Die formlose Bürgschaft nach § 350 HGB: Eine Haftungsfalle für Unternehmer.

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1. Die formlose Bürgschaft der Kaufleute

Die formlose Bürgschaft nach § 350 des Handelsgesetzbuches (HGB) regelt ein Sonderfall der kaufmännischen Bürgschaft. Diese spezielle Regelung ermöglicht es Kaufleuten, Bürgschaften ohne die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgeschriebene Schriftform zu übernehmen. Während diese Flexibilität im geschäftlichen Verkehr von großem Nutzen sein kann, birgt sie gleichzeitig nicht zu unterschätzende Risiken und Herausforderungen.

Die formlose Bürgschaft ist ein juristisches Instrument, das in bestimmten Geschäftssituationen eine schnelle und unkomplizierte Absicherung ermöglicht. Sie erlaubt es Kaufleuten, Bürgschaften mündlich oder durch konkludentes Handeln – also durch schlüssiges Verhalten, das auf eine Bürgschaftsübernahme schließen lässt – zu übernehmen. Diese Regelung ist insbesondere in der schnelllebigen Geschäftswelt von Bedeutung, wo oft unmittelbar und ohne umfangreiche formale Prozesse gehandelt werden muss.

Jedoch bringt diese Erleichterung auch signifikante Risiken mit sich. Die Abwesenheit einer schriftlichen Dokumentation kann zu rechtlichen Unsicherheiten führen, insbesondere wenn es um die Beweisbarkeit der Bürgschaftsvereinbarung geht. Zudem besteht die Gefahr, dass Kaufleute ohne ausreichende Überlegung oder ohne vollständiges Verständnis der möglichen Konsequenzen Bürgschaften eingehen. Dies kann zu unerwarteten finanziellen Belastungen führen, falls der Hauptschuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

In diesem Kontext ist es entscheidend, die Unterschiede zwischen der formlosen Bürgschaft nach § 350 HGB und der regulären Bürgschaft nach BGB zu verstehen. Während die formlose Bürgschaft eine größere Flexibilität bietet, gewährleistet die reguläre Bürgschaft durch die Schriftform einen höheren Schutz für den Bürgen.

In diesem Ratgeberartikel werden wir die Anforderungen an eine formlose Bürgschaft nach § 350 HGB erörtern, sie der "normalen" Bürgschaft nach BGB gegenüberstellen und die Rechtsfolgen sowie die damit verbundenen Probleme und Gefahren für den Kaufmann beleuchten. Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis für die formlose Bürgschaft zu schaffen und aufzuzeigen, wie wichtig es ist, die damit verbundenen Risiken sorgfältig abzuwägen.


2. Anforderungen an die formlose Bürgschaft nach § 350 HGB

Die formlose Bürgschaft nach § 350 HGB stellt eine spezielle Regelung im deutschen Handelsrecht dar, die für Kaufleute von großer Bedeutung ist. Diese Vorschrift erlaubt es Kaufleuten, Bürgschaften ohne die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgeschriebene Schriftform abzugeben. Ein Kaufmann im Sinne des HGB ist dabei definiert als jemand, der ein Handelsgewerbe betreibt. Die wesentliche Erleichterung, die § 350 HGB bietet, besteht darin, dass Bürgschaften auch mündlich oder durch schlüssiges Handeln, also konkludent, abgegeben werden können und damit rechtswirksam sind.

Diese Regelung hat weitreichende Implikationen. Sie erleichtert Geschäftsprozesse, indem sie die Formalitäten reduziert, die normalerweise mit der Übernahme einer Bürgschaft verbunden sind. In der Praxis bedeutet dies, dass ein Kaufmann schnell und flexibel als Bürge agieren kann, ohne die bürokratischen Hürden einer schriftlichen Vereinbarung überwinden zu müssen. Dies kann besonders in Situationen nützlich sein, in denen schnelles Handeln gefragt ist oder in denen eine formelle Schriftform aus praktischen Gründen schwierig umzusetzen ist.

Allerdings birgt diese Erleichterung auch Risiken. Die formlose Bürgschaft nach § 350 HGB entbindet den Kaufmann von der Schriftform, die im BGB als Schutzmechanismus für den Bürgen vorgesehen ist. Die Schriftform soll den Bürgen davor bewahren, unüberlegt oder unter Druck eine Bürgschaft zu übernehmen. Sie dient auch der Klarheit und Beweisbarkeit der Vereinbarung. Ohne diese formelle Anforderung könnte ein Kaufmann leichtfertig oder ohne vollständiges Verständnis der Konsequenzen eine Bürgschaft eingehen.

In der Praxis bedeutet dies, dass Kaufleute besonders vorsichtig sein sollten, wenn sie formlose Bürgschaften eingehen. Sie müssen sich der Bedingungen und Risiken voll bewusst sein und idealerweise alle Vereinbarungen, auch wenn sie mündlich getroffen werden, sorgfältig dokumentieren, um spätere Missverständnisse oder rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die formlose Bürgschaft ist somit ein zweischneidiges Schwert: Sie bietet Flexibilität und Effizienz, erfordert aber gleichzeitig ein hohes Maß an Verantwortung und Vorsicht seitens des Kaufmanns.


3. Unterschiede zur "normalen" Bürgschaft nach BGB

Die Unterschiede zwischen der formlosen Bürgschaft nach § 350 HGB und der "normalen" Bürgschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind sowohl in ihrer rechtlichen Ausgestaltung als auch in ihren praktischen Auswirkungen signifikant. Diese Unterschiede zu verstehen, ist für jeden Kaufmann und Bürge von großer Bedeutung, um die jeweiligen Rechte und Pflichten, die sich aus einer Bürgschaft ergeben, vollständig zu erfassen.

Das BGB sieht für eine Bürgschaft grundsätzlich die Schriftform vor, wie in § 766 BGB festgelegt. Diese Formvorschrift dient in erster Linie dem Schutz des Bürgen. Sie soll sicherstellen, dass sich der Bürge der Tragweite seiner Verpflichtung bewusst ist. Die Schriftform erfordert eine explizite und dokumentierte Zustimmung zur Bürgschaft, was eine vorschnelle oder unüberlegte Übernahme einer solchen Verpflichtung verhindern soll. Zudem bietet die Schriftform einen klaren Beweis für das Bestehen und den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung, was bei späteren rechtlichen Auseinandersetzungen von Bedeutung sein kann.

Im Gegensatz dazu erlaubt § 350 HGB Kaufleuten, Bürgschaften auch ohne die Einhaltung der Schriftform wirksam zu übernehmen. Dies bedeutet, dass eine mündliche Zusage oder eine konkludente Handlung, die den Willen zur Übernahme einer Bürgschaft erkennen lässt, ausreicht, um eine rechtlich bindende Verpflichtung zu begründen. Diese Regelung trägt der Geschäftswelt Rechnung, in der Flexibilität und Schnelligkeit oft entscheidend sind. Sie ermöglicht es Kaufleuten, ohne die formalen Hürden einer schriftlichen Vereinbarung als Bürgen zu agieren.

Diese Flexibilität birgt jedoch auch Risiken. Ohne die formelle Anforderung der Schriftform kann es leichter zu Missverständnissen über die Existenz und den Umfang der Bürgschaft kommen. Zudem entfällt der schützende Effekt der Schriftform, der den Bürgen vor übereilten Entscheidungen bewahrt. Dies kann insbesondere dann problematisch sein, wenn es um große Summen oder komplexe Geschäftsbeziehungen geht.


4. Rechtsfolgen der formlosen Bürgschaft

Die Rechtsfolgen einer formlosen Bürgschaft, wie sie in § 350 des Handelsgesetzbuches (HGB) für Kaufleute vorgesehen ist, sind von erheblicher Tragweite und verdienen eine detaillierte Betrachtung. Diese Art der Bürgschaft, die von den strengeren Formvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abweicht, bringt spezifische rechtliche Konsequenzen mit sich, die sowohl für den Bürgen als auch für den Gläubiger von Bedeutung sind.

Zunächst ist festzuhalten, dass die formlose Bürgschaft nach § 350 HGB es einem Kaufmann ermöglicht, eine Bürgschaftsverpflichtung ohne die Einhaltung der Schriftform einzugehen. Dies bedeutet, dass eine mündliche Zusage oder eine Handlung, die als Zustimmung interpretiert werden kann, ausreicht, um eine rechtlich bindende Bürgschaft zu begründen. Diese Regelung trägt der Geschwindigkeit und Flexibilität des Handelsverkehrs Rechnung und erleichtert Kaufleuten die Übernahme von Bürgschaften.

Die rechtliche Bindung, die mit einer solchen formlosen Bürgschaft einhergeht, ist nicht zu unterschätzen. Der Bürge verpflichtet sich, für die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners einzustehen, falls dieser seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Dies kann insbesondere bei hohen Beträgen oder riskanten Geschäften eine erhebliche finanzielle Belastung für den Bürgen darstellen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beweisfrage. Da bei einer formlosen Bürgschaft keine schriftlichen Unterlagen vorliegen müssen, kann es schwierig sein, die genauen Bedingungen der Bürgschaftsvereinbarung nachzuweisen. Dies kann sowohl für den Bürgen als auch für den Gläubiger zu rechtlichen Unsicherheiten führen. Im Streitfall könnte es beispielsweise schwierig sein, die Existenz der Bürgschaft oder den Umfang der Verpflichtung des Bürgen zu beweisen.

Darüber hinaus entfällt bei der formlosen Bürgschaft der Schutzmechanismus der Schriftform, der im BGB vorgesehen ist. Dieser Schutz dient dazu, den Bürgen vor übereilten oder unüberlegten Verpflichtungen zu bewahren. Ohne diesen Schutz könnte ein Kaufmann leichtfertig eine Bürgschaft eingehen, ohne sich der vollen Tragweite seiner Entscheidung bewusst zu sein.


5. Probleme und Gefahren für den Kaufmann

Die Probleme und Gefahren, die sich aus der formlosen Bürgschaft nach § 350 HGB für den Kaufmann ergeben, sind vielschichtig und bedürfen einer gründlichen Betrachtung. Diese Art der Bürgschaft, die für Kaufleute eine Ausnahme von der im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgeschriebenen Schriftform darstellt, birgt sowohl rechtliche als auch tatsächliche Risiken, die nicht unterschätzt werden sollten.

a. Rechtliche Probleme

Eines der Hauptprobleme im Zusammenhang mit der formlosen Bürgschaft ist die Beweisfrage. Da die Bürgschaft mündlich oder durch konkludentes Handeln eingegangen werden kann, fehlt oft ein schriftlicher Nachweis über die Existenz und den genauen Inhalt der Bürgschaftsvereinbarung. Dies kann im Falle eines Rechtsstreits zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Der Bürge könnte sich in der Position wiederfinden, in der er die Existenz oder den Umfang seiner Verpflichtung beweisen muss, was ohne schriftliche Dokumentation eine Herausforderung darstellen kann.

b. Tatsächliche Probleme

Auf der praktischen Ebene besteht das Risiko, dass Kaufleute unbedacht Bürgschaften eingehen. Die formlose Natur der Bürgschaft nach § 350 HGB erleichtert zwar die Übernahme von Bürgschaften, kann aber auch dazu führen, dass Kaufleute ohne ausreichende Überlegung oder ohne vollständiges Verständnis der Konsequenzen handeln. Dies kann insbesondere dann problematisch sein, wenn der Hauptschuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt und der Bürge für erhebliche Summen haften muss.

c. Fehlendes Bewusstsein für die Tragweite

Ein weiteres Problem ist das möglicherweise fehlende Bewusstsein für die Tragweite einer Bürgschaftsübernahme. Kaufleute könnten die formlose Bürgschaft als eine einfache oder unverbindliche Geste missverstehen, ohne sich der potenziellen finanziellen Konsequenzen vollständig bewusst zu sein. Dieses Missverständnis kann zu unerwarteten finanziellen Belastungen führen, die das Geschäft oder sogar die persönliche finanzielle Stabilität des Kaufmanns beeinträchtigen können.


6. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die formlose Bürgschaft nach § 350 HGB zwar eine flexible und praktische Option für Kaufleute bietet, aber auch mit erheblichen Risiken verbunden ist. Diese Risiken umfassen rechtliche Unsicherheiten, die Gefahr unbedachter Verpflichtungen und ein potenziell unzureichendes Verständnis für die Tragweite der Bürgschaft. Es ist daher für Kaufleute von größter Wichtigkeit, sich der möglichen Konsequenzen einer formlosen Bürgschaft bewusst zu sein und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um ungewollte Verpflichtungen und finanzielle Schwierigkeiten zu vermeiden.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


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