Eingeschränktes Weisungsrecht des Arbeitgebers bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

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Jeder Arbeitgeber hat gem. § 106 GewO das Recht, gegenüber seinen Arbeitnehmern Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, einen anwendbaren Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Da demzufolge das Weisungsrecht die Konkretisierung der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers betrifft, wird dem Arbeitgeber hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, Arbeitnehmer zur Teilnahme an solchen Gesprächen zu verpflichten, die diese Weisungen beinhalten.

Problematisch ist dabei insbesondere die Einladung zu solchen Gesprächen, wenn diese während einer bestehenden nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers stattfinden sollen.

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, an angesetzten Personalgesprächen teilzunehmen. Dies gilt nach der Entscheidung des BAG vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/15 – auch und erst recht dann, wenn es um die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit geht. Demzufolge steht jedem Arbeitnehmer insoweit das Recht zu, einer solchen Einladung eine Absage zu erteilen.

Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass die leistungssichernden Neben- oder Verhaltenspflichten (§ 241 I BGB) und auch die bestehenden Rücksichtnahme- und Unterlassungspflichten (§ 241 II BGB) von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich unberührt bleiben. Das hat seine Ursache darin, dass die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit sich nur auf die arbeitsvertraglich geschuldete Hauptleistung und die unmittelbar mit der Arbeitsleistung zusammenhängenden Nebenleistungspflichten bezieht. Denn nach der Rechtsprechung des BAG (NZA 2008, 595) liegt Arbeitsunfähigkeit nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde.

Wegen dieser latenten Gefahr, den Genesungsprozess zu beeinträchtigen und dadurch den krankheitsbedingten Ausfall des Arbeitnehmers zu verlängern, gebietet es die dem Arbeitgeber gem. § 241 II BGB obliegende Rücksichtnahmepflicht, die Erteilung von Weisungen auf dringende betriebliche Anlässe zu beschränken und sich bezüglich der Art und Weise, der Häufigkeit und der Dauer der Inanspruchnahme am wohlverstandenen Interesse des Arbeitnehmers zu orientieren. Andernfalls hat er jegliche Weisung während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu unterlassen.

Dringend ist ein betrieblicher Anlass nur dann, wenn er nicht auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit aufgeschoben werden kann und dem Arbeitnehmer die Teilnahme am Gespräch zumutbar ist.

Die Beispiele hierfür sind zu individuell und vielschichtig, als dass sie alle aufgezählt werden könnten. Denkbar ist aber z. B., dass der Arbeitnehmer über Informationen oder Kenntnisse von bestimmten Betriebsabläufen verfügt, ohne deren Weitergabe dem Arbeitgeber die Fortführung der Geschäfte erheblich erschwert oder gar unmöglich würde, oder aber der arbeitsunfähige Arbeitnehmer zukünftig anderweitig eingesetzt werden soll, was wiederum gravierende Auswirkungen auch auf andere Arbeitnehmer hat.

Für das Vorliegen des dringenden betrieblichen Anlasses ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet. Da dem Arbeitnehmer das Recht zur Ablehnung eines solchen Gesprächs zusteht, ist jeder Arbeitgeber bestens beraten, wenn er den Anlass des Gesprächs und die Dringlichkeit schon in dem Einladungsschreiben mit aufführt.

Sollte der Arbeitgeber wegen der Zurückweisung einer Einladung zu einem entsprechenden Personalgespräch eine Abmahnung erteilen, so sollte hiergegen auf jeden Fall vorgegangen werden, wenn die dargelegten Voraussetzungen zur Erscheinungspflicht des Arbeitnehmers nicht vorlagen. In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer ein Recht auf vollständige Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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