Der Unterhaltsregressanspruch des Scheinvaters gegen den leiblichen Vater

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Mit Beschluss vom 24.02.2015 - 1 BVR 472/14 stärkt das Bundesverfassungsgericht einerseits das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Müttern, nimmt hierfür jedoch andererseits eine nicht unerhebliche Beschneidung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz für vermeintlich leibliche Väter in Kauf.

Die damals zwanzigjährige Beschwerdeführerin führte eine Beziehung mit dem späteren Prozessgegner, während derer sie schwanger wurde. Nachdem sie und der vermeintliche Vater infolge der zweiten Schwangerschaft geheiratet hatten, wurde die zweite Tochter der Beschwerdeführerin Anfang Oktober 1991 ehelich geboren, so dass der Ehemann nach § 1592 Nr. 1 BGB rechtlicher Vater dieses Kindes wurde. Die Beschwerdeführerin verschwieg jedoch, dass auch eine andere Person als Erzeuger des Kindes in Betracht kam. Im Jahr 1994 offenbarte sie in einem Brief an ihren Ehemann, dass ein anderer Mann leiblicher Vater sein könnte. Im Jahr 1995 wurde die Ehe geschieden.

2010 focht der Ex-Mann erfolgreich die Vaterschaft an. Im Oktober 2012 forderte er die Beschwerdeführerin zwecks Durchsetzung seines Unterhaltsregressanspruchs gegen den eigentlich unterhaltspflichtigen leiblichen Vater gem. § 1607 Abs.3 Satz 1 und 2 BGB auf, mitzuteilen, wer der mutmaßlich leibliche Vater ihrer Tochter ist.

Die Beschwerdeführerin verweigerte die Auskunft jedoch unter Berufung auf ihr allgemeines Persönlichektsrecht.

Daraufhin wurde die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren auf Auskunft in Anspruch genommen.

Das Amtsgericht Bad Segeberg verpflichtete die Beschwerdeführerin, Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu geben. Der Anspruch folge aus § 1353 Abs. 1 in Verbindung mit § 242 BGB. Die für eine Auskunftsverpflichtung geforderte Sonderrechtsverbindung ergebe sich aus der Ehe der Beteiligten. Das Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin müsse hier zurücktreten, da sie den Kläger nicht darüber aufgeklärt habe, dass nicht er allein als biologischer Vater in Betracht komme. Der Auskunftsanspruch sei weder verjährt noch verwirkt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht zurück.

Diese Entscheidungen kassierte nun das Bundesverfassungsgericht. Ausweislich des Leitsatzes schütze das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Dies umschließe das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen. Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters (§ 1607 Abs. 3 BGB) Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, so das Bundesverfassungsgericht, überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehle.

Es ist einerseits zu begrüßen, wenn das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Einhalt gebieten will. Auch ist die Stärkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter Beachtung der besonders schutzwürdigen Intimsphäre grundsätzlich zu begrüßen. Nach Auffassung des Autors darf jedoch bezweifelt werden, ob hierbei auch die tangierten Grundrechte von sog. "Scheinvätern" hinreichend Berücksichtigung gefunden haben. Ohne einen Auskunftsanspruch zur Ermittlung des leiblichen und eigentlich unterhaltspflichtigen Vaters, dürften Regressansprüche zukünftig ins Leere gehen. In der Konsequenz wird hierdurch ein effektiver Rechtsschutz zugunsten vermeintlich leiblicher Väter, die ohne Rechtsgrund Unterhalt anstelle des eigentlich Verpflichteten geleistet haben, in fragwürdigem Ausmaß beschnitten. Gleichzeitig werden selbst die eigentlich unterhaltspflichtigen leiblichen Väter, welche sich trotz Kenntnis ihrer Verpflichtung, aus der Verantwortung gestohlen haben, begünstigt. Gerade Letzteres dürfte verständlicherweise kaum mit dem Gerechtigkeitsempfinden vieler zu vereinbaren sein.

 Mikio A. Frischhut, Rechtsanwalt

 


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