Falschaussage vor Gericht oder bei der Polizei – Vorladung, Anklage, Strafbefehl § 153 StGB

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Dem Zeugen kommt vor Gericht oft große Bedeutung zu. Gerade im Strafprozess ist er nicht hinwegzudenken. Wie sich ein Zeuge im Rahmen eines Strafverfahrens vom ersten Verdacht bei den Strafverfolgungsbehörden bis zur strafrechtlichen Verhandlung vor Gericht strafbar machen kann, nimmt dieser Beitrag in den Blick. Abschließend ist diese Aufzählung allerdings nicht. Sowohl die Ermittlungsbehörden als auch das Gericht müssen ein möglichst scharfes Bild vom abgelaufenen Geschehen skizzieren können. Neben Beweismitteln wie Urkunden oder Videoaufzeichnungen werden häufig Personen zur Sache befragt, die das verfahrensgegenständliche Geschehen beobachtet haben sollen (Zeugen). Entsprechendes gilt auch für Sachverständige, die mir ihrer besonderen Fachkenntnis die verworrene Lage der Dinge aufhellen, greifbar machen und einzuordnen helfen.

Dabei liegt für jedermann auf der Hand: Der Zeuge ist angehalten, sich streng an die Wahrheit zu halten und seine Eindrücke vollumfänglich und wahrheitsgemäß darzutun. Möglicherweise kann es nämlich geschehen, dass das Gericht in seiner Urteilsfindung einer Zeugenaussage solches Gewicht beimisst, dass es seine Entscheidung deshalb verändert. Um eine funktionierende Rechtsanwendung zu gewährleisten, ist deshalb eine Falschaussage in bestimmten Situationen mit Strafe bedroht.


Der Strafbarkeit der Falschaussage widmet sich das Strafgesetzbuch in seinem neunten Abschnitt, namentlich in den §§ 153 bis 162.

Wie hoch ist die Strafe für eine Falschaussage?

„Wer vor Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt“ (§ 153 StGB), den trifft eine Strafandrohung von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Diese Strafe erhöht sich auf eine Freiheitsstrafe von einem bis zu grundsätzlich fünfzehn Jahren (in minder schwerem Fall sechs Monate bis fünf Jahre), wenn nicht nur falsch ausgesagt, sondern falsch geschworen und somit ein Meineid begangen wird (§ 154 StGB). Wer eine falsche Versicherung an Eides statt abgibt, den trifft eine Strafandrohung von einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (§ 156 StGB).

Auch der Versuch, jemanden zur Falschaussage anzustiften oder die Verleitung zur Falschaussage sind mit Strafe bedroht (§§ 159, 160 StGB).

Falschaussage vor der Polizei oder vor Gericht – macht das einen Unterschied?

Wenn man die möglichen Auswirkungen einer falschen Aussage betrachtet, fallen einem bereits Unterschiede auf: Während die Polizei aufgrund einer falschen Aussage möglicherweise „nur“ in eine falsche Richtung ermittelt, spricht das Gericht möglicherweise Entscheidungen anders aus (spricht etwa jemanden frei, den es bei korrekter Aussage verurteilt hätte oder verurteilt jemanden, den es bei wahrheitsgemäßer Aussage freigesprochen hätte).

Dementsprechend differenziert auch die Strafbarkeit von Falschaussagen: Eine Strafbarkeit wegen Falschaussage kommt deshalb grundsätzlich nur in Betracht, wenn diese falsche Aussage vor einem Gericht oder einer anderen (auch zur eidlichen Vernehmung von Zeugen befugten) Stelle gemacht wurde (zB Prüfungsstelle des Patentamts, Wahlprüfungsausschüsse, unter gewissen Umständen Notare). Nicht dazu gehören die Staatsanwaltschaft oder die Polizei.


Bei Letzteren ist deshalb in der Regel keine Strafbarkeit wegen falscher uneidlicher Aussage oder Meineid zu befürchten. Trotzdem ist auch hier Vorsicht geboten: Eine wahre Aussage empfiehlt sich nicht nur aufgrund der eigenen Redlichkeit; nicht unwahrscheinlich sind bei falscher Aussage Strafbarkeiten wegen übler Nachrede, Verleumdung , falscher Verdächtigung oder Strafvereitelung, wenn zB jemand fremdem wahrheitswidrig eine Straftat nachgesagt wird, um von sich oder einem anderen abzulenken. Diese Straftaten können auch gegebenenfalls durch eine entsprechende Aussage vor der Polizei oder Staatsanwaltschaft begangen werden.

Wann ist eine Aussage überhaupt falsch? Macht das „Weglassen“ bestimmter Aspekte strafbar?

Die Aussage des Zeugen oder Sachverständigen (sein Bericht des Vernommenen, seine Antwort auf bestimmte Fragen) ist dann falsch, wenn sie nicht mit dem tatsächlichen Geschehen übereinstimmt. Dass dabei Fehler passieren können, legt schon die allgemeine Lebenserfahrung nahe; wenn die Aussage dann noch in großen Zeitabstand zum gegenständlichen Geschehen liegt, sind unbeabsichtigten Ungenauigkeiten natürlich alle Türen geöffnet. Sich selbst nicht erinnern zu können, ist natürlich nicht strafbar. Eine Abweichung zum tatsächlichen Geschehen sollte indes tunlich vermieden werden. Bei Ungenauigkeiten oder Lücken in der Erinnerung, die das Gesagte zu bloßen Vermutungen werden lassen, gilt es genau das mitzuteilen.

Die Falschheit der Aussage kann sich auch daraus ergeben, dass bewusst Umstände verschwiegen werden, die erkennbar im Zusammenhang mit der Beweisfrage stehen. Es empfiehlt sich daher auch dringend, vollumfänglich seine Eindrücke mitzuteilen.

Maßgeblich ist die tatsächliche Abweichung des Gesagten vom Geschehenen. Geht der Zeuge lediglich davon aus, dass seine Aussage falsch ist, gibt er aber tatsächlich etwas Wahres wider, so handelt es sich um keine Falschaussage. Sofern der Versuch der Straftat strafbar ist – beispielsweise beim Meineid – droht aber eine Strafbarkeit wegen (z.B.) versuchten Meineids.

Uneidliche Aussage, Aussage unter Eid, eidesgleich und an Eides statt – was bedeutet das praktisch?

In welcher Weise eine falsche Aussage oder Versicherung gemacht wird, ist von nicht zu unterschätzender Relevanz. Wie einleitend dargetan, bestimmt sich danach zum Beispiel die Strafandrohung.

Die uneidliche Aussage ist wohl der Normalfall in der Praxis. Der Zeuge erscheint beispielsweise vor Gericht, macht seine Aussage und wird wieder entlassen.

Stärkere Formen der Beteuerung sind der Meineid oder eine Versicherung an Eides statt:

Ein Meineid liegt vor beim Beschwören einer falschen Tatsache. Dieses Schwören kann grundsätzlich nur mündlich erfolgen. Es ist darüber hinaus möglich, aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid zu leisten, sondern die Wahrheit der eigenen Aussage eidesgleich zu bekräftigen – im Ergebnis steht dieselbe Strafbarkeit wie beim Meineid.

Die Versicherung an Eides statt ist eine eigenständige Art der Beteuerung. Sie kann im Gegensatz zum Eid grundsätzlich sowohl mündlich als auch schriftlich geleistet werden.

Praktisch ist also zu unterscheiden, ob eine Aussage bzw. Versicherung uneidlich (1), unter Eid oder eidesgleich (2) oder an Eides statt (3) angegeben wurde – in diesen drei Varianten entstehen unterschiedlich hohe Strafandrohungen (siehe schon oben).

Lügen vor Gericht für Angehörige oder sich selbst? Muss ich immer aussagen?

In einer besonders misslichen Lage sieht sich der Zeuge, der durch wahrheitsgemäße Aussage sich selbst oder Angehörige belasten würde. Gerade die in der Regel enge Bindung zu Angehörigen macht es mitunter schwer, für diese belastende Tatsachen vor Gericht wiederzugeben. Zuweilen sieht man sich deshalb vielleicht sogar gedrängt, hier die Tatsachen etwas zu verdrehen. Davon ist jedoch – auch im Lichte der Strafandrohung – abzuraten.


Auch der Gesetzgeber hat diese Lage allerdings erkannt und reagiert damit zum Beispiel in der Strafprozessordnung: Im Strafprozess steht einem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht oder Zeugnisverweigerungsrecht zu, wenn er sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung selbst (§ 55 StPO) oder einen seiner Angehörigen (Verlobte, (auch ehemalige) Ehegatten und Lebenspartner, (auch ehemalige) in gerader Linie verwandte oder verschwägerte, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägerte Personen) (§ 52 StPO) der Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Das Lügen ist hier also genau so wenig wie bei einem Fremdem erlaubt, aber das Schweigen unter Umständen eine gesetzlich zugelassene Möglichkeit.

Auf sein Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht ist der Zeuge durch das Gericht hinzuweisen. Damit ebnet das Gesetz einen praktischen Weg, um Gewissensbissen zwischen Wahrheitstreue und persönlicher Verbundenheit elegant zu entgehen


Wurde eine falsche Aussage gemacht, um Angehörige oder sich selbst zu schützen, kann (nicht muss) das Gericht – je nach konkret verwirklichter Tat - von einer Strafe absehen oder die Strafe mildern (§ 157 StGB).


Sollten Sie selbst vermuten, als Beschuldigter Teil eines Strafverfahrens zu werden, ist Ihnen im Übrigen grundsätzlich zu raten, zunächst zu schweigen und rasch einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Auch auf eine Ladung als Zeuge können Sie in Begleitung eines Rechtsanwaltes erscheinen.

Ich habe falsch ausgesagt: Kann ich nun noch etwas tun, um einer Strafbarkeit zu entgehen?

Das kommt auf den Zeitpunkt an: Wenn der Täter seine falsche Angabe rechtzeitig berichtigt, kann das Gericht die Strafe mildern oder von ihr absehen (§ 158 StGB).

Das ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die wahre Angabe bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann oder aus der Falschaussage bereits ein Nachteil für jemanden entstanden ist. Auch kann die Aussage nicht mehr rechtzeitig berichtigt werden, wenn gegen den falsch Aussagenden bereits Anzeige erstattet oder eine Untersuchung eingeleitet wurde (§ 158 Abs.2 StGB).


Wenn Sie eine falsche Aussage gemacht haben sollten, kann eine Berichtigung gem. § 158 Abs.3 StGB bei der Stelle, bei der die falsche Angabe gemacht wurde oder die sie zu prüfen hat, bei Gericht, einer Staatsanwaltschaft oder einer Polizei erfolgen.


Gerade in solchen Situationen ist eine anwaltliche Vertretung anzuraten und zügig, aber überlegt zu agieren. Sie dabei bestmöglich zu unterstützen, ist der Anspruch Ihres Strafverteidigers.

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