Die Äste dürfen bleiben - Sozialbindung des Eigentums vs. Nachbarschaftsrecht

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In Wiesbaden beschäftigen sich gleich zwei Gerichtszweige mit der Frage um die Fällung einer Österreichischen Schwarzkiefer und einer Blauzeder - das Amtsgericht und das Verwaltungsgericht.

Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 21.6.2007 war der Beklagte dazu verurteilt worden, den Überhang der sich auf seinem Grundstück befindenden Zeder und Kiefer zu entfernen. Denn die Bäume standen in zu geringem Abstand zur gemeinsamen Grenze zum Kläger.

Der beim Amtsgericht unterlegene Beklagte beantragte sodann - wie in der örtlichen Baumschutzsatzung vorgeschrieben - bei der Unteren Naturschutzbehörde Wiesbaden die Genehmigung zur Entfernung des Grenzüberhangs der Kiefer und der Zeder. Die UNB lehnte diesen Antrag ab.

Im Oktober 2008 verklagten dann die Nachbarn, die bereits erfolgreich gegen den Baumeigentümer vor dem Amtsgericht geklagt hatten, die Stadt Wiesbaden (Untere Naturschutzbehörde, UNB) vor dem Verwaltungsgericht. Sie gingen aufgrund der amtsgerichtlichen Entscheidung davon aus, dass auch die Untere Naturschutzbehörde die Schnittmaßnahmen zu dulden habe. Denn schließlich könne ihr Nachbar an geeigneter Stelle Ersatzpflanzungen im Sinne der Baumschutzsatzung vornehmen. Außerdem seien die Beeinträchtigungen durch den Abfall der beiden Bäume unzumutbar, so dass gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verstoßen werde.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden sah die Verpflichtungsklage gegen die Stadt Wiesbaden (UNB) als unbegründet an und wies mit Urteil vom 14.1.2009 die Klage zurück (VG Wiesbaden, Urteil v. 14.1.2009, Az: 4 K 1180/08.WI). Die UNB habe es mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, die Genehmigung zur Entfernung des Überhangs von Zeder und Blaufichte auf dem Grundstück des durch das AG Wiesbaden zivilrechtlich verurteilten Baumeigentümers zu erteilen. Das Verwaltungsgericht kam zudem zu der Überzeugung, dass kein Anspruch der Kläger auf eine entsprechende Genehmigung durch die UNB bestünde, da die Voraussetzungen des § 5 der Satzung zum Schutz des Baumbestandes in der Landeshauptstadt Wiesbaden (Baumschutzsatzung) nicht vorlägen. Denn aus der Natur der Sache kommenden Beeinträchtigungen müsse der betroffene Grundstückseigentümer mit Rücksicht auf die übergeordneten Belange von Naturschutz und Landschaftspflege, Stadtklima und Umweltschutz hinnehmen, weswegen höherrangiges Recht weder durch die Baumschutzsatzung selbst noch durch ihre Anwendung im Einzelfall verletzt sei.

Fazit:

Selbst bei einer zivilgerichtlicher Entscheidung auf Beseitigung überhängender Äste darf eine Genehmigung hierzu wegen Baumschutzes durch die Verwaltungsbehörde versagt werden, wenn die sog. „Sozialbindung des Eigentums", die sich unmittelbar aus Art. 14 des Grundgesetzes ergibt, dem privatrechtlichen Anspruch auf Beseitigung der Äste vorgeht. Nachvollziehbare Beispiele für die Sozialbindung von Eigentum in diesem Zusammenhang lassen sich § 1 Ziel und Schutzzweck der Baumschutzsatzung Wiesbaden entnehmen, wie etwa Erhaltung und nachhaltigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen für die Einwohner, Belebung, Gliederung und Pflege des Stadtbildes, Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, Erhaltung und Verbesserung des Stadtklimas und der klimatischen Verhältnisse, Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen usw.


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