Die 7 Todsünden des Geschiedenenunterhalts nach § 1579 BGB

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Nach § 1585 BGB ist der laufende Unterhalt vom Unterhaltsschuldner durch eine monatliche Geldrente an den Unterhaltsberechtigten zu zahlen. Bei einer groben Unbilligkeit kann aber die laufende Unterhaltszahlung entfallen. § 1579 BGB regelt, wann eine solche Unbilligkeit vorliegt. Die Rechtsfolge kann zunächst nur sein, dass sich der Unterhalt reduziert. In der Praxis entfällt aber der Unterhalt meistens ersatzlos, wenn die Wirkung des § 1579 BGB zuschlägt.

Übrigens: § 1579 BGB gilt mit der Ausnahme von § 1579 Nr. 1 BGB auch für den Trennungsunterhalt.


§ 1579 Nr. 1: Die kurze Ehedauer

Eine Ehe von nicht mehr als zwei Jahren ist grundsätzlich eine kurze Ehe; eine Ehe von mehr als drei Jahren ist keine kurze mehr. Der Zeitraum berechnet sich von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Dieses ist keine starre Regel, sondern vielmehr eine Faustformel. Liegen besondere Umstände eines Einzelfalls vor, kann eine Verlängerung der kurzen Ehedauer in Betracht kommen.

Beispiel: Die Ehegatten haben im Januar 2018 geheiratet. Der Scheidungsantrag wird im Mai 2022 dem anderen Ehegatten zugestellt. Weil die Ehe bis zum Tag der Zustellung des Scheidungsantrags länger als drei Jahre gedauert hat, handelt es sich hierbei nicht um eine kurze Ehe, wenn keine Ausnahme vorliegt. Der Unterhaltsanspruch kann deswegen nicht versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden. Das wäre aber nach § 1578b BGB für den Unterhalt nach der Scheidung  trotzdem möglich.

Beachtenswert: Die Kindesbetreuung in der noch jungen Ehe, aus der ein Betreuungsunterhaltsanspruch folgt, schließt die Härteklausel der Nr. 1 nicht aus.


§ 1579 Nr. 2: Die verfestigte neue Lebensgemeinschaft

Ein länger andauerndes Verhältnis des Unterhaltsberechtigten zu einer neuen Partnerin oder einem neuen Partner kann zum Wegfall der Unterhaltspflicht führen. Die Beziehung muss sich dergestalt verfestigt haben, dass sie als ein eheähnliches Zusammenleben gewertet wird und gleichsam an die Stelle der Ehe getreten ist. Eine solche verfestigte Lebensgemeinschaft kann bei einer Dauer von 2-3 Jahren vorliegen.

Beispiel: In einem besonderen Fall war die Verfestigung schon nach nur einem Jahr vom Gericht angenommen worden, weil aus der neuen Lebensgemeinschaft ein gemeinsames Kind geboren wurde. Dieses wurde als eine eindeutige Abkehr von der Ehe gewertet.

Beachtenswert: Für eine verfestigte Lebensgemeinschaft ist es nicht notwendig, dass die Beteiligten zusammen wohnen. Die Verfestigung tritt vielmehr nach einer längeren Zeit von ca. fünf Jahren ein. Ausreichend ist, dass die Lebenspartner in der Öffentlichkeit bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten sowie Feiertage und Familienfeste zusammen mit den Familienangehörigen verbringen.


§ 1579 Nr. 3: Verbrechen oder vorsätzlich schwere Vergehen gegen den Unterhaltsverpflichteten oder seinen nahen Angehörigen

Derartiges liegt beispielsweise bei schwerwiegenden falschen Anschuldigungen vor, wenn diese geeignet sind, den Unterhaltsverpflichteten persönlich oder beruflich in der Öffentlichkeit zu schädigen. Aber auch bei schweren Beleidigungen und Verleumdungen kann der Unterhalt entfallen.

Beispiel: Eine gefährliche und schwere Körperverletzung kann ein schweres Vergehen darstellen, genauso wie die Misshandlung oder der sexuelle Missbrauch von Angehörigen.

Beachtenswert: Die Straftat muss sich entweder gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten richten. Wer als Angehöriger zählt, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Als nahe Angehörige sind nach der Rechtsprechung die Verwandten 1. Grades und der neue Ehegatte des Verpflichteten anzusehen. Ob das auch für die nichteheliche Lebensgemeinschaft gilt, ist umstritten.


§ 1579 Nr. 4: Mutwilliges Herbeiführung der Bedürftigkeit

In krassen Fällen kann die Unterhaltspflicht entfallen, wenn der Unterhaltsbedürftige es unterlässt, einer zumutbaren Arbeit nachzugehen. Es wurde auch schon entschieden, dass das Hineinrutschen im eine Alkoholabhängigkeit zum Ausschluss der Unterhaltspflicht führen kann. Der unterhaltsbedürftigen Person muss aber eine unterhaltsbezogene Leichtfertigkeit vorzuwerfen sein.

Beispiel: Hat die unterhaltsberechtigte Person ihre Arbeitskraft leichtfertig aufs Spiel gesetzt und dadurch die Kündigung provoziert, können die Voraussetzungen für die mutwillig herbeigeführte Bedürftigkeit vorliegen.

Beachtenswert: Die Mutwilligkeit muss unterhaltsbezogen sein. Das bedeutet, der bedürftige Ehegatte muss die Möglichkeit der Bedürftigkeit als Folge seines Verhaltens erkannt haben.


§ 1579 Nr. 5: Das mutwillige Hinwegsetzen über schwerwiegende Vermögensinteressen des Unterhaltsverpflichteten

Voraussetzung ist das Hinwegsetzen über schwerwiegende Vermögensinteressen. Die Intensität der Pflichtverletzung ist nicht allein maßgebend, sondern auch der Umfang der Vermögensgefährdung. Der Vermögensschaden muss aber nicht tatsächlich entstehen. Eine schwerwiegende Gefährdung der Vermögensinteressen reicht vielmehr aus.

Beispiel: Dieses liegt vor, wenn die unterhaltsberechtigte Person den Unterhaltsverpflichteten bei seinem Arbeitgeber anschwärzt. Auch die Anzeige bei einer Behörde, der Staatsanwaltschaft oder dem Finanzamt kann den Unterhaltsanspruch entfallen lassen. Sogar dann, wenn eigentlich ein berechtigtes Interesse für die Anzeige besteht, weil die eheliche Solidarität es gebieten kann, sich nicht zum denunzierenden Verfolger aufzuzwingen.

Beachtenswert: Hinsichtlich der Mutwilligkeit wird ein Verschulden oder wenigstens leichtfertiges Verhalten bei der unterhaltsbedürftigen Person vorliegen müssen. Das Verhalten muss allerdings hier nicht unterhaltsbezogene sein.


§ 1579 Nr. 6: Die längere gröbliche Verletzung von Unterhaltspflichten in der Zeit vor der Trennung

Das liegt bei krassen persönlichen Eheverfehlungen vor. Diese müssen sehr schwerwiegend sein, sodass nach der Gerechtigkeitsvorstellungen es schlichtweg unvereinbar wäre, hierüber hinwegzusehen. Vom Gewicht her ist eine Verfehlung notwendig, die einem Verbrechen oder schweren vorsätzlichen Vergehen wie in Nr. 3 gleichkommt. Wann ein längerer Zeitraum vorliegt, liegt das Gesetz nicht fest. Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum muss die Pflichtverletzung ein Jahr oder länger andauern. Dieses bestimmt sich aber jeweils nach den Umständen des Einzelfalls.

Beispiel: Weil der Ehemann das Wirtschaftsgeld seiner Ehefrau nicht zur Verfügung stellt, kommt die Familie durch diese Pflichtverletzung in ernsthafte Schwierigkeiten.

Beachtenswert: Die Verpflichtung zum Familienunterhalt betrifft auch die Unterhaltspflicht gegenüber den gemeinsamen Kindern. Bei einer Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber den gemeinsamen Kindern kann daher auch das zur Rechtsfolge des § 1579 BGB kommen.


§ 1579 Nr. 7: Offensichtliches schwerwiegendes, eindeutiges beim Unterhaltsberechtigten liegendes Fehlverhalten gegen den Unterhaltsverpflichteten

Das Fehlverhalten muss für jedermann erkennbar schwerwiegend sein. In Betracht kommen nur ganz eindeutige Fälle von erheblichem Gewicht. Das Fehlverhalten muss zudem den Unterhaltsverpflichteten im erheblichen Maß getroffen haben. Zu dem muss ein Verschulden vorgelegen haben.

Beispiel: Der Unterhaltsanspruch entfällt, wenn einer der Ehegatten nach der Trennung erneut mit derselben Person seine ehebrecherische Beziehung wieder aufgenommen hat.

Beachtenswert: Auch die Vereitelung des Umgangsrechts kann den Unterhaltsanspruch entfallen lassen, wenn eine planmäßige, fortgesetzt passive und schuldhafte Vereitelung des Umgangs vorliegt. Bloße Schwierigkeiten bei der Umgangsausübung reichen aber hierfür nicht aus.


§ 1579 Nr. 8: Genau so schwerwiegend wie die in den Nrn. 1-7 aufgeführten Gründe

Hierbei handelt es sich um einen Auffangtatbestand für alle schwerwiegenden Fälle, welche von den 7 Todsünden der Unterhaltsverwirkung bisher nicht erfasst wurden, aber genauso schwerwiegen.

Beispiel: Die Fortführung einer ehebrecherischen Partnerschaft, welche schon bei der bestehenden Ehe bestanden hat und nun nach der Scheidung fortgeführt wird, kann zum Unterhaltsverlust führen.

Beachtenswert: Auch die eigenmächtige Hausratsteilung, welche eine verbotene Eigenmacht darstellt, kann zu einem Unterhaltsverlust führen, wenn ein schwerwiegender Fall vorliegt.


Gerne stehe ich Ihnen zu diesem Thema als auch zu sämtlichen anderen Fragen rund um das Familienrecht, Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht zur Verfügung. Eine zwar kostenpflichtige Erstberatung schützt Sie oft vor höheren Folgekosten, wenn „das Kind erst mal in den Brunnen gefallen ist“. Bitte holen Sie sich daher rechtzeitig kompetenten Rechtsrat ein.

Tom Martini
 Rechtsanwalt

Foto(s): (C) Tom Martini

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