Durchsetzung von Forderungen in Polen

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Das polnische Rechtssystem kennt drei Arten von gerichtlich durchsetzbaren Forderungen:

  • Forderungen auf eine Leistung (z. B. Zahlung offener Rechnungen, Schadensersatz etc.),
  • Forderung  auf Anerkennung eines bestehenden rechtlichen Zustandes (z. B. Eigentumsrecht),
  • Forderung auf Herstellung eines neuen Rechtsverhältnisses.

Alle genannten Forderungen unterliegen der Verjährung nach festgelegten Zeiten. Grundsätzlich sind das sechs Jahre. Ausgenommen hiervon sind periodische Leistungen wie Miete, Pacht etc. sowie Forderungen im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit, die bereits nach drei Jahren verjähren.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass Vorschriften  für spezielle Forderungen in der Regel einen kürzeren Verjährungszeitraum vorsehen (z. B. ein Jahr im Falle von Forderungen aus Vorverträgen).
 Der Ablauf der Verjährung beginnt mit dem Termin der Fälligkeit der Forderung, z. B. mit dem Tag, der auf den Tag des Eintritts der Rechtskraft eines Urteils folgt, oder mit dem Tag, der dem Zahlungstermin einer Rechnung folgt.

Forderungen, die durch eine gerichtliche Entscheidung bestätigt wurden, verjähren immer nach Ablauf von sechs Jahren, unabhängig davon, ob es sich um eine wirtschaftliche Angelegenheit handelt oder nicht, und ob für diese Art von Angelegenheiten in den Vorschriften eine kürzere Verjährungsfrist vorgesehen ist. Ausnahmen sind auch hier wiederkehrende bzw. regelmäßige Leistungen in der Zukunft, die immer nach drei Jahren verjähren, selbst wenn sie gerichtlich bestätigt sind.

Forderungen auf Beseitigung bzw. Ausgleich  von Schäden, die durch unrechtmäßige Handlungen und Verstöße gegen Gesetze und Vorschriften verursacht wurden, unterliegen einer Verjährungsfrist von drei Jahren, gerechnet ab dem Tag, an dem der Geschädigte Kenntnis von dem Schaden und der Person erlangt, die für die Beseitigung des Schadens die Verantwortung trägt, jedoch spätestens zehn Jahre nach dem Tag, an dem das Schadensereignis stattgefunden hat.

Sollte der Schaden jedoch durch ein Verbrechen oder ein Vergehen mit strafrechtlicher Relevanz  eingetreten sein, so verjährt der Anspruch auf Beseitigung des Schadens erst nach 20 Jahren ab dem Tag, an dem die Straftat begangen wurde, unabhängig davon, wann der Geschädigte von dem Schaden und der Person Kenntnis erlangt hat, die für die die Beseitigung des Schadens die Verantwortung trägt. Bei Ereignissen mit Personenschaden kann die Verjährung nicht eher  eintreten als drei Jahren ab dem Tag, an dem der Geschädigte Kenntnis von dem Schaden und über die Person erlangt hat, die für den Ausgleich des Schadens die Verantwortung trägt.

Die Gerichte berücksichtigen die Verjährung von Forderungen auf Einrede der Gegenseite, aber nur dann, wenn es sich um einen gewerblichen Vorgang handelt. Ansonsten wird die Verjährung von Amts wegen berücksichtigt.

Vereinbarung von Verjährungsfristen in Verträgen 

Grundsätzlich können Vertragspartner in ihren Verträgen keine abweichende Verjährungsfristen vereinbaren. Es besteht jedoch immer die Möglichkeit, im gegenseitigem Einvernehmen den Termin für die Erfüllung gegenseitiger Verpflichtungen zu verlängern, infolge dessen sich auch die Verjährungstermine verändern, da sich damit der Beginn der Laufzeit der Verjährungsfrist ebenfalls zeitlich verschiebt. Darüber hinaus gilt nach dem polnischen Zivilrecht, dass mit Anerkennung der Forderung die Laufzeit der Verjährungsfrist von vorn beginnt.

Auch besteht die Möglichkeit des Verzichts auf das Recht der Einrede gegen die Verjährung, sobald das Ende der Verjährungsfrist erreicht wurde.

Unterbrechung des Verjährungsablaufs

Durch jede Handlung vor Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde, mit der Absicht und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ziel der Ermittlung, Feststellung, Befriedigung oder Absicherung  einer Forderung, wird der Ablauf der Verjährung unterbrochen.     

Das gilt auch für die Zeit der Führung von Mediationen unter Aufsicht des Gerichts entsprechend der Vorschriften des Zivilrechts oder während vom Gericht angeordneter  Vergleichsverhandlungen.  Der unterbrochene Lauf der Verjährung beginnt nach Abschluss des Verfahrens neu zu laufen.   

Schadenersatz 

Im polnischen Recht hat der Schadenersatz kompensatorischen Charakter. Es geht dabei also darum, den verursachten Schaden auszugleichen.

Die Bestimmung des Schadenersatzes für Schäden, die durch unterlassene oder unzureichende Erfüllung von Verpflichtungen (z. B. vertraglich vereinbarte Verpflichtungen) sowie durch unzulässige Handlungen verursacht wurden, beruht auf dem Prinzip des  vollständigen Ausgleichs des Schadens.

Der Träger der Verantwortung für die Behebung des Schadens haftet nur für die normalen Folgen seiner Handlung oder Unterlassung, in deren Folge der Schaden entstanden ist, nicht aber z. B. für die Wirkung höherer Gewalt.

Die Behebung des Schadens umfasst den Verlust des Geschädigten sowie verloren gegangene Vorteile. Unter dem Begriff der realen eingetretenen Verluste (damnum emergens) ist der Verlust zu verstehen, der dem Vermögen des Geschädigten zugefügt wurde und der nachgewiesen werden kann, z. B. der Verlust eines Fahrzeugs mit einem bestimmten Wert durch Diebstahl.

Der Begriff des verlorenen Vorteils (lucrum cessans) umfasst alle Vorteile, die der Geschädigte gehabt oder erreicht hätte, wenn ihm der Schaden nicht zugefügt worden wäre, z. B. wenn er das gestohlene Fahrzeug gewerblich als Taxi genutzt hätte. Allerdings muss der Geschädigte in diesem Fall seine Schadenersatzforderung  so mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit begründen, dass kein Zweifel an der tatsächlichen Höhe des Vorteilsverlustes übrig bleibt.  

In komplizierteren Fällen ist daher die Berufung eines Gutachters/Sachverständigen zur Schadensermittlung zu beantragen. Damit kann vermieden werden, dass das Gericht das vorgelegte Beweismaterial als nicht ausreichend zurückweist, weil es die Höhe des erlittenen Schadens nicht exakt begründet.

Der Schadenersatz berücksichtigt auch Zinsen. Das polnische Schuldrecht sieht die Berechnung von Zinsen vor, von Amtswegen oder vertraglich vereinbart. In der Regel sind Zinsen zu zahlen ab dem Tag, der dem  Zahlungstermin folgt. Bei Schadenersatzansprüchen aufgrund eines Vergehens (einer verbotenen Handlung) werden die Zinsen ab dem Tag der gerichtlichen Entscheidung berechnet.  

Bei Verträgen können die Vertragspartner vereinbaren, dass im Falle der mangelhaften oder unterlassenen Einhaltung von vertraglichen Verpflichtungen durch eine der beiden Seiten, die andere Seite Anspruch auf eine Vertragsstrafe in vorher vereinbarter Höhe hat, unabhängig von der Höhe des tatsächlich erlittenen Schadens.

In diesem Fall hat der Schadenersatz den Charakter einer Strafsanktion, d. h. der verantwortliche Partner wird für die unterlassene oder unzureichende Erfüllung seiner Verpflichtung bestraft. Der Geschädigte kann nur dann Schadenersatz in Höhe der Quote fordern, um die der Schaden die Vertragsstrafe übersteigt, wenn das Recht darauf im Vertrag ausdrücklich vereinbart wurde.

Zu beachten ist weiterhin, dass in einigen Fällen das polnische Recht den Schadenersatz begrenzt auf ein sogenanntes Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahend), d. h. auf die Höhe des Schadens, den die eine Seite dadurch erleidet , wenn sie mit dem Abschluss des Vertrages gerechnet hat, der aber danach durch Verschulden der anderen Seite nicht zustande gekommen ist. Eine solche Begrenzung wird z. B. angewendet im Zusammenhang mit dem Abschluss von  Vorverträgen, um Schadenersatzforderungen zu begrenzen, falls es nicht zum eigentlichen Vertragsabschluss kommt.

Gerichtsverfahren 

Die Gerichte können für die Verhandlung von Schadenersatzforderungen unterschiedliche Verfahren wählen. Man unterscheidet normale Verfahren, Erlass eines gerichtlichen Zahlungsbefehls, Mahnverfahren,  vereinfachte Verfahren und neuerdings auch E-Mahnverfahren.

Vereinfachtes Gerichtsverfahren 

Bei vereinfachte Verfahren werden Fälle behandelt, bei denen es um Leistungen geht, deren Streitwert 20.000 PLN nicht überschreitet. Das Verfahren ist wesentlich vereinfacht und beinhaltet eine Reihe von Einschränkungen, z. B. hinsichtlich des Gegenstands des Verfahrens. So kann pro Antrag nur eine Forderung erhoben werden, es sei denn, mehrere Forderungen resultieren aus dem selben Vertrag oder aus gleichartigen Verträgen. Auch ist es nicht zulässig, die Klage zu ändern. Die Möglichkeit zur Einbringung von Erklärungen zu den faktischen Umständen, für Einreden sowie die Stellung von Beweisanträgen ist zeitlich stark begrenzt. Die Prozessschriftsätze werden per Formular eingereicht.

Gerichtlicher Zahlungsbefehl

Ein gerichtlicher Zahlungsbefehl in Polen entspricht einem deutschen Urteil in einem sogenannten Urkundsprozess und kann im Rahmen eines Mahnverfahrens nur auf der Grundlage eines in der Klage enthaltenen Antrags erteilt werden, und auch dann nur, wenn die die erhobene Forderung begründenden Umstände bewiesen werden mit den der Klage beigefügten Dokumenten, wie sie in den entsprechenden Vorschriften aufgeführt sind.

In Fällen, in denen der Kläger nach Vorlage von entsprechenden Dokumenten die Forderung ausreichend nachgewiesen hat, erteilt das  Gericht einen Zahlungsbefehl. Dieses Verfahren ähnelt dem deutschen Urkundsverfahren. Im Falle einer ordnungsgemäß eingereichten Einrede wird der Zahlungsbefehl unwirksam und das Verfahren wird als normales Verfahren fortgesetzt. Die Einrede gilt als ordnungsgemäß, wenn sie keine formellen Fehler enthält, die zu ihrer Ablehnung führen könnten.

Wenn jedoch die Einrede nicht eingereicht oder wenn sie abgelehnt wird, hat der Zahlungsbefehl dieselbe Wirkung wie ein rechtskräftiges Urteil.

Elektronisches Mahnverfahren 

Im elektronischen Mahnverfahren wird die Angelegenheit generell in der gleichen Weise betrachtet wie im traditionellen Mahnverfahren. Der Unterschied besteht darin, dass die Möglichkeit besteht, mit dem Gericht und mit der Gegenseite elektronisch zu kommunizieren, d. h. z. B., dass prozessuale Schriftsätze beim Gericht in elektronischer Form eingereicht werden können.
 Auch in diesem Fall erteilt das Gericht einen Zahlungsbefehl, und wenn es anderer Meinung ist, kann es die Angelegenheit auch in ein traditionelles Verfahren umwandeln. Genauso verhält es sich mit der erfolgreichen Einreichung eines Widerspruchs gegen den Zahlungsbefehl.

Unser Angebot: 

Meine Kanzlei hat über viele Jahre deutsche Unternehmen bei der Gründung und Führung von Gesellschaften in Polen beraten und betreut. Gerne stehen wir auch Ihnen zur Verfügung.

Kontakt: 

Rechtsanwaltskanzlei
Dr. Jacek Franek
M.L.Eur.Adwokat (PL) Rechtsanwalt (D)
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02-972 Warszawa/Polen

Tel.: +48 22 622 95 96
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