Die Treuepflicht des GmbH-Gesellschafters

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„Wann bin ich als Gesellschafter verpflichtet, wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen der Geschäftsführung zuzustimmen?“

von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann

Als Mitgesellschafter eines Unternehmens lernt man sehr schnell, dass das Gewicht der eigenen Stimme nur so stark ist, wie Satzung, Geschäftsführer oder Mitgesellschafter es zulassen.

1. Welche Maßnahmen bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung?

Gerade für Minderheitsgesellschafter, die selbst weder an der Geschäftsführung beteiligt sind noch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen können bzw. einen Geschäftsführer stellen dürfen, ist deshalb die Frage von enormer Bedeutung, ob die Geschäftsführung eine einzelne Geschäftsführungsmaßnahme der Gesellschafterversammlung zur Abstimmung vorlegen muss.

Daher ist es besonders wichtig, dass die Satzung detaillierte Regelungen enthält, welche Maßnahmen der Geschäftsführung der Gesellschafterversammlung vorab vorzulegen sind.

Ohne gesonderte Regelung in der Satzung fallen nur folgende Beschlussgegenstände in den Aufgabenkreis der Gesellschafter:

  • die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses
  • die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses
  • die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses
  • das Einfordern von Einlagen, die Rückzahlung von Nachschüssen, die Teilung, Zusammenlegung oder Einziehung von Geschäftsanteilen
  • die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie deren Entlastung
  • die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung
  • die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb
  • die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen
  • die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen gegen die Geschäftsführer, vgl. § 46 GmbHG
    • wenn aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz zu entnehmen ist, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist, vgl. § 49 Abs. 3 GmbHG,
    • auf Antrag von mindestens 10 % der Gesellschafter (§ 50 Abs. 1 GmbHG)
    • in bestimmten umwandlungsrechtlichen Fällen (vgl. die §§ 13 Abs. 1 S. 2, 125 S. 1, 193 Abs. 1 S. 2 UmwG),
    • wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist, vgl. § 49 Abs. 2 GmbHG,
    • bei außergewöhnlichen Maßnahmen der Gesellschaft, worunter nur solche fallen, die 
      • außerhalb des statuarischen Unternehmensgegenstandes oder im Widerspruch zur festgelegten Unternehmenspolitik stehen oder
      • wegen ihrer Bedeutung für die Gesellschaft oder für die Gesellschafter oder wegen ihres besonderen unternehmerischen Risikos Ausnahmecharakter (z. B. Unternehmensveräußerung, aber auch die Ausgliederung wesentlicher Unternehmensteile) haben.

Nach § 47 Abs. 1 GmbHG bedürfen Beschlüsse grundsätzlich der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Etwas anderes gilt, wenn das Gesetz andere Mehrheitserfordernisse vorsieht, so z. B. für Satzungsänderungen (§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG) oder für Beschlüsse über die Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG), die einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen bedürfen. Hiervon kann durch gesellschaftsvertragliche Regelungen abgewichen werden.

So kann z. B. allgemein das Erfordernis einer sogenannten qualifizierten Mehrheit (z. B. „mehr als X& der Stimmen der [anwesenden] Gesellschafter“). Möglich ist es aber auch, nach Beschlussgegenständen differenzierte Quoten zu vereinbaren.

Was passiert, wenn eine wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme nicht die satzungsrechtliche erforderliche Zustimmung erreicht?

Auch auf soliden Füßen und mit guten Gründen vorgetragene Maßnahmen zur Sicherung des langfristigen Wachstums der Gesellschaft (z. B. Investitionen in neue Anlagen, Standorte, Mitarbeiter) oder auch sinnvoll Einsparmaßnahmen (z. B. Schließung eines defizitären Standortes, Kündigung eines Low-Performers etc.) werden in Gesellschafterkonflikten von einzelnen Gesellschaftern mit Teils aberwitzigen Begründungen („So haben wir das schon immer gemacht“ oder „Internetvertrieb passt nicht zu unserer Firma) abgelehnt.

Spätestens an dieser Stelle fragen sich viele Gesellschafter, ob sie die Zustimmung der übrigen Gesellschafter erzwingen können oder diese zumindest auf Schadensersatz verklagen können.

Der BGH entschied, dass ein Gesellschafter grundsätzlich in seinem Abstimmungsverhalten frei ist. Die Treuepflicht gebiete erst dann eine bestimmte Stimmabgabe, wenn dies zur Erhaltung der geschaffenen Werte objektiv unabweisbar erforderlich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist. Dies sei hier nicht der Fall gewesen (Urteil vom 12.04.2016, Az.: II ZR 275/14). So ist ein Gesellschafter erst dann zu einer bestimmten Stimmabgabe verpflichtet, (im entschiedenen Fall die Zustimmung zu den Standortmaßnahmen), wenn

a) dies zur Erhaltung der geschaffenen Werte objektiv unabweisbar erforderlich und

b) den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist.

Fazit

Gesellschafter sind in ihrem Stimmrecht weitgehend frei. Es gilt der Grundsatz, dass sich Gesellschafter durchaus wirtschaftlich unvernünftig verhalten dürfen. Die Hürde für eine Verletzung der Treuepflicht ist hoch.


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