Einspruch möglich? Welche Rechtsmittel kann ein Heim bei einem negativen Prüfergebnis einlegen?

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Welches ist die richtige Pflegeeinrichtung für mich oder meinen Angehörigen? Diese Frage treibt die Betroffenen bis zum heutigen Tage um. Wer selbst einmal in der Situation war, für seinen Angehörigen eine möglichst optimale stationäre Pflegeeinrichtung auswählen zu müssen, weiß, wie schwer es ist, die Informationen zu bekommen, die im individuellen Fall ausschlaggebend sind, um mehrere Pflegeeinrichtungen miteinander zu vergleichen und am Ende ein möglichst optimales Haus zu finden. Da versucht auch derjenige, der sich mit der Pflege auskennt, anhand von Indizien herauszufinden, ob das Haus der engeren Wahl auch die Lebensqualität bietet, die es verspricht. Denn so richtig transparent sind die Leistungen der Pflege für die wenigsten.

Seit 01.01.2009 liegt das neue Bewertungssystem den MDKPrüfberichten zugrunde

Vor diesem Hintergrund hat das zum 1. Juli 2008 in Kraft getretene Pflege-Weiterentwicklungsgesetz in § 115 SGB X die Regelung aufgenommen, „dass die Landesverbände der Pflegekassen sicherstellen, dass die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfrei veröffentlicht werden“. Über die konkrete Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe ist in den letzten Monaten mit einer derartigen Verve gestritten worden, dass mancher an ein praktikables Ergebnis schon nicht mehr glauben wollte.

Die wesentlichen „Kombattanten“ waren dabei der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Mitte November 2008 ist zwischen den Beteiligten nun ein Konsens über die Kriterien und das Bewertungssystem gefunden worden. Danach sollen ab Januar dieses Jahres die Qualitätsberichte über die erbrachten Leistungen von Pflegeeinrichtungen und deren Qualität veröffentlicht werden. Der Verbraucher soll so die Angebote der Einrichtungen vergleichen und selbstbestimmt seine Entscheidungen treffen können.

Während GKV und MDS ursprünglich die Qualitätsprüfungsrichtlinie (QPR) mehr oder weniger unverändert als Veröffentlichungskriterium übernehmen wollten, wird jetzt der MDK die gemeinsam vereinbarten Kriterien prüfen und der Veröffentlichung zugrunde legen. Anstelle fast ausschließlich medizinisch-pflegerischer Fragestellungen konnten doch zahlreiche Kriterien zur Lebensqualität aufgenommen werden. Dies ist für viele Bewohner und ihre Angehörigen wichtiger als die Frage, welches Pflegemodell angewendet wird. Auch die Fragen an die Bewohner erhielten mehr Gewicht, als die Leistungsträger dies ursprünglich vorgesehen hatten.

 

Das Bewertungssystem

Ab 2009 wird nun die Qualität der Heime auf der Basis von 82 Fragen oder genauer Kriterien geprüft, die sich in folgende fünf Qualitätsbereiche untergliedern:

  1. Pflege und medizinische Versorgung
  2. Umgang mit demenzkranken Bewohnern und anderen geronto-psychiatrisch veränderten Bewohnern
  3. Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung
  4. Wohnen und Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene
  5. Fragen an die Bewohner

Künftig wird auf der Grundlage einer repräsentativen Stichprobe geprüft. Damit bezieht sich die Prüftätigkeit nicht ausschließlich auf besondere Risiken, sondern es wird ein Querschnitt aller Bewohner dargestellt. Dabei haben Fragen zur Lebensqualität einen durchaus hohen Anteil. Jede einzelne der 82 Fragen erhält eine Einzelbewertung anhand einer Skala von 0 bis 10, wobei 0 die schlechteste und 10 die beste Bewertung ist. Die Skalenwerte werden dann nach einer vorgegebenen Tabelle in Noten mit einer Stelle nach dem Komma umgerechnet. Zum Schluss wird eine Gesamtnote ermittelt, in der die Bewohnermeinung dann aber keine Rolle spielt. Die Bewohnermeinung wird vielmehr mit einer eigenen Note ausgewiesen. Die Ergebnisse werden mit dem Schulnotensystem von sehr gut bis mangelhaft bewertet und farblich unterlegt. Eine Ampelbewertung wird es jedoch nicht geben.

 

Die Rechtsqualität ...

Mit dieser Prüf- und Veröffentlichungssystematik hat der Streit, wie die geforderte Transparenz der Pflegeeinrichtungen erreicht werden soll, erst einmal seinen Abschluss gefunden. Nicht geklärt ist damit allerdings die sehr praktische Frage, welche Rechtsqualität die Veröffentlichung des Prüfberichtes hat. Mit anderen Worten, was kann man als Einrichtungsträger tun, wenn das zu veröffentlichende Prüfergebnis negativ ausfällt, der Leistungserbringer aber berechtigte Zweifel an dem konkreten Prüfverfahren hat. Die eigene Einrichtung bekommt beispielsweise eine Gesamtnote die gegen „Ausreichend“ geht und die unmittelbaren Wettbewerber liegen z. B. bei 2,3. Dass sich das sehr schnell auf die Neubelegungsquote der eigenen Einrichtung auswirkt, muss wohl nicht besonders erläutert werden.

 

... – verschiedene Auffassungen bei Einrichtungs- und Kostenträgern

Während die Einrichtungsträgerseite deshalb die Auffassung vertritt, dass das veröffentlichte Prüfergebnis von seiner Rechtsqualität her als ein eigener Verwaltungsakt oder aber zumindest als Realakt einzustufen ist, mit der im Sozialrecht vorgesehenen Möglichkeit der Anhörung, des Widerspruchs und der Klage vor dem Sozialgericht, sieht die Kostenträgerseite in der Veröffentlichung lediglich einen Realakt mit erheblichen Einschränkungen in Bezug auf die Möglichkeit hiergegen Rechtsmittel einzulegen. Bei der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung, die diese Veröffentlichungen in einer Zeit der zunehmenden Überversorgung mit stationären Pflegeeinrichtungen haben werden, ist es aber für den Leistungserbringer nicht nur wichtig ein zutreffendes Rating zu erhalten. Vielmehr muss er auch wissen, wie er sich wehren kann, wenn es denn auf der Prüferseite einmal zu Fehlern kommen sollte. Denn es reicht ja gerade nicht aus, ein Jahr später im Rahmen einer Wiederholungsprüfung die Rehabilitation zu erhalten.

Dann haben die Bewohner und ihre Angehörigen wahrscheinlich schon mit den Füßen abgestimmt. Sprich die Belegungsquote, als wichtigste wirtschaftliche Kenngröße, wird dann auf Alarm stehen. Nach jetzigem Informationsstand muss man wohl davon ausgehen, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt, gegen den man Widerspruch und Klage vor dem zuständigen Sozialgericht einlegen kann, oder aber eventuell auch einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen kann.


Wichtig ist dabei vor allem, dass der Widerspruch verhindern muss, dass das fehlerhafte Prüfergebnis seitens der Behörde im Internet veröffentlicht wird und der Betreiber es in seinem Haus sichtbar aushängen muss. Welche rechtliche Überprüfung möglich ist, ist derzeit noch offen. Nicht nur wegen der auch heute schon nicht unumstrittenen Prüfpraxis des MDK wird der erste Konflikt, und damit die rechtliche Klärung, nicht lange auf sich warten lassen. Ob daraus ein neues erhebliches rechtliches Konfliktpotenzial entsteht, wird man abwarten müssen. Im Sinne der Bewohner und ihrer Angehörigen wäre zu wünschen, dass hier nicht eine neue Spielwiese für Anwälte entsteht, sondern dass die 82 Fragen zur Qualität ihrer Arbeit den Leistungserbringern dabei helfen, zukünftig die eigenen Ergebnisse noch stärker im Fokus zu haben. Wichtig für alle Leistungserbringer ist schließlich noch, dass die alten, jetzt schon vorhandenen Prüfberichte des MDK, die nicht den neuen Anforderungen entsprechen, auch nicht in das neue System einfließen werden. Allen Einrichtungen ist bekannt, welche Kriterien die Grundlage für die Bewertung und Veröffentlichung sind. Damit hat es jeder in der Hand, die geforderte und gewünschte Transparenz in seinem Sinne zu nutzen.

Prof. Dr. Jürgen Samland
Fachanwalt für Sozialrecht
Kanzlei für Sozial- und Gesundheitsrecht
Behlertstr. 33a, 14467 Potsdam
Tel.: 03 31/74 74 30, e-Mail: potsdam@gkmp.de

 


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