Die begrenzten Möglichkeiten der verdeckten Videoüberwachung

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Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 08.12.2020 - 7 Sa 226/20

In dem Großhandelslager der Arbeitgeberin verschwinden Spirituosen. Wie aber kann der Täter überführt werden? Immerhin sind dort über 400 Mitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte entschied sich, auf die verdeckte Videoüberwachung zurückzugreifen. Doch obwohl der Kläger auf dem Video zu erkennen ist, sind alle Kündigungen unwirksam.

Der Fall

Der Kläger war bei der Beklagten als gewerblicher Mitarbeiter und Kommissionierer beschäftigt und in dem Großhandelslager der Beklagten tätig. Weil in der Vergangenheit immer wieder ein Fehlbestand an Spirituosen festzustellen war, stellte die Beklagte eine verdeckte Videokamera auf. Sie wurde eingeschaltet, wenn im Trockensortiment nicht gearbeitet wurde. Die Aufnahme löste mittels Bewegungsmelder aus.

Die Videokamera nahm auf, wie der Kläger am 22.12.2019 mit einem weiteren Kollegen in den Trockensortimentsbereich hineinfuhr, als dort niemand mehr arbeitete. Die Mitarbeiter stellten ihre Flurförderfahrzeuge ab und gingen den Anfahrtsweg zurück in Richtung eines Treppenhauses zur Kantine im Obergeschoss. Auf Höhe der Jägermeisterflaschen bückte sich der Kläger plötzlich. Dann nahmen die Mitarbeiter ihren Weg wieder auf. Als sie kurze Zeit später zu ihren Fahrzeugen zurückkamen, wurden Sie von zwei Schichtleitern darauf angesprochen, was sie im Bereich des Trockensortiments zu suchen hätten. Nachdem der Kläger und sein Kollege geantwortet und den Bereich mit ihren Fahrzeugen verlassen hatten, stellten die Schichtleiter fest, dass zwei Jägermeisterflaschen fehlten.

Am 27.12.2019 wurde der Kläger zu dem Vorwurf, er habe sich Jägermeisterfläschchen angeeignet, konfrontiert. Am 30.12.2019 wurde der Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört und um Zustimmung gebeten. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab. Mit Schreiben vom 04.01.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. Mit weiterem Schreiben vom 13.01.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis noch einmal vorsorglich hilfsweise fristgerecht zum 20.02.2020.

Nachdem das Arbeitsgericht Würzburg der Kündigungsschutzklage in erster Instanz stattgegeben hatte, legte die Beklagte Berufung ein und beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragte, die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LAG) bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts und wies die Berufung zurück. Ein Fehlverhalten habe dem Kläger nicht bewiesen werden können. Insbesondere habe das Gericht die Videoaufzeichnungen nicht verwerten dürfen. Darüber hinaus ergaben sich mehrfach Probleme mit der Betriebsratsanhörung, sodass das LAG zu dem Schluss kam, dass vorliegend auch eine Verdachtskündigung nicht wirksam ausgesprochen worden sei.

Hinweise für die Praxis

Die Fehler der Beklagten ziehen sich wie ein roter Faden durch das Verfahren, was das Urteil auch so lesenswert macht. Warum das LAG zu dem Ergebnis gelangt ist, die Videoaufzeichnung nicht verwerten zu dürfen und warum die Beklagte die Aufzeichnung überhaupt nicht benötigt hätte, um den Kläger wirksam zu kündigen, erfahren Sie in unserer ausführlichen Urteilsbesprechung unter: https://www.ra-wittig.de/urteile-arbeitsgericht/verdeckte-videoueberwachung-betriebsratsanhoerung-verbrauch-kuendigungsgruende/.

Foto(s): Wittig Ünalp Rechtsanwälte PartGmbB

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