Der Schutz vor Arbeitszwang und Zwangsarbeit in der Verfassungsbeschwerde

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Art. 12 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes schützen jeden Bürger vor Arbeitszwang und Zwangsarbeit:

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.


Alle Menschen sind umfasst

Dies irritiert zunächst natürlich etwas, da diese beiden Begriffe sehr ähnlich klingen, zumal sie aus den gleichen Wortbestandsteilen zusammengesetzt sind. Als Arbeitszwang bezeichnet man dabei die persönliche Verpflichtung zur Verrichtung einer bestimmten Arbeit. 

Die Zwangsarbeit geht dagegen noch deutlich weiter, sie bedeutet, dass man seine ganze Arbeitskraft dazu verwenden muss, wozu der Staat einen zwingt. Trotzdem werden diese beiden Regelungen als einheitliches Grundrecht verstanden, das eben nur verschiedene Facetten besitzt.

Vor Arbeitszwang und Zwangsarbeit sind alle Menschen geschützt. Damit ist der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 2 und 3 weiter als der von Art. 12 Abs. 1 GG, der nur Deutsche umfasst. Man kann also sagen: Gegen beruflichen Zwang kann sich jeder wehren, freie Berufswahl steht dagegen nur Bürgern zu. 

Auf juristische Personen, also in erster Linie auf Unternehmen, ist dieses Grundrecht dagegen nicht anwendbar, da diese keine Arbeitskraft im eigentlichen Sinne besitzen und daher von vornherein nicht zu Arbeit gezwungen werden können.

Mehr Informationen zu Grundrechten juristischer Personen: Für wen gelten die Grundrechte?


Ausnahme: allgemeine Dienstleistungspflicht

Wie bei praktisch allen Grundrechten ist der Schutz nicht absolut und ausnahmslos. Aber auch hier muss man unterscheiden:

Arbeitszwang ist schon „im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht“ zulässig. Herkömmlich ist die Pflicht dann, wenn sie bereits üblich ist – es dürfen also keine neuen Dienstpflichten eingeführt werden. Allgemein gleich ist nur eine Pflicht, die alle Bürger gleichermaßen trifft – eine Differenzierung nach dem Alter oder nach dem Geschlecht ist unzulässig.

Derartige (in der Regel zulässige) Tätigkeiten sind bspw. die Feuerwehrdienstpflicht oder die sog. „Hand- und Spanndienste“, die es ganz vereinzelt in Gemeinden gibt. Zu Letzteren gehört bspw. eine gemeinsame Ausbesserung von Straßen oder von Bewässerungseinrichtungen. Diese haben mittlerweile aber häufig den Charakter eines traditionellen Gemeinschafts-Events angenommen.

Ein Lohnanspruch entsteht insoweit nicht.


Zwangsarbeit von Strafgefangenen

Zwangsarbeit dagegen darf nur als Teil einer Freiheitsstrafe angeordnet werden. Dies sehen die Gesetze über den Strafvollzug auch vor, bspw. § 41 des StVollzG des Bundes oder § 43 des Bayerischen StVollzG. Diese Arbeit wird (minimal) vergütet, wobei ein Teil der Vergütung auch für die Kosten der Unterbringung und Verpflegung einbehalten werden darf.

Als Einschränkung dieses Grundrechts schon innerhalb der Verfassung dient Art. 12a GG. Dieser sieht die Wehrpflicht (Abs. 1), den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Abs. 2) sowie besondere Arbeitspflichten im Verteidigungsfall (Abs. 3 bis 6) vor.


Abgrenzungsschwierigkeiten

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der anderen Obergerichte unterfallen viele relevante Pflichten des Bürgers aber gar nicht erst dem Begriff einer Arbeitspflicht:

  • Gehwegreinigung (inkl. Schneeräumen) durch Anlieger
  • Mitwirkung bei der Steuererhebung (z. B. Lohnsteuer, Umsatzsteuer)
  • Beförderungspflicht durch Taxifahrer
  • Beiordnung von Rechtsanwälten (z. B. als Pflichtverteidiger)
  • Auferlegung von Sozialstunden im Jugendstrafrecht
  • Arbeitspflicht als Bewährungsauflage
  • Pflicht zu Erwerbsarbeit vorrangig vor Sozial- oder Unterhaltsleistungen
  • Ausübung eines kommunalen Amtes (z. B. als Gemeinderat oder Bürgermeister)

In der Verfassungsbeschwerde spielen vor allem die letztgenannten Fallgruppen eine Rolle. Hier muss genau abgegrenzt werden, ob es nun um einen Arbeitszwang oder um eine andere Handlungspflicht - die dann aber ggf. in die allgemeine Handlungsfreiheit eingreift - geht. Dabei ist die Einteilung oft alles andere als klar und es muss gerade eine gerichtliche Klärung herbeigeführt werden.



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