Dieselskandal: EuGH erleichtert Widerruf von Kreditverträgen noch Jahre nach Vertragsschluss

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Der EuGH hat mehrere Rechtsfragen des Landgerichts Ravensburg im Zusammenhang mit den Pflichtangaben von Darlehensverträgen bei finanzierten Autokäufen mit der Volkswagen Bank, der Skoda Bank und der BMW Bank zugunsten der Verbraucher entschieden und damit die zuletzt wenig verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs korrigiert. Verbraucherschützer sehen so gut wie jeden Alt- und Neuvertrag von der Entscheidung betroffen, so dass insbesondere vom Dieselskandal Betroffene über einen Widerruf des zugrundeliegenden Darlehensvertrags  auch noch viele Jahre nach dem Kauf diesen rückabwickeln können.  

Notwendige Pflichtangaben in Darlehensverträgen

1. Keine Einrede der Verwirkung und Rechtsmissbrauch bei Widerruf durch Kreditinstitute

Besonders brisant ist die Entscheidung des EuGH im Hinblick auf den Einwand der Verwirkung des Widerrufs der Kreditinstitute. Es ist dem Kreditgeber nunmehr verwehrt, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß dieser Bestimmung durch den Verbraucher auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte und ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten hat.

Auch darf der Kreditgeber im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher keinen Rechtsmissbrauch annehmen, wenn zwingende Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, und ides ebenfalls unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass bei Fehlen eine der nachfolgenden Pflichtangaben im Kreditvertrag ein Widerruf selbst dann noch zulässig ist, selbst wenn das Darlehen vor Erklärung des Widerrufs bereits vollständig zurückgeführt wurde.

Im Folgenden werden die vom EuGH entschiedenen Vorlagefragen des Landgerichts Ravensburg näher dargestellt.

2. Angaben zum „verbundenen Kreditvertrag“

Im Darlehensvertrag muss in klarer, prägnanter Form angegeben werden, dass es sich um einen „verbundenen Kreditvertrag“ handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist.

Fehlt diese Angabe oder ist diese Angabe missverständlich formuliert, so kann der Darlehensvertrag deswegen widerrufen werden.

2. Zahlung des Kaufpreises

Weiter stellt der EuGH klar: In einem sog. „verbundenen Kreditvertrag“, der ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über die Lieferung eines Gegenstands dient und vorsieht, dass der Kreditbetrag an den Verkäufer dieses Gegenstands ausgezahlt wird, ist zwingend anzugeben, dass der Verbraucher in Höhe des ausgezahlten Betrags von seiner Verbindlichkeit zur Zahlung des Kaufpreises befreit ist und dass der Verkäufer ihm, sofern der Kaufpreis vollständig beglichen ist, den gekauften Gegenstand auszuhändigen hat.

Fehlt diese Angabe zur Befreiung von der Verbindlichkeit und von der Pflicht zur Aushändigung des bezahlten Gegenstandes, so ist der Kreditvertrag deswegen widerrufbar.

3. Angabe Höhe der Verzugszinsen und Zinsanpassung

Weiter stellt der EuGH klar: Ist in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben. Die Darstellung der von der Bank gewählten Berechnungsmethode ,muss für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz allein auf der Grundlage der vorgefundenen Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden.

Damit dürfte beinahe jeder Darlehensvertrag nunmehr widerrufbar sein. Denn regelmäßig verweisen Banken in ihren Allgemeinen Kreditbedingungen bezüglich der Zinsen pauschal auf finanzmathematische Berechnungsgrundlagen.

4. Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Weiter stellt der EuGH klar, dass im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung  (sog. Vorfälligkeitsentschädigung) "in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben" ist, so dass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der im Vertrag erteilten Informationen bestimmen kann.

Gerade die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung dürfte zukünftig vielen Banken zum  Verhängnis werden. Denn ein bloßer Verweis auf die sog. Aktiv-Passiv-Methode, die in nahezu allen Darlehensverträgen verwendet wird, erfüllt die Anforderungen des EuGH gerade nicht, so dass auch hier bei einer Vielzahl von Darlehensverträgen das Recht zum Widerruf gegeben sein dürfte.

5. Angabe zu außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren

Schließlich stellt der EuGH weiter klar, dass im Kreditvertrag die wesentlichen Informationen über alle dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren (insbesondere bei den Schlichtungsstellen) und gegebenenfalls die mit diesen Verfahren verbundenen Kosten, zu nennen sind. Auch muss der Kreditnehmer darüber, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf per Post oder elektronisch einzureichen ist, über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt, aufgeklärt werden. Der EuGH macht unmissverständlich deutlich, dass ein bloßer Verweis im Kreditvertrag auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Schriftstück oder Dokument, in dem die Modalitäten der außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren festgelegt sind, gerade nicht ausreicht.

Auch diese hohen Anforderungen an die Rechtsbehelfe des Verbrauchers dürften die Mehrzahl der geschlossenen Darlehensverträge nicht erfüllen.

FAZIT

Die Entscheidung des EuGH ist ein Paukenschlag und wird insbesondere bei finanzierten Autokäufen im Zusammenhang mit vom sog. Dieselskandal betroffenen Fahrzeugen einen neue Widerrufswelle lostreten. 

VORTEILE DES WIDERRUFS 

Im Unterschied zu einer Klage auf Schadensersatz gegen den Hersteller, bei der die Beweislast regelmäßig beim Käufer liegt und insbesondere bei Käufen nach 2015 eine Verjährung droht, muss ein Widerruf weder begründet werden noch können sich die Autobanken in Zukunft auf eine Verwirkung oder Rechtsmissbrauch des Widerrufs berufen, wenn Pflichtangaben im Kreditvertrag fehlen. 

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