Direktversicherung "stilllegen"/beitragsfrei stellen - ja oder nein?

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Die Direktversicherung ist einer der fünf Durchführungswege für die betriebliche Altersversorgung und in vielen Unternehmen anzutreffen. Mit den immer stärker werdenden Problemen der Versicherungswirtschaft und der möglicherweise damit verbundenen Haftungsproblematik für die Unternehmen tritt immer mehr die Frage auf, ob es Sinn macht, eine Direktversicherung "still zu legen", also beitragsfrei zu stellen. Gerade die immer stärker an Bedeutung gewinnenden internen Durchführungswege wie die Direktzusage oder Pensionszusage, auch unmittelbare Versorgungszusage genannt, oder die pauschaldotierte Unterstützungskasse, lassen die Direktversicherung für viele Arbeitnehmer uninteressant erscheinen (siehe auch mein Rechtstipp https://www.anwalt.de/rechtstipps/nachteile-und-risiken-der-entgeltumwandlung-fuer-mitarbeiter_181513.html). Ist es deshalb sinnvoll, Direktversicherungen beitragsfrei zu stellen und stattdessen die Beiträge in einen internen Durchführungsweg zu investieren?

Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, da dies unter anderem von folgenden Umständen abhängt: 

1. Vertrauen in die Kapitalanlage
Klassische Versicherungsprodukte investieren überwiegend in festverzinsliche Produkte und Staatspapiere. Etliche Fachleute sehen in dieser Strategie durchaus ein Risiko. Die immer weiter sinkenden Zinsen erhöhen diese Problematik. Steigende Zinsen dagegen würden Kursrückgänge der Papiere bedeuten, in die die Versicherungsgesellschaft noch bei niedrigerer Verzinsung investiert hat, was ebenfalls ein negativer Gesichts-punkt wäre. In dieser Situation ist es somit kaum zu erwarten, dass die Versicherungsgesellschaften Über-schüsse erwirtschaften werden. Immer mehr Versicherer geben an, sogar die Garantieverzinsung nicht mehr erwirtschaften zu können.

Hier wächst beim Arbeitnehmer dann häufig der Wunsch nach sachwertorientierten Anlagen, abseits der klassi-schen Anlagepolitik, um eine bessere Rendite für seine betriebliche Altersversorgung erzielen zu können. 

2.  Einschluss biometrischer Risiken
Häufig sind bei Direktversicherungen biometrische Risiken wie Tod oder Berufsunfähigkeit eingeschlossen. Diese sind mit dem Ansparvorgang gekoppelt und meist weder kalkulatorisch noch sachlich trennbar (siehe hierzu auch meine beiden Rechtstipps https://www.anwalt.de/rechtstipps/zielpraemisse-5-absicherung-des-biometrischen-risikos-todhinterbliebenenversorgung-in-der-bav_181202.html und https://www.anwalt.de/rechtstipps/zielpraemisse-6-absicherung-des-biometrischen-risikos-berufsunfaehigkeit-in-der-bav_181237.html).

Eine Beitragsfreistellung reduziert allerdings meist auch den Versicherungsschutz hinsichtlich Tod und Berufsunfähigkeit auf Null, da bei beitragsfreien Verträgen diese Leistungen regelmäßig entfallen.
Dies ist für diejenigen bedeutsam, die zum Beispiel wegen zwischenzeitlich aufgetretener gesundheitlicher Probleme das Risiko Berufsunfähigkeit nicht mehr neu versichern lassen können.

3.  Hohe Garantieverzinsungen
Teilweise gibt es immer noch Verträge mit 3,50 % oder 4,00 % Garantieverzinsung. Auch wenn sich die Garantie-verzinsung sich in der Regel nur auf den Rest der Beitrags nach Abzug oft erheblicher Kosten bezieht, ist hier eine Berechnung notwendig, um zu ermitteln, wie hoch die Verzinsung effektiv ist, um einen Vergleich mit anderen Angeboten vornehmen zu können. Ohne vorherige Berechnung ist eine Entscheidung hinsichtlich einer Beitragsfreistellung somit weder sinnvoll nicht ratsam.


4. Aktuelle Thematik der Reduktion von Garantien und Reduzierung von Rentenfaktoren

Die Thematik Absenkung von Beitragsgarantien und Reduzierung von Rentenfaktoren mit der Folge sinkender Gatantierenten führt unweigerlich zur Frage der Arbeitgeberhaftung in der betrieblichen Altersversorgung. Durch Berichte über Pensionskassen und der Haftung der Arbeitgeber für Lücken nach Reduktion der Renten lassen viele Unternehmer nachdenken. (siehe auch mein Rechtstipp zur https://www.anwalt.de/rechtstipps/zielpraemisse-7-arbeitgeberhaftung-in-der-bav-nach-1-abs-1-satz-3-betravg_181273.html

 4.  Alternativangebot im Unternehmen
Die Frage der Beitragsfreistellung hängt natürlich auch davon ab, ob im Unternehmen Alternativen zur Direktversicherung angeboten werden. Bestehen Direktversicherung und interne Durchführungswege nebeneinander im Unternehmen, hat die Direktversicherung (die Notwendigkeit von Biometrieabsicherung ausgenommen) meist das Nachsehen. Bei internen Durchführungswegen werden die Kosten in der Regel vom Arbeitgeber übernommen, die Entgeltumwandlung verzinst sich vom ersten Euro an, Zuschüsse werden dem Arbeitnehmer aufgrund der steuerlichen Bedingungen für den Unternehmer meist großzügiger gewährt, die garantierte Verzinsung ist meist höher etc. (vergleiche auch meine Rechtstipps, pauschaldotierte Unterstützungskase derzeit verstärkt nachgefragt, und Funktion, Vorteile Nachteile der pauschaldotierten Unterstützungskasse

5. Zusammenfassung:
Die Entscheidung, ob eine Direktversicherung beitragsfrei gestellt werden soll, hängt somit von vielen Faktoren ab und es sind sämtliche Folgen, die diese Entscheidung mit sich bringt, zu bedenken.
Juristischer Rat ist hierfür genauso notwendig wie eine rein quantitative Berechnung, um die Folgen erkennen, beurteilen und sodann eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.

 Ist die Entscheidung gefallen, für die betriebliche Altersversorgung zukünftig einen anderen Durchführungsweg zu wählen, dann ist die arbeitsrechtliche Umsetzung zumeist unproblematisch durchzuführen, indem in der Regel die bestehende Zusage unter Wechsel des Durchführungsweges fortgeführt wird. Soll auf den Einschluss des Biometrierisikos zukünftig  verzichtet werden, macht sich dies in der Regel zu Gunsten der Versorgung positiv bemerkbar.

Allerdings ist der Arbeitnehmer auf ein Mitwirken des Arbeitgebers angewiesen, da er allein nicht über eine Änderung des Durchführungsweges entscheiden kann.

Die derzeitige Zinssituation (02.2021) bei Versicherungen habe ich im folgenden Rechtstipp zusammengestellt: https://www.anwalt.de/rechtstipps/kopfkissen-schlaegt-lebensversicherung-die-zinsen-der-lebensversicherer-sinken-weiter_185328.html

Attraktiv für die Arbeitnehmer sind regelmäßig interne Durchführungswege wie die pauschaldotierte Unterstützungskasse. Vor- und Nachteile der  pauschaldotierte Unterstützungskasse habe ich im folgenden Rechtstipp zusammengestellt : https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-pauschaldotierte-unterstuetzungskasse-aus-arbeitnehmersicht_181298.html


Ein wichtiger Hinweis zum Schluss:
Weder die Kündigung noch die Beitragsfreistellung eines Versicherungsvertrags ändert etwas an der vom Arbeit-geber erteilten arbeitsrechtlichen Zusage. Diese ist verbindlich, unabhängig davon, welcher Durchführungsweg gewählt wurde. Sowohl die Erteilung der Zusage selbst als auch etwaige Änderungen gehören Hand in Hand rechtssicher umgesetzt.

Gerne können Sie uns kontaktieren, wenn Sie weitere Fragen zu der Thematik haben, zum Beispiel an einem Wechsel des Durchführungswegs interessiert sind.

 

 

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Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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