Die Beschäftigung geflüchteter Ukrainer in deutschen Betrieben – Was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

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von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens-Arne Former und Wiss. Mit. Dipl.-Jur. Vanessa Förster, LFR Wirtschaftsanwälte München

Wollen Arbeitgeber Geflüchteten eine Perspektive in Deutschland bieten und von ihrer Arbeitskraft profitieren, müssen sie die aktuell geltenden – teils äußerst komplexen – Regelungen beachten. Dabei sollten sie insbesondere für jeden als Arbeitnehmer in Betracht kommenden Geflüchteten unverzüglich eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beantragen, um lange Wartezeiten zu vermeiden und Geflüchteten die zeitnahe Arbeitsaufnahme zu ermöglichen.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24.02.2022 sind insgesamt knapp 4 Millionen Menschen[1] aus der Ukraine geflohen. Davon befinden sich laut Bundesinnenministerium aktuell circa 272.000 Geflüchtete[2] in Deutschland. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der damit einhergehenden Fluchtbewegung wurde auf Unionsebene die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie (Richtlinie 2001/55/EG) aktiviert sowie auf Bundesebene die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung (UkraineAufenthÜV) erlassen. Daneben sind die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zu beachten. Der Beitrag widmet sich dieser komplexen Regelungsstruktur, welche potentielle Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Geflüchteten verstehen und bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigen müssen.

I. Der erste Schritt: Geflüchtete brauchen einen Aufenthaltstitel

Damit ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen werden kann, bedarf es zunächst der Erteilung eines Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörde.

1. Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG - Vorübergehender Schutz für Geflüchtete

Mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 04.03.2022 wurde die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie (Richtlinie 2001/55/EG) aktiviert. Hierdurch soll für

  • ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24.02.2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten,
  • Staatenlose und Drittstaatenangehörige, die vor dem 24.02.2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben,
  • sowie deren Familienangehörigen

vorübergehender Schutz gewährt werden, indem ihnen ein Aufenthaltstitel durch die Ausländerbehörde erteilt wird. Dies gilt auch für Staatenlose und Drittstaatenangehörige, die nachweisen können, dass sie sich vor dem 24.02.2022 auf Grundlage eines nach ukrainischem Recht erteilten gültigen unbefristeten Aufenthaltstitels rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben, und in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückzukehren. Die deutsche Umsetzung der Richtlinie findet sich in § 24 AufenthG wieder, wonach zum vorübergehenden Schutz den Betroffenen auf Antrag ein Aufenthaltstitel durch die Ausländerbehörde zu erteilen ist.

2. Die Übergangslösung: Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels

Bis der Aufenthaltstitel erteilt wird, soll die sogenannte Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung (UkraineAufenthÜV) vom 09.03.2022 die aufenthaltsrechtliche Situation überbrücken. Danach sollen bestimmte Ausländer nach § 2 Abs. 1 – 3 UkraineAufenthÜV vom Erfordernis des Besitzes eines Aufenthaltstitels befreit sein. Konkret gilt dies für

  • Ausländer, die sich am 24.02.2022 in der Ukraine aufgehalten haben beziehungsweise
  • Ukrainische Staatsangehörige, die am 24.02.2022 einen Wohnsitzt oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Ukraine hatten und sich zu diesem Zeitpunkt vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben

und bis zum Außerkrafttreten der Verordnung nach Deutschland eingereist sind, ohne den für den langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen.

Die Ausnahmeregelung gilt rückwirkend ab dem 24.02.2022 und tritt mit Ablauf des 23.05.2022 außer Kraft. Für diesen Zeitraum bedarf es somit keines Aufenthaltstitels für die betroffenen Personengruppen.

3. Der Notnagel: Sonstige Aufenthaltstitel nach dem AufenthG

Sind Personen zwar aufgrund der Übergangsverordnung berechtigt, sich bis einschließlich 23.05.2022 in Deutschland aufzuhalten, nicht jedoch einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG zu beantragen, kann bis zum 23.05.2022 ein anderer Aufenthaltstitel nach dem AufenthG beantragt werden. Für die Erteilung müssen die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein und deren Vorliegen im Einzelfall geprüft werden.

Im Übrigen können sich Geflüchtete mit biometrischem Reisepass für die Dauer von 90 Tagen in Deutschland aufhalten. Diese können auch ohne Aufenthaltstitel tätig werden, wenn sie die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 AufenthV in Verbindung mit § 30 BeschV erfüllen. Dies gilt etwa für Journalisten, Forscher oder Wissenschaftler, die in diesem Bereich tätig werden.

II. Auch das noch: Abhängige Beschäftigung benötigen zusätzlich eine Arbeitserlaubnis

Den Geflüchteten aus der Ukraine mit Aufenthaltstitel in Deutschland ist der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zwar grundsätzlich nicht verwehrt, ist aber Folgendes zu beachten:

Dennoch berechtigt ein Aufenthaltstitel alleine noch nicht zur Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland. Zwar darf nach § 24 Abs. 6 1. HS. AufenthG die selbständige Beschäftigung für Geflüchtete mit humanitärem Aufenthaltstitel nicht ausgeschlossen werden, bedarf es für die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung jedoch nach § 4 Abs. 1 AufenthG einer Arbeitserlaubnis, welche bei der Ausländerbehörde einzuholen ist. Der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf es hier allerdings nicht (vgl. § 31 BeschV). Wenngleich § 2 Abs. 1 – 3 der UkraineAufenthÜV vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreien, bleiben nach § 2 Abs. 5 S. 2 UkraineAufenthÜV die übrigen Vorschriften des Aufenthaltsrechts unberührt. Es ist somit davon auszugehen, dass auch für den Fall der Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels eine Arbeitserlaubnis einzuholen ist.

III. Hilft mir eine Fiktionsbescheinigung und wenn ja, wie komme ich an diese?

Für die Aufnahme der Tätigkeit ist der elektronische Aufenthaltstitel der Ausländerbehörde erforderlich. Vor dem Hintergrund der Bestimmungen des § 81 AufenthG kann jedoch bereits mit Erhalt der sogenannten Fiktionsbescheinigung die abhängige Beschäftigung begründet werden. Nach § 81 Abs. 3 AufenthG gilt der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt, wenn ein Ausländer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt hat. Über die Wirkung seiner Antragsstellung hat die Behörde ihm die Fiktionsbescheinigung auszustellen. Die Ausländerbehörde hat bei Ausstellung dieser Bescheinigung den Zusatz „Erwerbstätigkeit erlaubt“ beizufügen. Nur wenn dieser Zusatz enthalten ist, kann auch die Tätigkeit aufgenommen werden.

Somit kann bereits vor Erhalt des elektronischen Aufenthaltstitels mit der abhängigen Beschäftigung begonnen werden, wenn eine Fiktionsbescheinigung mit entsprechendem Zusatz vorliegt.

IV. Praxistipps: Was können Arbeitgeber tun?

Trotz der aktuell geltenden Ausnahmeregelungen der UkraineAufenthÜV sollten Arbeitgeber schnellstmöglich für potentielle Arbeitnehmer bei der zuständigen Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel beantragen. Dies ist insbesondere deshalb anzuraten, da die Ausländerbehörden angehalten werden, den Aufenthaltstitel bei Erteilung mit dem Eintrag „Erwerbstätigkeit erlaubt“ zu versehen. Solange die Behörden noch nicht mit der Bearbeitung der Anträge überlastet sind, ist mit einer schnellen Erteilung der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu rechnen. Ein Zögern bei der Einreichung der Anträge kann sich somit auch auf das angestrebte Beschäftigungsverhältnis auswirken. Hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitsvertrags sollte vereinbart werden, dass das Beschäftigungsverhältnis mit der Erteilung der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu laufen beginnt. Arbeitgeber sollten zudem jeweils die aktuelle Gesetzesentwicklung verfolgen, um auf etwaige Änderungen der Rechtslage reagieren zu können. Insbesondere bei einem so aktuellen Thema wie dem vorliegenden sind weitere Vorschriften und Sonderbestimmungen nicht auszuschließen.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung der konkreten arbeitsvertraglichen Herausforderungen bei der Einstellung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland.

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[1] Situation Ukraine Refugee Situation (unhcr.org) (zuletzt abgerufen am 29.03.2022).

[2] Ukrainische Flüchtlinge | Flucht & Asyl | Zahlen und Fakten | MEDIENDIENST INTEGRATION (mediendienst-integration.de) (zuletzt abgerufen am 29.03.2022).

Foto(s): https://unsplash.com/photos/AvqpdLRjABs

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