Die gewerbliche Miete in Zeiten von Corona (SARS-Cov-2)

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Die aktuellen in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erlassenen Eilverordnungen der Bundesländer (in Rheinland-Pfalz: CoBeVO) zwingt Einzelhändler und Gastwirte zur Schließung. Gleichzeitig haben sich manche Vermieter und/oder Mieter entschlossen, womöglich aus Fürsorgepflicht gegenüber Arbeitnehmern, Kunden etc. eigenverantwortlich Maßnahmen zu ergreifen und das Lokal oder Teile davon geschlossen. Das hat meist zur Folge, dass die Mieter auf der einen Seite weniger oder keine Einnahmen haben und auf der anderen Seite aber weiterhin die laufenden Kosten tragen müssen. Ebenso haben Vermieter schon jetzt Mietausfälle. Daher sprechen mich Vermieter und Mieter von gewerblichen Mietverträgen an, wie sie sich in der Situation verhalten sollen: Muss ich als Mieter weiterhin die Miete bezahlen oder kann ich die Miete mindern? Muss der Mieter die volle Miete bezahlen oder muss ich die Mietzahlung dem Mieter stunden?

Die hoheitliche Schließungsverfügung im pandemischen Lockdown, mit der Folge, dass ein Kundenverkehr nicht mehr stattfinden kann, stellt ein Mangel der zum Betrieb eines "Möbelgeschäfts mit Wohnaccessoires" vermieteten Räume dar. Wenn bei Abklingen der Pandemie eine schrittweise Lockerung der öffentlich-rechtlichen Schließungsanordnungen ergeht, ist die Miete wieder in dem Verhältnis geschuldet, wie sie zu den Bedingungen einer wieder erlaubten Öffnung der Räume steht (800m²-Grenze, Kundenbeschränkung/m², Hygienekonzept),  so das LG München I, Urteil vom 22. September 2020, Az. 3 O 4495/20.

Nach dem Urteil des Landgericht München I fallen die pandemiebedingten Beschränkungen nicht in den Risikobereich des Mieters, der Mieter trägt also in einem solchen Fall nicht das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache.

Wenn ein Mieter oder ein Vermieter von den behördlichen Maßnahmen nicht betroffen ist, also z. B. bei einem Lebensmittelmarkt, einer Arztpraxis oder einer Apotheke, wirkt sich die aktuelle Krise nicht auf das Mietverhältnis aus. Die gegenseitigen mietvertraglichen Pflichten gelten weiter.

Ob die Rechtsprechung des Landgericht München I, die sich auf Entscheidungen des Reichsgerichts bezieht, Bestand haben wird oder ob es für eine Minderung der Miete darauf ankommt, ob ein Mangel der Mietsache besteht, bleibt abzuwarten. 

Eine behördliche Maßnahme kann einen Mangel der Mietsache begründen, wenn diese Maßnahme auf der Beschaffenheit der Mietsache beruht, also z. B. bei nicht ausreichendem Brandschutz. Das ist bei einem Krankheitserreger, der nicht auf der Beschaffenheit der Mietsache beruht, also in keinem direkten Zusammenhang mit der Mietsache steht, nicht der Fall. Der Mieter kann die Mietsache weiterhin benutzen, z. B. eine Gastwirtschaft kann einen Lieferservice einrichten oder der Einzelhändler kann das Lager/Archiv aufräumen.

Ein Risiko für die Vermieter besteht, wenn der Gebrauch der Mietsache oder von Gemeinschaftsflächen beschränkt wird, ohne hierzu behördlich verpflichtet zu sein. So kann womöglich ein Untermieter die Miete mindern und sogar Schadenersatz verlangen, wenn der Hauptmieter ohne behördliche Verpflichtung, den Laden schließt.

In einigen Mietverträgen gibt es zudem Regelungen zur Risikoverlagerung. Eine solche Regelung, meist in Form einer Zusicherung, kann sich negativ auf den Mietzinsanspruch des Vermieters auswirken, der Mieter muss also gegebenenfalls weniger oder keine Miete bezahlen. Eine solche Regelung muss im Vertrag vereinbart sein, eine solche Vereinbarung kann aber auch konkludent erfolgt sein. Ob das der Fall ist, ergibt sich aus der Auslegung des Mietvertrages und seinen Anlagen. Schließlich können die Vertragsparteien eine Änderung der Risikoverteilung auch nach Vertragsschluss vornehmen. Hier ist dringend, auf die Schriftform zu achten.

Wenn es eine solche Risikoverlagerung auf den Vermieter nicht gibt, kann der Mieter aus der Tatsache, dass weniger Kunden bei ihm einkaufen oder dass er den Laden schließen musste, keine Rechte herleiten. Das wirtschaftliche Risiko trägt grundsätzlich der Mieter als Unternehmer.

Erst wenn diese grundsätzliche Risikoverlagerung auf den Mieter zu einer aus objektiver Sicht schwerwiegenden und unzumutbaren Situation führt, also eine Existenzgefährdung des Mieters eintritt, und zwar aufgrund außergewöhnlicher und nicht aus der Sphäre der Parteien stammenden Umständen, kann dies nach § 313 BGB einen Anspruch der benachteiligten Partei auf Zustimmung zu einer angemessen erachteten Vertragsanpassung führen (BGH, Urteil vom 3. März 2010 – XII ZR 131/08). Hier ist jedoch zum einen zu berücksichtigen, dass die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur Anwendung finden, wenn sich die Umstände, die zur Geschäftsgrundlage geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändern und die Vertragsparteien einen anderen Vertrag geschlossen hätten, wenn Sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten und zum anderen ist § 313 BGB nicht anzuwenden, wenn sich mit der Störung ein Risiko verwirklicht, das nur eine Partei zu tragen hat (Grüneberg in Palandt, 77. Auflage, § 313 Rnr. 19). 

Hier hat der Gesetzgeber nun eingegriffen. Durch zwei Gesetzesänderungen wird ab dem 1. Januar 2021 zum einen vermutet, dass pandemiebedingte Schließungen zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen und damit entsteht dem Mieter einer Gewerbefläche ein Anspruch auf entsprechende Vertragsanpassung. Und können sich die Parteien nicht einigen, kann der Mieter Klage auf Anpassung der Miete erheben, dann ist vom Gericht innerhalb eines Monats zu terminieren.

Die Mietvertragsparteien sollten also die Möglichkeit nutzen, die auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung einvernehmlich an die vorübergehenden Umstände anzupassen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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