Die Streitwertbegünstigung im gewerblichen Rechtsschutz – der Weg zum kostengünstigen Prozess?

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Prozesse im gewerblichen Rechtsschutz sind teuer, oft sehr teuer. Nicht selten sind sie gar so teuer, dass gerade wirtschaftlich kleine Unternehmen und Unternehmer allein bei der Kostenfrage von der Durchsetzung oder auch der Abwehr etwaiger Ansprüche abgehalten werden. 

Das betrifft nicht nur Ansprüche aus dem reinen Wettbewerbsrecht, sondern vor allem Ansprüche aus markenrechtlichen oder auch patentrechtlichen Streitigkeiten.

Grund hierfür sind die hohen Streitwerte, welche seitens der Gerichte für solche Streitigkeiten angesetzt werden. Der Streitwert ist dabei der Wert, welcher den Wert des geltend gemachten Klageanspruchs wiederspiegelt und die Grundlage für die Berechnung der Verfahrenskosten darstellt. 

Dabei ist von sich aus heraus schon nachvollziehbar, dass Marken oder Patente eine bedeutende wirtschaftliche Position darstellen. Damit haben auch Klageverfahren, welche eine Marken- oder Patentverletzung zum Gegenstand haben, in der Regel sehr hohe Streitwerte.

Doch Marke ist nicht gleich Marke, Patent ist nicht gleich Patent, von welchen Beträgen sprechen wir denn hier? Das ist schwer zu verallgemeinern, da natürlich die neu eingetragene Marke eines kleinen, lediglich lokalen Unternehmens anders zu gewichten ist, als eine 100 Jahre alte und jedem bekannte Marke eines Weltkonzerns. 

Dennoch pegeln sich Streitigkeiten um Markenverletzungen regelmäßig bei etwa 50.000,00 € Mindeststreitwert ein, gern kann dieser Wert auch in den 6-stelligen Bereich gehen. Bei Patenten sieht das nicht anders aus, ganz im Gegenteil.

Daher sei also beispielhaft mal ein Streitwert von 50.000,00 € zugrunde gelegt. Hier werden allein in der ersten Instanz vor dem Landgericht für jede Partei Rechtsanwaltskosten von gut 3.500,00 € brutto sowie insgesamt gut 1.600,00 € Gerichtskosten fällig.

Da im Falle des Unterliegens in einem Klageverfahren auch die Kosten der Gegenseite vom Unterlegenen zu tragen sind, liegt das Gesamtrisiko daher bei etwa 8.600,00 €. Und das nur in der ersten Instanz! Bereits dieser Betrag stellt gerade für kleinere und eher finanzschwache Unternehmer schon mal einen glatten Knock-out dar.

Es stellt sich damit die Frage: geht da irgendwas in Sachen Streitwert? Glasklare Antwort: Jein.

Zunächst muss geschaut werden, in welchem Bereich wir uns befinden. Im Wettbewerbsrecht und einem Streit nach dem UWG wird schon der Ausgangswert anders ermittelt. Hier hilft zunächst einmal die Norm des § 51 Abs. 2 und 3 GKG. Dieser besagt, dass für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten eine Herabsetzung möglich ist, sofern die Bedeutung der Sache eher marginal ist. 

Bevor also die Frage sonstiger Streitwertvergünstigungen im Raum steht, müssen erst alle Möglichkeiten nach § 51 GKG ausgeschöpft werden. Allerdings greift diese Regelung nicht für Streitigkeiten im Markenrecht, Designrecht oder Patentrecht.

Und an dieser Stelle kommt nun die Streitwertbegünstigung ins Spiel. Diese ist in einer ganzen Reihe von Gesetzen geregelt, welche Ansprüche aus dem gewerblichen Rechtsschutz betreffen: § 142 MarkenG, § 54 DesignG, § 144 PatG oder eben auch § 12 Abs. 4 UWG. Die Regelungen sind weitestgehend inhaltlich gleich und daher im Kern identisch anzuwenden.

Was steckt also hinter dieser „Streitwertbegünstigung“?

Vereinfacht gesagt: in einem gerichtlichen Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes wird zwar der Streitwert insgesamt als solches nicht per se reduziert, aber es kann eine „Begünstigung“, sprich eine einseitige Reduzierung des Streitwerts für die wirtschaftlich schwache Partei erfolgen.

Beispiel: A möchte B wegen einer Markenverletzung verklagen. Der Streitwert beträgt 50.000,00 €. Der A ist jedoch als kleiner Unternehmer nur wirtschaftlich sehr schwach. Er beantragt eine Streitwertbegünstigung. Das Gericht setzt für A – und zwar nur für A – den Streitwert auf reduzierte 10.000,00 € fest, darüber hinaus verbleibt es beim Streitwert von 50.000,00 €.

  1. Der begünstigte Kläger A verliert seine Klage gegen B. Kläger A muss die Kosten des B tragen. Jedoch nur zu dem für ihn reduzierten Streitwert von 10.000,00 €. Auch die Gerichtskosten und seinen eigenen Anwalt muss unser Kläger A in Höhe des für ihn geltenden reduzierten Streitwerts zahlen.
  2. Der begünstigte Kläger A gewinnt seine Klage gegen den B. Der B muss als unterlegene Partei die Kosten des A tragen. Da für ihn, den B, aber nicht die Reduzierung greift, sondern diese nur für A gilt, muss B die Kosten des A zum vollen Streitwert von 50.000,00 € begleichen.

Na, das klingt doch prima, also volle Kraft voraus und mit wehenden Fahnen und Streitwertbegünstigung in die Klage wie David gegen Goliath?

Gemach, ganz so einfach ist es nicht. Wie so oft hat die Sache leider einen kleinen Haken. Zum einen sind die Gerichte relativ vorsichtig, was die Anordnung einer Streitwertbegünstigung betrifft. So muss die Belastung mit den Prozesskosten eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage der jeweiligen Partei bedeuten. 

Das ist nicht bereits dann der Fall, wenn die jeweilige Partei sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Das ist insbesondere auch dann nicht der Fall, wenn die wirtschaftlich schwache Partei im Falle der Kostentragung einen Kredit aufnehmen müsste. Solange Kreditwürdigkeit besteht, wäre diese wohl angezeigt. 

Im Grunde müsste nahezu die Insolvenz drohen, wenn eine Belastung mit den vollen Prozesskosten erfolgen würde. Ist allerdings die wirtschaftlich schwache Partei bereits zahlungsunfähig, kommt es auf die Kosten auch nicht mehr drauf an, sodass auch in einem solchen Fall keine Begünstigung möglich ist.

Zum anderen sind die Gerichte zurückhaltend bei der Höhe des Wertes, um welchen die wirtschaftlich schwache Partei zu begünstigen ist. In aller Regel erfolgt keine Streitwertbegünstigung hin zu einem Streitwert, welcher deutlich unter 10.000,00 € angesiedelt ist. 

Das ist seitens Rechtsprechung und Gesetzgeber im Grunde auch gewollt, da jeder ein gewissen Prozessrisiko tragen muss, gerade wenn es um nicht unerhebliche Werte als solches geht. Es kommt also unabhängig von der eigenen wirtschaftlichen Stärke oder Schwäche bereits darauf an, wie denn der eigentliche Streitwert zu bemessen ist und ob eine Kostentragung nicht doch zumutbar wäre.

Darüber hinaus betrifft die Streitwertbegünstigung zunächst nur die Kosten des jeweiligen Gerichtsverfahrens und erfordert einen entsprechenden Antrag bei Gericht. Damit treffen die dahingehenden Regelungen keine Aussage über die möglichen vorgerichtlichen Kosten einer Abmahnung. 

Würden zudem nach erfolgter Abmahnung und abgegebener Unterlassungserklärung nur noch 1.800,00 € Abmahnkosten aus einem Streitwert von 50.000,00 € eingeklagt werden, dann liegt im Grunde der Streitwert dieses gerichtlichen Verfahrens bei „nur“ 1.800,00 €, nicht hingegen bei 50.000,00 €. 

Inwieweit also die Regelungen zur Streitwertbegünstigung auf die Kosten der Abmahnung durchschlagen, ist eine andere Frage, insbesondere dann, wenn es zu keinen gerichtlichen Verfahren kommt bzw. ein solches noch gar nicht anhängig ist.

Praxis-Tipp

Sei es im Wettbewerbs-, Marken-, Design- oder Patentrecht, jeder Unternehmer sollte stets die Option der Streitwertbegünstigung zumindest im Kopf haben, wenn im gewerblichen Rechtsschutz eine gerichtliche Auseinandersetzung droht oder bereits anhängig ist. 

Ob eine Streitwertbegünstigung tatsächlich möglich ist, muss eingehend geprüft werden: das bedeutet in erster Linie, der jeweilige Unternehmer muss recht detailliert Auskunft über seine wirtschaftliche Situation machen. 

Nur dann, wenn dies glaubhaft gemacht werden kann, besteht die Option der Streitwertbegünstigung. Die dahingehende Prüfung sollte möglichst frühzeitig erfolgen, um den Antrag nicht verspätet bei Gericht einzureichen. Auch muss beachtet werden, dass der Antrag für jede Instanz gesondert zu stellen ist.

Unabhängig von einer Streitwertbegünstigung besteht zudem für die wirtschaftlich schwache Partei die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe, soweit die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Die Prozesskostenhilfe kann auch neben einer Streitwertbegünstigung gewährt werden, was nochmals eine Erleichterung der Kostenbelastung darstellen kann.

Eine Streitwertbegünstigung kann also in einem gerichtlichen Verfahren das Kostenrisiko nicht unerheblich reduzieren. Ob eine solche allerdings gewährt werden kann, bedarf genauer Prüfung, dabei auch seitens der Gerichte. Ein vertiefender anwaltlicher Rat ist hier unumgänglich, voreilige Schlüsse sollten nicht gezogen werden. Gern können Sie mich hierzu ansprechen.



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