EU- Recht: Haftpflichtversicherung auch für stillgelegte Fahrzeuge

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In seinem Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass eine Kfz-HaftpflichtVersicherung auch dann bestehen muss, wenn sein Eigentümer eines Kfz nicht mehr nutzen will und auf einem Privatgrundstück abstellt. 

Ausgangsfall war, dass eine Frau Eigentümerin eines in Portugal zugelassenen Kraftfahrzeugs war , welches sie aber aus gesundheitlichen Problemen nicht mehr nutzte. Sie hatte es im Hof ihres Hauses abgestellt, hatte es aber offiziell nicht als stillgelegt gemeldet. Für das Auto bestand keine Kfz-Haftpflichtversicherung. 

Im November 2006 nutze ihr Sohn ohne ihr Wissen und ohne ihre Erlaubnis das Fahrzeug. Es kam zu einem tödlichen Unfall, bei welchem sowohl der Sohn als auch zwei weitere Insassen ums Leben kamen. 

Daraufhin leistete der „Fundo de Garantia Automòvel (Automobil-Garantiefonds, Portugal) den Rechtsnachfolgern der Insassen Ersatz für die durch den Unfall entstandenen Schäden. 

Im Anschluss darauf, wurde die Beklagte – im Einklang mit der im portugiesischen Recht vorgesehenen Möglichkeit – gerichtlich in Anspruch genommen, da sie der Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherunfg für ihr Kfz nicht nachgekommen sei. Der Fundo de Garantia Automòvel verlangte daraufhin die Erstattung des Betrags von 437.345 €, der an die Rechtsnachfolger der Insassen gezahlt wurde.

Die Beklagte machte hierauf geltend, dass sie für den Schadenfall nicht verantwortlich war, da sie ihr Fahrzeug im Hof abgestellt hatte und nicht weiter nutzen wollte. Des Weiteren sei sie der Ansicht gewesen, dass zum Abschluss eines Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrags nicht verpflichtet gewesen sei.

Daraufhin rief das Oberste portugiesische Gericht (Supremo Tribunal de Justiça) im Vorabentscheidungsverfahren den EuGH an. Zunächst wollte das portugiesische Gericht wissen, ob eine Kfz-Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden müsse, wenn das betreffende Fahrzeug nur deshalb, weil sein Eigentümer es nicht mehr nutzen will, auf einem Privatgrundstück abgestellt wurde. 

Ferner sollte die Frage geklärt werden, ob die Zweite Richtlinie 84/5/EWG über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehe, die vorsähen, dass die Entschädigungsstelle gegen die Person, die ihrer Pflicht zum Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung nicht nachgekommen ist, auch dann ein Rückgriffrecht hat, wenn diese Person zivilrechtlich nicht für den Unfall verantwortlich ist.

Der EuGH entschied, dass nach Auslegung der Ersten Richtlinie über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung 72/166/EWG eine Versicherung auch dann abgeschlossen werden müsse, wenn das betreffende Fahrzeug weiterhin in einem Mitgliedstaat zugelassen und fahrbereit sei und nur deshalb auf einem Privatgrundstück abgestellt worden sei, weil sein Eigentümer es nicht mehr nutzen will.

Der EuGH entschied, dass ein Fahrzeug, das nicht ordnungsgemäß stillgelegt worden und fahrbereit sei, durchaus unter den Begriff „Fahrzeug“ im Sinne der Ersten Richtlinie subsumiert werden kann und nicht nur deshalb, weil sein Eigentümer es nicht mehr nutzen wolle und es auf einem Privatgrundstück abgestellt habe, nicht mehr der in der Richtlinie aufgestellten Versicherungspflicht unterliege.

Gemäß EuGH unterlag das Fahrzeug der Beklagten der in der Ersten Richtlinie aufgestellten Versicherungspflicht. Ihr Fahrzeug habe seinen gewöhnlichen Standort im Gebiet eines Mitgliedstaats (Portugal) gehabt und sei dort nach wie vor zugelassen gewesen. 

Es spiele keine Rolle, dass die Beklagte das Fahrzeug auf einem Privatgrundstück, nämlich im Hof ihres Hauses, abgestellt habe, bevor ihr Sohn Besitz von ihm ergriffen habe, und dass sie es nicht mehr habe nutzen wollen.

Der EuGH stellte fest, dass die Zweite Richtlinie einer gesetzlichen Regelung nicht entgegensteht, die vorsieht, dass die Entschädigungsstelle ein Rückgriffrecht nicht nur gegen den oder die für den Unfall Verantwortlichen hat, sondern auch gegen die Person, die eine Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug, das den Schaden verursacht hat, abschließen muss. Dies auch dann, wenn sie zivilrechtlich nicht für den Unfall verantwortlich sei. 

Der EuGH erklärte in seinem Urteil, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen, dass die Entschädigungsstelle, wenn der Eigentümer des am Unfall beteiligten Fahrzeugs seiner Pflicht, es zu versichern, nicht entspricht, nicht nur den oder die für den Unfall Verantwortlichen in Anspruch nehmen kann, sondern auch den Eigentümer des Fahrzeugs, unabhängig von dessen zivilrechtlicher Verantwortlichkeit für den Unfall. 

EuGH Urteil vom 04.09.2018 

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. 

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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