überlegungen aber noch deutlich ausgeweitet.

Im kurz darauf verkündeten Beschluss vom 29.03.2001, Az. 1 BvR 1766/92, wurde festgehalten, dass Schwangerschaft nur ein zu berücksichtigendes Indiz für ein Ungleichgewicht sei. Daneben seien Vermögenslage, berufliche Qualifikation und Perspektive zu beachten. Insgesamt sei Sittenwidrigkeit dann anzunehmen, wenn eine völlig einseitige vertragliche Belastung und eine unangemessene Berücksichtigung der Interessen eines Ehepartners vorläge.

Insoweit ist aber zu bemerken, dass die Verfassungswidrigkeit zu einem aus Art. 2 Abs. 1 GG, also aus der allgemeinen Handlungsfreiheit hergeleitet wird. Die allgemeine Handlungsfreiheit umfasst auch die Vertragsfreiheit. Wer also einen (ungünstigen) Ehevertrag schließt, übt damit nur seine Handlungsfreiheit aus. Zugleich beschneidet er sich damit aber seiner Handlungsfreiheit für die Zukunft, weil er seine finanziellen Verhältnisse dadurch verschlechtert werden.

Tiefgreifende Ungerechtigkeit

Im Falle der schwangeren Ehefrauen wurde aber auch noch Art. 6 Abs. 4 GG ins Feld geführt, der statutiert, dass "jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft" hat. Dies gab im Endeffekt wohl den Ausschlag, hier relativ häufig die Sittenwidrigkeit eines solchen Ehevertrags anzunehmen.

Für andere Fälle, insbesondere, in denen keine Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Eheschließung vorlag oder die Eheleute überhaupt keine Kinder haben, gilt dies freilich nicht. Hier muss verfassungsrechtlich auf eine besonders schwere, die Entscheidungsfreiheit eines Ehegatten in Zukunft dauerhaft und tiefgreifend beeinflussende Ungerechtigkeit abgestellt werden.

Dies ist bspw. dann der Fall, wenn ein Ehepartner aus dem Ausland stammt, die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrscht und keinen hierzulande anerkannten Berufsabschluss besitzt. Auch das Alter, juristische Erfahrung und persönliche Eigenständigkeit können eine Rolle spielen.

Heute: Gesamtabwägung notwendig

Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden: Die Rechtsauslegung ist Sache der Familiengerichte. Nur die verfassungsrechtliche Überprüfung obliegt dem Bundesverfassungsgericht und kann im Wege der Verfassungsbeschwerde verlangt werden. Das BVerfG wird also nur bei besonders groben Verstößen einschreiten, ein einfaches falsches Urteil genügt nicht.

Je nach Perspektive muss daher also herausgearbeitet werden, ob die Handlungs- und Vertragsfreiheit oder Gerechtigkeitsgesichtspunkte überwiegen. Argumente werden sich meist für beide Sichtweisen finden lassen, sodass es auf eine exakte Darlegung Ihrer Rechtsposition ankommt.

Rechtsanwalt Thomas Hummel ist auf Verfassungsbeschwerden spezialisiert, auch im Familienrecht. Er übernimmt bundesweit Mandate.






Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Beiträge zum Thema