Die Schnellschussreform der StPO, oder wenn angstgetriebene Politiker entscheiden

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Hemmung der Unterbrechungsfristen wegen Infektionsschutzmaßnahmen (§ 10 EGStPO)

Die bisherige Regelung des §229 Abs. 1 und 2 StPO, wonach die Unterbrechung einer Hauptverhandlung maximal drei Wochen beziehungsweise einen Monat andauern darf ist durch die Neueinführung des §10 EGStPO zum Nachteil der Angeklagten abgeändert worden.

Nunmehr kann unabhängig von der Dauer der Hauptverhandlung der Lauf der im §229 Abs. 1 und 2 StPO genannten Unterbrechungsfristen gehemmt werden, und so lange die Hauptverhandlung

auf Grund von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) nicht durchgeführt werden kann, längstens jedoch für zwei Monate; diese Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung!

Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest. 

Für den Angeklagten in einem Strafverfahren hat dies zur Folge, dass eine bereits begonnene Hauptverhandlung bis zu drei Monate(!) unterbrochen werden kann, wenn dies auf Grund der COVID-19-Pandemie aus Sicht des Gerichts notwendig ist.

Mit dieser neuen Regelung wird die Verlängerung der Unterbrechung hauptsächlich in kleineren Strafverfahren (Haftsachen) das Problem auf dem Rücken der inhaftierten Angeklagten ausgesessen.

Der Gesetzgeber hatte in §229 Abs. 1 und 2 StPO bisher die grundsätzliche Entscheidung dahingehen getroffen, dass eine Unterbrechung länger als drei Wochen nur in Umfangsverfahren, das heißt, in Verfahren in denen bereits an mindestens an mindestens zehn Tagen verhandelt worden war. 

Warum war die Regelung bisher so?

Weil sie die Konkretisierung des Grundsatzes der Konzentration der Hauptverhandlung und des Grundsatzes der Beschleunigung des Verfahrens gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 2, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 MRK war.

Sinn und Zweck einer Begrenzung der Unterbrechung der Hauptverhandlung war es zu verhindern, dass sich der Eindruck von der mündlichen Verhandlung abschwächt und die Zuverlässigkeit der Erinnerung an die Vorgänge in der Hauptverhandlung beeinträchtigt werden (BGH, Urteil vom 05. Februar 1970 – 4 StR 272/68 –, BGHSt 23, 224-226, juris, Rn. 14)

Dem widerspricht die Neuregelung in einer Art und Weise die wir in einem Strafverfahren nicht stumm hinnehmen dürfen!

Ich bin mir sicher, dass dieser Schnellschuss der Legislativen gekippt werden wird.

Daher kann ich nur jedem Kollegen raten einer solchen Entscheidung des Gerichts im Hinblick auf die Widerspruchslösung des BGH zu widersprechen!


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