Die Crux der Beweissicherung im Baumangelrecht

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Soweit es im Rahmen eines Bauprojektes - sei es das Häuslebauen oder lediglich eine kleinere Renovierung durch einen Handwerksbetrieb - zu einem Schadensfall kommt, stellt sich häufig die gleiche Frage:


Wie sichere ich die schadensverursachenden Beweise, ohne einen größeren wirtschaftlichen Schaden zu riskieren?


Dem Grunde nach kollidieren hier zwei Interessen: Zum einen das Interesse, den Baumangel so gut es geht zu dokumentieren, um eine eventuelle Pflichtverletzung des ausführenden Unternehmens später, notfalls in einem Prozess, beweisen zu können.


Zum anderen das Interesse, den Mangel möglichst schnell zu beheben, um sein (Bau-)Projekt fortsetzen zu können. Im schlechtesten Fall kommt es zu einem Schadensfall in einem von vielen Gewerken und der Schadensfall an sich droht nunmehr schon die Fertigstellung der anschließenden Projekte zu verzögern. Insbesondere bei größeren Bauprojekten ist dies regelmäßig der Fall. Mit jeder eintretenden Verzögerung droht sodann der wirtschaftliche Schaden größer zu werden.


Diese beiden kollidierenden Interessen gilt es im Einzelfall regelmäßig in Einklang zu bringen.


Grundsätzlich kommen in Bauschadensfällen zwei Arten der Beweissicherung in Frage:


1. Das privatschriftliche Gutachten

Es ist möglich, zur Beweissicherung eines etwaigen Handwerksfehlers, ein privatschriftliches Gutachten in Auftrag zu geben. Hier ist nach meiner Erfahrung dringend darauf zu achten, dass ein öffentlich bestellter Gutachter beauftragt wird. Ich arbeite selbst mit einer größeren Anzahl an Gutachtern zusammen, die sich durch ihre schnelle Arbeit und wasserfeste Gutachten bewiesen haben. Der Vorteil bei privatschriftlichen Gutachten ist, sie können in der Regel sehr schnell beigebracht werden. Nach Besichtigung des jeweiligen Schadensfalls ist es in der Regel möglich, dass der Geschädigte unmittelbar die Reparaturen veranlasst und sodann mit seinem ursprünglichen Projekt fortfährt.


Der Nachteil ist allerdings der Beweiswert des Gutachtens an sich. So gut ein privatschriftliches Gutachten auch geschrieben ist, es bleibt ein privat in Auftrag gegebenes Gutachten. Dies bedeutet, dass es in einem späteren Prozess auch als solches bewertet wird. Dies führt in einem gerichtlichen Verfahren möglicherweise dazu, dass über das Gutachten selbst wieder ein Gutachten (diesmal ein gerichtlich in Auftrag gegebenes Gutachten) gefertigt werden muss. Kurz um: Der Beweiswert eines privatschriftlichen Gutachtens ist geringer als der eines gerichtlichen Gutachtens. Je nach Qualität des Gutachtens kann dies im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme zu Problemen führen.


2. Anstrengen eines selbstständigen Beweisverfahrens

Das selbstständige Beweisverfahren ist ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren. Grundsätzlich handelt es sich hier um ein dem gerichtlichen Verfahren vorgeschaltetes Verfahren, um schnellstmöglich vom Verfall bedrohte Beweise zu sichern (wobei es durchaus noch andere Ausprägungen des Verfahrens gibt). Auch wenn das Verfahren grundsätzlich als eilig und schnell durchzuführendes Verfahren konzipiert ist, entspricht es eher der Justizrealität, dass zwischen Antragstellung auf die Durchführung eines solchen Verfahrens und Termin des Gutachters zur Beweissicherung, Monate vergehen. In Baumangelverfahren, in denen ein besonders schnelles Vorgehen erforderlich ist (zum Beispiel aufgrund drohender Verschlechterung der Sache), ist dieses Verfahren leider meistens ungeeignet. Grundsätzlich ist das Beweissicherungsverfahren aber immer noch wesentlich schneller als die Durchführung eines regulären Hauptsacheverfahrens.


Der große Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die darin gefundenen gutachterlichen Feststellungen verbindlich für die Parteien sind. Weist ein Gutachten in einem selbstständigen Beweisverfahren die Verursachungsfrage eines Mangels dem handelnden (Bau-)Unternehmen oder Handwerksbetrieb zu, ist die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens in der Regel nicht mehr notwendig. In so einer Situation rate ich auch regelmäßig den von mir vertretenen Handwerkern und Bauunternehmern, die Forderung dem Grunde nach anzuerkennen und Schadensbegrenzung zu betreiben.


Zusammenfassend ist das Privatgutachten schnell, aber in der Beweiswirkung gemindert und das selbstständige Beweisverfahren langsam, aber sicher in der Beweiswirkung.


Die Wahl des jeweiligen Verfahrens richtet sich immer nach einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, Risiken und wirtschaftlichen Schäden.


Je größer der angerichtete Schaden, desto eher sollte man zum selbstständigen Beweisverfahren greifen.


Droht allerdings durch die Verzögerung des Baufortschritts ein weiterer finanzieller Schaden, kommt es hier auf die Vertretbarkeit des Verzögerungsschadens an. Liegt dieser Schaden außer Verhältnis zu dem eingetretenen Schaden, sollte man das private Gutachten wählen.


Insbesondere bei mehrstufigen Projekten (beispielsweise der Bau eines Hauses), ist oft das schnellere Privatgutachten zu empfehlen.


Teilweise spielen aber auch die berechtigten Interessen Dritter eine entscheidungserhebliche Rolle.


In einem meiner Fälle war ein Gas- und Wasserinstallateur mit der Reparatur einer Leckage im Trinkwassersystem eines Mehrfamilienhauses beauftragt. Bei der Reparatur kam es zu einem weiteren Schaden, der letztlich dazu führte, dass die oberen beiden Wohnungen der Immobilie ohne Trinkwasserversorgung waren. Grundsätzlich verschlimmerte sich der Schaden nicht und in baulicher Hinsicht war nichts weiter zu besorgen. Allerdings riet ich meinem Mandanten, der gleichzeitig auch der Hauseigentümer und Vermieter der Immobilie war, hier zu einem Privatgutachten, denn die Mieter der Wohnung waren aufgrund der mangelnden Trinkwasserversorgung gegenüber meinem Mandanten zur Minderung der Miete berechtigt. Diese Minderung hätten wir wohl auch in einem längeren Verfahren am Ende gegen den handelnden Handwerker geltend machen können, allerdings wären die Mieter aufgrund der Dauer des Verfahrens bis dahin wahrscheinlich ausgezogen, denn wir hätten den Mangel erst nach der Monate später erfolgten gutachterlichen Beweisaufnahme beheben können. Da mein Mandant die Mieter allerdings behalten wollte, war dies der hier angezeigte Weg.


Fazit: Die Wahl zwischen den beiden Beweissicherungsarten ist nicht einfach und sollte im Einzelfall mit einem Fachmann besprochen werden.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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