Einstweilige Verfügung ohne Vorwarnung zulässig?

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Eine einstweilige Verfügung ist eine gerichtliche Eilentscheidung, die ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergehen kann. Was Sie beachten sollten, wenn Sie - quasi aus heiterem Himmel ohne Vorwarnung - eine einstweilige Verfügung erhalten haben, erläutere ich im nachfolgenden Beitrag:

1. Was ist eine einstweilige Verfügung überhaupt?

Eine einstweilige Verfügung ist eine gerichtliche Entscheidung, mit der z.B. ein bestimmtes Verhalten unter Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft untersagt/verboten wird. Am Anfang der Entscheidung findet sich häufig die folgende Formulierung:

Beschluss

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

oder

Beschluss

In dem Eilverfahren

Danach folgen Angaben zu den Beteiligten. Wer die einstweilige Verfügung erwirkt hat, wird in der Entscheidung als Antragsteller oder Antragstellerin bezeichnet, mitunter auch als Verfügungskläger oder Verfügungsklägerin. Die Gegenseite wird als Antragsgegner oder Antragsgegnerin bezeichnet, mitunter auch als Verfügungsbeklagter oder Verfügungsbeklagte.

Anschließend folgt die Entscheidung mit Androhung der Ordnungsmittel, die z.B. wie folgt lautet:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung

unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro

- ersatzweise Ordnungshaft –

oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,

für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,

In der Regel geht es bei der gerichtlichen Untersagung um ein Verhalten, das im Normalfall zuvor bereits mit einer Abmahnung gerügt worden war. Häufig geht es um die Untersagung der folgenden Rechtsverstöße:

  • unzulässige Werbung (Verstoß gegen das UWG)
  • Verletzung von Markenrechten
  • Verletzung von Patentrechten

Umfangreiche Informationen dazu, wie Sie auf eine einstweilige Verfügung reagieren können, finden Sie in dem folgenden Beitrag:

Einstweilige Verfügung erhalten - was tun?

2. Ist eine einstweilige Verfügung ohne vorherige Abmahnung zulässig?

Kurze Antwort: Ja, aber …

Ja, es ist grundsätzlich zulässig, ohne eine vorherige Abmahnung den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Die Sache hat allerdings einen Haken: Der Gesetzgeber möchte eigentlich, dass die Gerichte erst angerufen werden, wenn ein vorheriger Versuch einer Einigung gescheitert ist. Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) lautet die entsprechende gesetzliche Regelung z.B. folgendermaßen:

„Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.“

Wird zu einer berechtigten Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgegeben und anschließend eine einstweilige Verfügung erwirkt, muss der Abgemahnte nicht nur die Abmahnkosten tragen, sondern auch die weiteren Kosten für die Beantragung der einstweiligen Verfügung.

Wird ohne vorherige Abmahnung unmittelbar eine berechtigte einstweilige Verfügung erwirkt, kann der Antragsgegner ein sogenanntes sofortiges Anerkenntnis erklären und hierdurch erreichen, dass der Antragsteller die Kosten für die Beantragung der einstweiligen Verfügung tragen muss, auch wenn dieser in der Sache selbst eigentlich im Recht ist.

Aber wie so häufig gilt: Keine Regel ohne Ausnahme. In manchen Fällen ist der Ausspruch einer Abmahnung aus einem recht einfachen Grund problematisch: Wenn es z.B. um markenrechtsverletzende oder patentrechtsverletzende Waren geht, dann besteht ersichtlich die Gefahr, dass der Abgemahnte die problematische Ware nach dem Erhalt der Abmahnung beiseite schafft. Daher ist es in bestimmten Fällen ausnahmsweise zulässig, eine einstweilige Verfügung ohne vorherige Abmahnung zu erwirken. In diesen Fällen enthält die einstweilige Verfügung dann üblicherweise nicht nur eine gerichtliche Untersagungsanordnung, sondern auch eine Anordnung, die von der Untersagungsanordnung betroffenen Waren herauszugeben. Eine solche Anordnung lautet z.B. wie folgt:

Dem Antragsgegner wird aufgegeben,

die in seinem Besitz oder Eigentum befindlichen Waren gemäß Ziffer 1

an einen von dem Antragsteller zu beauftragenden Gerichtsvollzieher

zum Zwecke der Verwahrung 

im Hinblick auf eine spätere Vernichtung herauszugeben,

wobei der Antragsteller den Gerichtsvollzieher gegebenenfalls

mit der Wegnahme dieser Waren zu diesem Zwecke beauftragen kann.

In einem solchen Fall erscheint der Gerichtsvollzieher bei dem Antragsgegner üblicherweise nicht nur, um die einstweilige Verfügung zuzustellen, sondern auch, um gleich die von der gerichtlichen Untersagungsanordnung betroffenen Waren mitzunehmen.

3. Die gerichtlichen Vorgaben müssen Sie sofort umsetzen!

Ob Sie die einstweilige Verfügung für berechtigt halten oder nicht: Sie müssen die gerichtlichen Anordnungen zunächst beachten:

Um eine Untersagungsanordnung einzuhalten, müssen Sie das konkret genannte Verhalten sofort (!) einstellen und zunächst auch weiterhin unterlassen. Je nach Fall genügt dies allein jedoch möglicherweise nicht. Gerade bei Rechtsverstößen im Internet müssen Sie überprüfen, ob auch in der Vergangenheit veröffentlichte Inhalte entfernt oder abgeändert werden müssen.

Praxistipp: Die Reichweite einer gerichtlichen Untersagungsanordnung hängt davon ab, was der Antragsteller beantragt hat. Deshalb sollten Sie genau prüfen, welchen Inhalt die Untersagungsanordnung in Ihrem Fall hat und welche Maßnahmen Sie somit veranlassen müssen, um die Untersagungsanordnung einzuhalten.

Um eine Herausgabeanordnung einzuhalten, müssen Sie die von der Untersagungsanordnung betroffenen Waren herausgeben. Welche Waren von der Herausgabeanordnung betroffen sind, richtet sich also nach der Reichweite der zugrundeliegenden Untersagungsanordnung. Deshalb ist die genaue Prüfung der Untersagungsanordnung im Falle der Kopplung mit einer Herausgabeanordnung also in zweifacher Hinsicht wichtig.

4. Wie Sie weiter vorgehen sollten

Mit einer einstweiligen Verfügung kann der Antragsteller lediglich eine vorläufige Sicherung seiner Ansprüche erreichen. Deshalb müssen Sie so schnell wie möglich klären, wie Sie auf die einstweilige Verfügung reagieren wollen. Anderenfalls drohen unnötige weitere Kosten.

Die „richtige“ Reaktion auf eine einstweilige Verfügung hängt von Ihrer konkreten Situation und Ihren Interessen ab. Deshalb gibt es auch nicht „die eine für alle Fälle passende“ oder „richtige“ Reaktion auf eine einstweilige Verfügung. Entscheidend ist zunächst, dass Sie sich über die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten mit den jeweiligen Konsequenzen informieren. Die für Sie „richtige“ Entscheidung hängt dann letztlich davon ab, welches Interesse Sie verfolgen wollen. Gern unterstütze ich Sie insoweit mit konkreten Einschätzungen und Handlungsempfehlungen.

Meine Empfehlungen:

  • Überprüfen Sie so schnell wie möglich den Sachverhalt!
  • Lassen Sie sich fachkundig anwaltlich beraten, um die Berechtigung der Ansprüche zu klären! Eine anwaltliche Ersteinschätzung erhalten Sie von mir zu einem überschaubaren Pauschalhonorar. Anschließend können Sie in Ruhe entscheiden, wie Sie weiter vorgehen wollen.

Sie wünschen eine Beratung zu einer einstweiligen Verfügung?

Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de ständig Betroffene, die eine Abmahnung oder eine einstweilige Verfügung erhalten haben. Daher verfüge ich über Erfahrung aus einer Vielzahl von Fällen.

Weitere Informationen zu mir und meiner Tätigkeit können Sie meiner Profilseite, meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.

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Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de



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