Das Nießbrauchrecht – Anforderungen an die Bestimmtheit des Nießbrauchs

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Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit ist als Bedingung bestimmt genug

OLG München: Nießbrauch kann von der Geschäftsunfähigkeit des Bestellers abhängig gemacht werden. Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit stellt grundsätzlich eine bestimmte Bedingung für die Entstehung des Nießbrauchs dar.

Die Beziehung einer Person zu einer Sache ist für die deutsche Rechtsordnung eine zentrale Frage, welche durch verschiedene Rechtsinstitute geregelt wird. Gerade das Eigentum genießt Verfassungsrang und soll den Eigentümer gegenüber Eingriffen des Staates schützen (Art. 14 GG).

Dabei werden vornehmlich die freie Entfaltung und die eigenverantwortliche Lebensgestaltung im vermögensrechtlichen Bereich sichergestellt. Jedoch besteht – wie bei fast jedem Recht – ein bestimmter Regelungsbedarf, welcher die Gestaltungsfreiheit des Eigentumsrechts einschränkt.

So gilt im zivilrechtlichen Umgang mit den Rechten an einer Sache grundsätzlich ein Typenzwang, wonach dingliche Rechte aus Gründen der Rechtsklarheit im Gesetz abschließend festgelegt werden. Auch müssen geltende Formvorschriften in der Übertragung des Eigentums und den daraus abgeleiteten Rechten beachtet werden. Vornehmlich im Bereich des Immobiliarsachenrechts und der Kreditsicherung ergeben sich dabei verschiedene Probleme, deren Auflistung ganze Bücher füllen könnte.

Nießbrauch – ein unübertragbares, unvererbliches absolutes Recht

Das Eigentum an einer Sache verleiht dem Eigentümer im Wesentlichen drei Rechte: Nutzung, Fruchtziehung und Verfügung. Durch die Begründung des Nießbrauchs (§§ 1030 ff. BGB) überträgt der Eigentümer einer Sache das Recht zur Nutzung und zur Fruchtziehung an einen Dritten und behält nur das Verfügungsrecht für sich. Auf diese Weise wird die rechtliche Herrschaft über eine Sache untergliedert und es entstehen die Rechtsfiguren des „bloßen Eigentümers“ (Besteller) und des „Nießbrauchers“ (Begünstigter). Ersterer behält das Eigentum an der Sache und damit die generelle Verfügungsbefugnis. Der Begünstigte kann demgegenüber umfassende Nutzung einschließlich der Früchte ziehen. Das Nießbrauchsrecht ist dabei gegenüber jedermann gültig, kann aber vom Begünstigten weder übertragen noch vererbt werden.

Ein Nießbrauch kann an beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie an Rechten bestehen. Die wohl häufigste Form ist dabei der Nießbrauch an unbeweglichen Sachen – vornehmlich an Immobilien. Dabei bedarf die Bestellung des Nießbrauchs regelmäßig der Mitwirkung eines Notars und der Eintragung in das Grundbuch.

Begründung des Nießbrauchs an Immobilien

Die bereits angesprochenen Formvorschriften sind bei der Kreditsicherung und im Immobiliarsachenrecht von entscheidender Bedeutung. Die Voraussetzungen für eine wirksame Bestellung des Nießbrauchs an unbeweglichen Sachen – wie Häuser und Grundstücke – lassen sich grob in vier zentrale Elemente unterteilen:

1. dingliche Einigung zwischen dem Eigentümer und dem zukünftigen Inhaber des Nießbrauchsrechts

2. Eintragung in das Grundbuch

3. Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe

4. Verfügungsbefugnis des Bestellers.

Die dingliche Einigung – ein dinglicher Vertrag

Das deutsche Zivilrecht lebt entscheidend von der strikten Trennung der dinglichen Verfügung und der schuldrechtlichen Verpflichtung (v. a. Kaufvertrag). Diese Trennung wird beispielsweise dann deutlich, wenn jemand eine Sache durch einen Kaufvertrag verkauft. Der Käufer wird dabei nicht zwangsläufig Eigentümer an der gegenständlichen Sache. Hierfür muss eine dingliche Einigung – also die Vereinbarung, dass das Eigentum/der Besitz übertragen wird – erzielt werden.

Zumeist erfolgt diese Vereinbarung ohne weitere Probleme. So muss bei dem Kauf einer Wurstsemmel nicht explizit formuliert werden, dass das Eigentum an dieser übertragen wird.

Anders ist dies bei etwaigen Erscheinungen wie dem Nießbrauch. Die Parteien wie auch Dritte sollen erkennen können, dass der Berechtigte als Nießbraucher Früchte und Nutzungen ziehen darf, ohne Eigentümer zu sein. Für einen solchen dinglichen Vertrag gelten die allgemeinen Voraussetzungen für Verträge, wie sie auch für einen Kaufvertrag anzuwenden sind.

Bedingungen sind grundsätzlich möglich

Die Übertragung von Rechten kann dabei grundsätzlich auch an bestimmte Bedingungen geknüpft werden. Ein Nießbrauch kann als dingliches Grundstücksrecht aufschiebend und/oder, wenn er nicht auf Lebenszeit des Berechtigten bestellt wird, auflösend bedingt bestellt werden. Für die Art der Bedingungen bestehen wegen des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes zumeist keine Beschränkungen. Jedoch ist das Recht in seinem Entstehen so eindeutig zu bezeichnen, dass seine Existenz objektiv feststellbar ist.

Die Bestimmtheit ist meist sichergestellt, wenn der verwendete Begriff oder die verwendete Umschreibung durch Gesetz oder Rechtsprechung näher ausgefüllt ist und dadurch einen objektiv bestimmbaren Bedeutungsinhalt hat (BGH, Urteil vom 13.06.2002, Az.: V ZB 30/01; OLG München, Urteil vom 10.04.2007, Az.: 32 Wx 58/07).

Bestimmtheit der Bedingung der Geschäftsunfähigkeit

In einer jungen Entscheidung des OLG München ging es in diesem Zusammenhang um die Frage, ob ein Nießbrauch wirksam bestellt worden ist, wenn dessen Entstehung davon abhängig gemacht wird, dass der Besteller geschäftsunfähig wird. Unter dem Verweis auf die gesetzliche Regelung des § 104 Nr.2 BGB (Geschäftsunfähigkeit aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit) hatte die Eigentümerin eines Wohnhauses ihrem Lebensgefährten ein Nießbrauchrecht eingeräumt, sofern diese zu Lebzeiten geschäftsunfähig werden sollte. Das Grundbuchamt hatte daraufhin beanstandet, dass diese Bedingung zur Entstehung des Nießbrauchs nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz des Grundbuchs entspreche. Die Geschäftsunfähigkeit sei zwar per se definiert, jedoch nicht deren Eintritt. Somit sei der Zeitpunkt der Entstehung nicht eindeutig feststellbar.

Das Gericht urteilte – auch unter Verweis auf die geltende BGH-Rechtsprechung –, dass der Aspekt des Bedingungseintritts der Geschäftsunfähigkeit über einen objektiv bestimmbaren Bedeutungsinhalt verfüge und in § 104 Nr. 2 BGB fixiert sei (OLG München, Urteil vom 09.12.2016, Az.: 34 Wx 417/16). Außerdem gilt festzuhalten, dass, sofern im Einzelfall Unsicherheiten verbleiben, diese Zweifel durch eine richterliche Entscheidung ausgeräumt werden können. Die Möglichkeit, den Bedingungseintritt nach objektiven Kriterien festzustellen, ist dadurch nicht infrage gestellt (OLG München, Urteil vom 17.12.2013, Az.: 34 Wx 270/13).

Wir helfen gerne

Im Zusammenhang mit Übergabeverträgen und Nießbraucheinräumung stehen wir Ihnen gerne telefonisch oder E-Mail für Rückfragen zur Verfügung.

Erstellt von: Rechtsanwalt Marc Sturm und Avvocato Francesca Perri, LL.M., Anwaltskanzlei Sturm, Dr. Körner & Partner in Aichach, in Zusammenarbeit mit cand. iur. Kevin Joder (Uni Konstanz)



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