Die Impfpflicht und die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis

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Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 15.03.2022 eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Arbeitnehmer in Gesundheits- und Pflegeberufen eingeführt. Dort beschäftigte Arbeitnehmer müssen bis zum 15.3.2022 den Nachweis ihrer Impfung oder Genesung erbringen. Ab 16.3.2022 neu eingestellte ungeimpfte Arbeitnehmer dürfen ihre Tätigkeit dort erst gar nicht aufnehmen.

Welche Einrichtungen sind betroffen?

Die neue gesetzliche Regelung betrifft folgenden Einrichtungen oder Unternehmen:

  • Krankenhäuser,
  • Einrichtungen für ambulantes Operieren,
  • Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
  • Dialyseeinrichtungen,
  • Tageskliniken,
  • Entbindungseinrichtungen,
  • Arztpraxen, Zahnarztpraxen,
  • Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe,
  • Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden,
  • Rettungsdienste,
  • Sozialpädiatrische Zentren
  • Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen
  • Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation
  • Voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen
  • Ambulanten Pflegediensten tätig sind

Welche Personen in diesen Einrichtungen sind betroffen?

Es sind alle Personen betroffen, die in einer der oben aufgezählten Einrichtungen tatsächlich tätig sind.

Hierbei ist es unerheblich, welche konkreten Tätigkeiten von diesen Personen ausgeübt werden. Ein unmittelbarer Kontakt zu vulnerablen Gruppen ist also nicht Voraussetzung. Dies hat zur Folge, dass auch Mitarbeiter wie Köche, Angestellte in der Verwaltung oder am Empfang, Hausmeister oder Haustechniker von dieser Regelung betroffen sind.

Es spielt auch keine Rolle, ob es sich um ein echtes Angestelltenverhältnis, ein Leiharbeitsverhältnis oder eine Praktikantenstelle handelt. Selbst kurzfristige Tätigkeiten fallen darunter, außer es handelt sich um zeitlich ganz unerhebliche vorübergehende Einsätze.

Nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums sollen sogar externe Handwerker, insbesondere Gesundheitshandwerker wie Orthopädietechnik und medizinische Fußpflege, aber auch Personen, die Reparaturen im Gebäude durchführen“ der Nachweispflicht unterfallen.

Verpflichtung zum Impf- oder Genesenennachweis

Die gesetzliche Regelung unterscheidet zwischen bereits beschäftigten Arbeitnehmern (Alt-Arbeitnehmer) und neu einzustellenden Arbeitnehmern (Neu-Arbeitnehmer).

  1. Neu-Arbeitnehmer dürfen nach dem 15.03.2022 ihre Tätigkeit in einer der betroffenen Einrichtungen nur aufnehmen, wenn sie geimpft sind.
  2. Bereits beschäftigte Arbeitnehmer müssen zum Ablauf des 15.03.2022 ihrem Arbeitgeber folgenden Nachweis vorlegen: 
  • Impfnachweis über eine vollständige Impfung eines in Deutschland anerkannten Impfstoffs, oder
  • Genesenennachweis, der einen labordiagnostischen Nachweis über mindestens 28 Tage, aber nicht mehr als sechs Monate zurückliegende Infektion nachweist.

Ausnahme bei Impfunverträglichkeit.

Sowohl für Alt-Arbeitnehmer als auch für Neu-Arbeitnehmer gibt es eine Ausnahme von der Pflicht, einen Impfnachweis bzw. Genesenennachweis zu erbringen, sofern sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können. Hat der Arbeitgeber Zweifel an dem ärztlichen Attest, kann er das Gesundheitsamt einschalten, welches den Mitarbeiter an einer ärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der geltend gemachten Impfunverträglichkeit verpflichten kann.

Können Angaben aus Gründen des Datenschutz verweigert werden?

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Frage nach dem Impf- bzw. Genesenenstatus zulässig ist und entsprechende Gesundheitsdaten auch verarbeitet werden dürfen. Hierbei muss jedoch der Datenschutz eingehalten werden und der Arbeitgeber muss Maßnahmen ergreifen, dass Zugriffsberechtigungen auf derartige Gesundheitsdaten nur für Mitarbeiter bestehen, die mit der Prüfung besonders betraut und geschult sind und außerdem zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

Was passiert, wenn der Mitarbeiter keine Auskunft über seinen Impfstatus gibt?

Sofern ein Nachweis nicht erbracht wird, muss der Arbeitgeber dies dem Gesundheitsamt melden und die entsprechenden personenbezogenen Daten übermitteln. Das Gesundheitsamt kann den Arbeitnehmer dann auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Kommt der Arbeitnehmer dieser Frist nicht nach, kann das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot aussprechen.

Gibt es ein generelles Beschäftigungsverbot?

Ein echtes, unmittelbar gesetzliches Beschäftigungsverbot gegenüber einem nicht geimpften oder nicht genesenen Mitarbeiter gibt es nur für Neu-Arbeitnehmer.

Für bereits beschäftigte Arbeitnehmer (Alt-Arbeitnehmer) gibt es ein solches unmittelbar gesetzliches Beschäftigungsverbot nicht. Allerdings kann das Gesundheitsamt ein solches Beschäftigungsverbot verhängen. In diesem Fall darf der Mitarbeiter nicht mehr tätig werden, was dazu führt, dass er seinen Lohnanspruch verliert. Allerdings hat auch das Gesundheitsamt einen Ermessensspielraum, insbesondere bei Pflegenotstand oder wenn ein Kontakt zu vulnerablen Gruppen weitgehend ausgeschlossen werden kann. Es ist also nicht zwingende Folge, dass das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot aussprechen wird

Berechtigt ein Verstoß gegen die Impfpflicht zur Kündigung?

Eine andere Frage ist, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, einen Mitarbeiter, der keinen Impfnachweis, Genesenennachweis oder ein Attest über Impfunverträglichkeit vorlegen kann, zu kündigen.

Auch hier kommt es wiederum darauf an, ob ein behördliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde oder nicht.

Für den Fall eines behördlichen Beschäftigungsverbots ist es dem Arbeitgeber untersagt, derartige Mitarbeiter zu beschäftigen. Es fehlt dann an der persönlichen Eignung des Beschäftigten, so dass teilweise die Ansicht vertreten wird, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt werden kann. Hiergegen bestehen jedoch erhebliche Bedenken. In Betracht käme eine ordentliche, personenbedingte Kündigung, mit der Folge, dass die hierfür. erforderliche Negativprognose gegeben sein muss, was in jedem Einzelfall zu prüfen ist. Hierbei ist zu beachten, dass die neue gesetzliche Regelung nur bis Jahresende gilt. Außerdem besteht auch durchaus die Möglichkeit, dass sich die gesetzliche Regelung geänderten Corona-Fallzahlen anpassen wird oder der Mitarbeiter ankündigt, sich unter bestimmten Voraussetzungen doch impfen zu lassen. Dies alles müsste vom Gericht überprüft werden und bei der Frage, ob von einer negativen Prognose auszugehen ist, mitberücksichtigt werden. Selbst bei einem behördlichen Beschäftigungsverbot bestehen daher erhebliche Bedenken gegen eine Kündigung, so dass dem Arbeitnehmer dringend anzuraten ist, diese im Wege einer Kündigungsschutzklage gerichtlich überprüfen zu lassen.

Sofern kein behördliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde, ist davon auszugehen, dass eine personenbedingte Kündigung nicht in Betracht kommt. Da der Gesetzgeber von einem unmittelbaren Tätigkeitsverbot nur ausgeht, sofern ein behördliches Beschäftigungsverbot vorliegt muss die Entscheidung über ein Beschäftigungsverbot auch vom Gesundheitsamt getroffen werden. Sieht dieses von einem Beschäftigungsverbot ab, kommt auch keine personenbedingte Kündigung in Betracht.

Es stellt sich die weitere Frage, ob der Arbeitgeber eventuell eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen aussprechen darf, sofern der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen einen Impf- oder Genesenennachweis zu erbringen, nicht nachkommt. Hierbei stellt sich bereits die Frage, ob die Pflicht zur Impfung eine arbeitsrechtliche Nebenpflicht darstellt. Hier gehen bereits die Rechtsansichten auseinander. Selbst wenn man von einer Nebenpflicht ausgehen sollte, stellt sich die weitere Frage, ob ein Verstoß hiergegen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann. Auch hier ist wieder auf den Einzelfall abzustellen, insbesondere ob die Möglichkeit besteht, den Mitarbeiter anderweitig, ohne Kontakt zu vulnerablen Gruppen, zu beschäftigen. Eine Kündigung kommt jedenfalls nur nach Ausspruch einer Abmahnung und nur als äußerstes Mittel in Betracht. Sofern andere mildere Mittel möglich sind, scheidet auch eine verhaltensbedingte Kündigung aus. In jedem Einzelfall muss genau geprüft werden, ob tatsächlich die Voraussetzungen für derartig einschneidende Maßnahmen vorliegen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wurde.

Beschäftigungsverbot und Arbeitsunfähigkeit

Wird ein Beschäftigungsverbot durch das Gesundheitsamt ausgesprochen und erkrankt der betroffene Arbeitnehmer, ist davon auszugehen, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall im Regelfall nicht besteht. Voraussetzung hierfür ist, dass die Krankheit der ausschließliche Grund ist, dass die Arbeitsleistung nicht erbracht werden kann. Sogenannter Grundsatz der Monokausalität. Dies ist allerdings bei Vorliegen eines Beschäftigungsverbots nicht der Fall.

Verfasser:

Rechtsanwalt Ralph Berndt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Die Anwaltskanzlei Berndt mit Standorten in Böblingen, Stuttgart und Rottweil ist als Arbeitnehmer-Kanzlei ganz auf Seiten der Arbeitnehmer tätig. Interessenkollisionen sind ausgeschlossen.


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