Ex ernährt Kind vegan

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Möchte ein Elternteil das Kind vegan ernähren und ist der andere Elternteil dagegen, entbrennt schnell ein Streit ums Sorgerecht. Unabhängig davon, ob eine rein vegane Ernährung sinnvoll ist oder mehr Schaden als Nutzen anrichtet, ist die Frage im Bezug auf die elterliche Sorge zu beantworten, ob es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt, die nur beide Elternteile gemeinsam entscheiden können oder ob es sich um eine Angelegenheit von alltäglicher Bedeutung handelt, die ein Elternteil allein entscheiden kann. 

Was ist die vegane Ernährungsweise?

Wer sich vegan ernährt, verzichtet gewöhnlich auf

  • Fleisch,         
  • Fisch,

  • Milch

  • Eier

  • und alle Produkte, die irgendeiner Form tierische Bestandteile enthalten.     

Auch Honig gehört dazu. Veganer ernähren sich rein pflanzlich. Es wird geschätzt, dass sich ca. 1,3 Millionen Menschen in Deutschland derzeit vegan ernähren, Tendenz steigend. Ein Grund ist, dass Veganer Tiere und Umwelt schützen möchten und sich insbesondere gegen die Massentierhaltung und die damit einhergehende Umweltbelastung wenden. In Frankfurt soll 2018 sogar die erste vegane Kindertagesstätte eröffnet haben.

Darf man sein Kind vegan ernähren?

Es bleibt Eltern unbenommen, ihr Kind vegan zu ernähren. Es gibt keinen Straftatbestand, der die vegane Ernährung verbietet. In Italien wird allerdings darüber debattiert, es unter Strafe zu stellen, wenn Eltern ihr Kind rein pflanzlich ernähren. Grund ist, dass nicht eindeutig geklärt ist, ob und inwieweit eine rein vegane Ernährung wirklich gesund ist und möglicherweise trotz des unbestreitbaren Nutzens auch schadet. 

Ein Problem kann sich aber dann ergeben, wenn ein Kind mangelernährt wird. Es ist weitgehend unbestritten, dass der Verzicht auf tierische Lebensmittel auch den Verzicht auf eine Reihe von Nährstoffen bedeutet. Gerade bei Kindern im Wachstumsalter können sich fehlende Nährstoffe nachteilig auf das körperliches und geistiges Wachstum auswirken. Meist geht es um die unzureichende Versorgung mit 

  • Eisen,         
  • Zink,    

  • Proteinen,    

  • Kalzium    

  • und insbesondere Vitamin B 12.     

Vitamin B 12 wird nur über tierische Produkte zugeführt. Eine rein vegane Ernährung kann nur sinnvoll sein, wenn die fehlenden Nährstoffe auf andere Weise, insbesondere durch Nahrungsergänzungsmittel, zugeführt werden. Insoweit kann eine vegane Ernährung nur dann eine gute Entscheidung darstellen, wenn sie richtig angewandt wird. Wird sie nicht richtig angewandt, ergeben sich unbestreitbar gesundheitliche Probleme. Deshalb lehnt mithin auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine rein vegane Ernährungsweise bei Kindern ab. Auch Kinderärztinnen und -ärzte sprechen sich überwiegend gegen eine vegane Ernährung bei Kindern aus. So rät der Verband der Kinder- und Jugendärzte davon ab, Kinder vegan zu ernähren.

Welche rechtlichen Risiken bestehen, wenn die Mangelernährung Schaden anrichtet?

Wird ein Kind mangelernährt, riskieren die Eltern die gedeihliche Entwicklung ihres Kindes. Im US-Bundesstaat Florida musste sich jedenfalls ein Ehepaar, das sein Kind nur mit Obst und Gemüse ernährt hatte, wegen Mordes vor Gericht verantworten. Das Kind war mit 18 Monaten verstorben. Statt der üblichen 11 kg wog es nur 7,7 kg. Die Autopsie zeigte eine fortgeschrittene Dehydrierung und Schwellungen an den Gliedmaßen. 

Auch wenn eine vegane Ernährung als solche nicht strafbar ist, können sich Eltern also strafbar machen, wenn das Kind infolge der Mangelernährung Schaden erleidet oder gar verstirbt. Genau wie in den USA ist also auch in Deutschland mit einer Strafanklage zu rechnen. Denkbare Anklagepunkte wären 

  • Körperverletzung,         
  • Körperverletzung mit Todesfolge,    

  • Totschlag durch Unterlassen oder aktives Tun.     

In jeden Fall müssten die Eltern sich dafür verantworten, dass sie ihrem Kind nicht die Ernährung geboten haben, die es aufgrund seiner körperlichen und geistigen Entwicklung benötigt hätte. Natürlich wäre es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, nachzuweisen, dass die vegane Ernährung Ursache war.

Hinzu kommt, dass sie wahrscheinlich ihre elterliche Aufsichtspflicht gegenüber dem Kind verletzt hätten. Der Elternteil bzw. die Eltern riskieren, dass ihnen das Sorgerecht entzogen wird, weil sie aufgrund der Ernährungsweise, nicht geeignet sind, ein Kind verantwortungsvoll aufzuziehen. Insoweit stehen Elternteile auch dann in der Verantwortung, wenn sie das Kind selbst nicht betreuen, wohl aber noch das gemeinsame Sorgerecht ausüben. Im Interesse des Kindes müsste auch der nicht betreuende Elternteil etwas unternehmen.

Wann sollte man sich nicht vegan ernähren?

Eine vegane Ernährung sollte mit Blick auf das Alter des Kindes beurteilt werden. Säuglinge und Kleinstkinder werden nach überwiegender Einschätzung optimal ernährt, wenn sie möglichst mit der Muttermilch gesäugt werden. Schließlich hat die Natur insoweit optimal vorgesorgt. Und für Muttermilch gibt es wohl keinen vergleichbaren Ersatz. 

Da die Ernährung im Kindesalter die späteren Ernährungsgewohnheiten prägt, denken Eltern frühzeitig darüber nach, auch ihr Kind früh an eine vegane Ernährung zu gewöhnen. Dabei ist zu bedenken, dass Kinder im Jugendlichen- und Heranwachsendenalter einen erhöhten Energie- und Nährstoffbedarf haben, der über die Ernährung abgedeckt werden muss. Ärztlich wird deshalb 

  • Schwangeren,         
  • Stillenden     

  • und Kleinkindern     

generell davon abgeraten, das Risiko einer rein veganen Ernährung einzugehen.

Sorgerecht bei veganer Ernährung

Waren Sie als Elternteile miteinander verheiratet, besteht das gemeinsame Sorgerecht auch nach der Trennung und Scheidung fort. Wegen der Trennung der Eltern wird differenziert, bei welchem Elternteil sich das Kind gewöhnlich aufhält. Aus Praktikabilitätsgründen muss der betreuende Elternteil die Möglichkeit und damit das Recht haben, in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes selbst zu entscheiden, ohne den anderen Elternteil seine Zustimmung befragen zu müssen.

Anders ist es bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Hier ist weiterhin das gegenseitige Einvernehmen beide Elternteile erforderlich. Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind solche, deren Auswirkungen auf das Kind nicht oder nur schwer abzuändern sind. Nach diesen Kriterien ist auch zu entscheiden, ob eine vegane Ernährung eine Angelegenheit von alltäglicher oder erheblicher Bedeutung für das Kind darstellt. Typische Beispiele für Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind 

  • die Verlegung des Wohnsitzes in ein anderes Land,
  • der Schulwechsel,

  • eine Operation

  • oder die Frage, ob und welche Religion das Kind annimmt.     

Wenn Sie nun nicht damit einverstanden sind, dass Ihr Ex das Kind vegan ernährt und Sie sich über genau diesen Punkt streiten, begründen Sie beide, dass Sie die Frage der veganen Ernährung als eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung betrachten. In Anbetracht der Risiken, die unbestreitbar mit einer veganen Ernährung einhergehen, sollte sich im Hinblick auf die Erziehung und Entwicklung des Kindes nachvollziehbar begründen lassen, dass es dabei tatsächlich um eine Angelegenheit handelt, die keine alltägliche Frage betrifft, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind ist.

Was ist zu tun, wenn Sie eine vegane Ernährung ablehnen?

Können Sie sich über die Ernährung des Kindes nicht verständigen, kann jeder Elternteil das Familiengericht anrufen (§ 1628). Das Familiengericht kann und darf aber in der Sache selbst nicht entscheiden (BVerfG NJW 2003, 1031). Das Gericht kann also nicht urteilen, eine vegane Ernährung sei richtig oder falsch. Grund ist, dass der Staat sich in solchen Erziehungsfragen zurückhält und die Verantwortung überwiegend den Eltern überträgt. Gerichte haben nur eine Lenkungs- und Aufsichtsfunktion

Im Gerichtsverfahren wird sich das Gericht darum bemühen, dass sich die Eltern auf eine dem Wohl des Kindes entsprechende Regelung einigen. Das Kind selbst hat kein eigenes Antragsrecht. Es ist aber persönlich anzuhören und ab 14 Jahren gegenüber der Entscheidung des Gerichts beschwerdeberechtigt.

Gericht kann Entscheidungsbefugnis über Ernährung übertragen

Ist eine Einigung nicht möglich, wird das Gericht die Entscheidungsbefugnis demjenigen Elternteil übertragen, dessen Entscheidung am ehesten dem Kindeswohl entspricht. Soweit das Familiengericht einem Elternteil die Entscheidung allein zugewiesen hat, ist dieser Elternteil auch allein vertretungsberechtigt. Das Sorgerecht des anderen Elternteils ist insoweit eingeschränkt.

Bei der Frage, wem die Entscheidungsbefugnis zugewiesen wird, müsste das Gericht also auch die Vorteile und Nachteile einer veganen Ernährung gegeneinander abwägen. Da eine vegane Ernährung als mögliche Ernährung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, kann es die Entscheidungsbefugnis auch mit Beschränkungen oder Auflagen verbinden. Soweit sich der Elternteil, der das Kind vegan ernähren möchte, verantwortungsvoll zeigt und die mit der veganen Ernährung verbunden Risiken kennt und ernst nimmt, könnte eine Auflage darin bestehen, dass eventuell fehlende Nährstoffe durch Nahrungsergänzungsmittel zusätzlich zugeführt werden und das Kind regelmäßig ärztlich untersucht wird.

Wie gehen Sie im Alltag mit der Problematik um?

Möchte Ihr Ex das Kind vegan ernähren, stellt sich die Frage, ob Sie die vegane Ernährung übernehmen, wenn Sie das Kind beispielsweise in Ausübung Ihres Umgangsrechts betreuen. Wird das Kind teils vegan und teils nicht vegan ernährt, wird die mit der veganen Ernährung verbundene Zielrichtung konterkariert. Soweit es nur darum geht, der Massentierhaltung zu begegnen, sollten Sie als Elternteile damit leben können, wenn einer das Kind vegan ernährt und der andere nicht.

Sie müssen sich auch darüber verständigen, was ist, wenn das Kind die Großeltern oder Freunde besucht und dort jedwede vegane Ernährung in Abrede gestellt wird. 

Fazit

Die eigene Ernährungsweise ist eine persönliche Entscheidung. Soweit es um Kinder geht, ist besonders Acht darauf zu geben, dass diese gesund ernährt werden und eine gedeihliche Entwicklung unterstützt wird. Wenn Sie sich als Eltern nicht einigen können, lassen Sie sich am besten frühzeitig anwaltlich beraten, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. 

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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