Dürfen Steuerpflichtige ihre Akte beim Finanzamt einsehen?

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Die Frage lässt sich eigentlich nur mit "ja" beantworten, mag man als Bürger denken, schließlich sind in der Akte ja nur Informationen zu finden, die Steuerpflichtige oder deren Dienstleister eingereicht haben.

Doch weit gefehlt!

Die Frage des Akteneinsichtsrechts wird seit Jahren zwischen Finanzverwaltung, steuerlichen Beratern, Bürgern und Gerichten mit unterschiedlichen Ergebnissen ausgefochten.

Aus Sicht von Steuerbürger und Berater erfreulich, hat das Finanzgericht Hannover (Urt. v. 18.03.2022 - / K 11127/18; Revision zugelassen) kürzlich zugunsten Einsichtsbegehrender entschieden.


I. Sachverhalt

Die Kläger hatten einen Steuerberater mit der Erstellung ihrer Einkommensteuererklärung beauftragt und ihm eine Bekanntgabevollmacht erteilt.

Erst nach Bestandskraft des Steuerbescheides erhielten die Kläger von diesem Kenntnis. Aus dem Bescheid ließ sich ersehen, dass das Finanzamt Rückfragen an den Steuerberater gerichtet hatte, von denen die Kläger nichts gewusst haben.

Der Steuerberater hatte die Fragen des Finanzamtes nicht beantwortet. Das Mandatsverhältnis wurde durch die Kläger beendet und von ihnen zur Aufklärung des Sachverhaltes Akteneinsicht beim zuständigen Finanzamt beantragt.

Das Finanzamt lehnte den Antrag der steuerpflichtigen Kläger ab, ein notwendiges berechtigtes Interesse bestehe nicht.

II. Entscheidung

Das Finanzgericht wertete den Sachverhalt rechtlich anders.

Die Abgabenordnung (AO) enthalte zwar kein normiertes Akteneinsichtsrecht von Steuerpflichtigen im Verwaltungsverfahren, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stünde diesen jedoch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch das jeweilige Finanzamt zu.

Das Gericht zieht in seiner Begründung das Grundgesetz (Art. 20 III i.V.m. 19 IV GG) in Verbindung mit dem Recht auf Gehör (Art. 41 II a Charte der Grundrechte der EU) heran aus denen grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht folge, welches jedes Finanzamt mit dem Schutz Dritter und ihrem eigenen Verwaltungsaufwand abzuwägen habe.

Zusätzlich hat das Gericht ein datenschutzrechtliches Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO bejaht. Dieses Auskunftsrecht könne durch Akteneinsicht oder auf anderem Wege zu erfüllen sein. Auch insoweit muss ein Finanzamt ermessensfehlerfrei entscheiden.

Im Ergebnis entschied das Gericht zugunsten der Kläger, die begehrte Akteneinsicht war zu gewähren.

Ob diese bürgerfreundliche Entscheidung vor dem Bundesfinanzhof bestehen wird, bleibt abzuwarten.

III. Handlungsempfehlung

Besteht Bedarf nach einer Akteneinsicht, kann und sollte die hier vorgestellte Entscheidung herangezogen werden.


Foto(s): Bild von Ro Ma auf Pixabay

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