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Dienstunfähigkeit: Ist die Anordnung einer (amts-)ärztlichen Untersuchung isoliert anfechtbar?

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Der Dienstherr darf eine (amts-)ärztliche Untersuchung anordnen, wenn ein Beamter hohe Fehlzeiten aufweist oder aus anderen Gründen der Verdacht besteht, dass die gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Beamten nicht mehr ausreicht, seinen Dienst zu verrichten. Diese Befugnis enthalten sämtliche Beamtengesetze des Bundes und der Länder. Eine solche Anordnung ist allerdings ein Eingriff in die persönliche Freiheit der Beamtin oder des Beamten, sodass sich die Frage stellt, ob eine Untersuchungsanordnung mit Widerspruch oder ggf. vor dem Verwaltungsgericht durch Anfechtungsklage oder gar im Eilverfahren mittels eines Antrags auf Erlass einer Untersagungsanordnung angefochten werden kann.

In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wurde diese Frage in der Vergangenheit unterschiedlich beantwortet. Nunmehr hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu in einem Beschluss vom 14.03.2019 eine Klarstellung getroffen und diese Frage ausdrücklich verneint: Eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens ist nicht isoliert angreifbar. Wenn der Beamte der Anordnung nicht folgt, kann die Rechtmäßigkeit der Anordnung nur im Rahmen des Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung gerichtlich überprüft werden (1. Leitsatz des Beschlusses). Dies sieht das Bundesverwaltungsgericht als ausreichenden Rechtsschutz an.

Das Gericht stellt klar, dass die Untersuchungsanordnung eine behördliche Verfahrenshandlung ist und nicht etwa ein Verwaltungsakt. Behördliche Handlungen im Verlauf des Verfahrens sind in aller Regel nicht isoliert anfechtbar. Eine entsprechende Klage wäre unzulässig.

Der Beamte bleibt allerdings nicht ohne Rechtsschutz. Eine Untersuchungsanordnung muss bestimmten Anforderungen genügen, insbesondere hinreichend begründet sein. Sie muss außerdem vom Dienstvorgesetzten erlassen werden. Nicht ausreichend wäre es zum Beispiel, wenn der Dienstherr lediglich den Amtsarzt beauftragt, eine Begutachtung durchzuführen und dieser dann dem Beamten eine „Vorladung“ zukommen lässt, ohne dass der Beamte von seinem Dienstvorgesetzten eine entsprechende Anordnung erhält (eine in der Praxis gar nicht so seltene Handhabung). Wenn der Beamte zu dem Ergebnis kommt, dass die Anordnung rechtswidrig ist, kann er die Begutachtung verweigern. Sollte der Dienstherr diese Verweigerung als eine Verletzung der Mitwirkungspflicht ansehen und allein deshalb ohne Untersuchung die Zurruhesetzung vornehmen, wird das Verwaltungsgericht im anschließenden Klageverfahren die Rechtmäßigkeit inzident (d. h. nebenher, als eine Teilfrage) überprüfen. Stellt das Gericht die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung fest, ist damit auch die Zurruhesetzung rechtswidrig und wird aufgehoben. Der Beamte hat die Untersuchung zu Recht verweigert. Stellt sich der Beamte allerdings der Untersuchung, obwohl sie rechtswidrig ist, darf das Ergebnis verwertet werden.

Bundesverwaltungsgericht – Beschluss vom 14.03.2019 – 2 VR 5.18

In der Praxis hat es sich bewährt, mit dem Dienstherrn zu kommunizieren und auf die rechtlichen Bedenken gegen die Anordnung unter Angabe der Gründe und auch der einschlägigen Rechtsprechung hinzuweisen. Mir ist in meiner Praxis bislang kein Fall bekannt geworden, in dem ein Dienstherr fundierte Hinweise ignoriert hätte. Die Anordnung wird nachgebessert oder ggf. sogar zurückgezogen.

Update: Das Bundesverfassungsgericht ist der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichs mit Beschluss vom 14.01.2022 entgegengetreten und hat entschieden, dass Untersuchungsanordnungen grundsätzlich anfechtbar sind.


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