Anwalt bei Vorladung und Anklage wegen Falschaussage vor Gericht - Sind Falschaussagen bei der Polizei strafbar?

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Dass man nicht Lügen darf, wird uns vom Kindesalter an eingebläut. Dabei geht es zwar oftmals vordergründig um das harmonische gesellschaftliche Miteinander, allerdings kommt man irgendwann in ein Alter, in dem das Lügen in bestimmten Situationen sogar eine Strafbarkeit nach sich ziehen kann. Dies betrifft beispielsweise mögliche Strafbarkeiten wegen Betruges (wenn man eine andere Person täuscht und diese so zu irrtümlichen vermögensrelevanten und vermögensschädigenden Verfügungen veranlasst, § 263 StGB). Aber auch das Lügen vor bestimmten offiziellen Stellen kann unter Umständen ein Strafverfahren nach sich ziehen. Aber wann ist das tatsächlich der Fall? Wann ist Lügen vor Gericht strafbar? Ist es strafbar, die Polizei anzulügen? Ist es sogar strafbar, zu bestreiten, eine Straftat begangen zu haben, obwohl dies tatsächlich der Fall ist?

Ist es strafbar, vor Gericht zu lügen?

Lügen kann strafbar sein. Insbesondere dann, wenn vor Gericht gelogen wird. Dies setzt nicht notwendigerweise voraus, dass der Aussagende auch vereidigt wurde. Auch die falsche uneidliche Aussage kann eine Strafe nach sich ziehen. Wird allerdings unter Eid falsch ausgesagt und ein Meineid begangen, so ist die angedrohte Strafe eine Höhere. Bestimmte Eidesgleiche Beteuerungen stehen einem Eid gleich (§ 155 StGB). Auch die Falsche Versicherung an Eides Statt ist nach Maßgabe des  § 156 StGB strafbar.

Es ist zu beachten, dass sich nicht jeder wegen einer Falschaussage strafbar macht, auch wenn dies vor Gericht oder einer anderen tauglichen Stelle geschieht.

Wann macht man sich wegen einer falschen uneidlichen Aussage („Falschaussage“) strafbar?

Eine Strafbarkeit wegen falscher uneidlicher Aussage setzt zunächst – wenig überraschend – voraus, dass falsch ausgesagt wird. Allerdings muss dies vor einer für eine eidliche Vernehmung zuständigen Stelle, wie beispielsweise einem Gericht, erfolgen und nur bestimmte Personen können sich überhaupt wegen einer Falschaussage nach § 153 StGB strafbar machen.

Wer kann sich wegen einer falschen uneidlichen Aussage strafbar machen?

Strafbar machen kann sich gem. § 153 StGB derjenige, der Zeuge oder Sachverständiger ist. Das bedeutet in der Konsequenz, dass sich zum Beispiel der Beschuldigte in einem Strafverfahren nicht wegen falscher uneidlicher Aussage nach § 153 StGB (und auch nicht wegen Meineids nach § 154 StGB) strafbar machen kann, wenn er falsch aussagt. Der Beschuldigte ist im Strafverfahren kein Zeuge.

Wann ist eine Aussage falsch?

Bei der Frage, wann eine Aussage falsch ist, stellen sich im Grunde zwei Fragen. Zum Einen, was alles zur Aussage gehört, und zum Anderen wann diese dann falsch ist.


Was alles zur Aussage gehört, unterscheidet sich zwischen der Art des Prozesses. Im Strafprozess ist dies beispielsweise weiter gefasst als im Zivilprozess, wo der Zeuge zu der im Beweisbeschluss bestimmten Frage Zeugnis leisten muss. Im Strafprozess gehört zur Vernehmung die Untersuchung (§ 69 Abs.1 StPO) und damit alles, was auch nur möglicherweise für Feststellungen über die vorgeworfene Tat erheblich ist, also Tatsachen, die mit dieser jedenfalls zusammenhängen können. Vgl. BGH, Beschluss v. 23.11.2020 – 5 StR 172/20.


Auch das Verschweigen von Tatsachen kann eine Falschaussage im Sinne des § 153 StGB darstellen. Dies jedenfalls bei solchen Tatsachen, die für den Zeugen erkennbar in einem Zusammenhang zur Beweiserhebung stehen und auch erheblich sind. Vgl. BGH, Beschluss v. 23.11.2020 – 5 StR 172/20.


Im Hinblick auf die Falschheit der Aussage könnte man sich die Frage stellen, ob sich der Aussagende auch dann strafbar macht, wenn er davon ausgeht, zu lügen, die Aussage aber tatsächlich der Wahrheit entspricht. Im Ergebnis ist es so, dass es auf die objektive Unrichtigkeit der Aussage ankommt. Hierfür spricht insbesondere der Schutzzweck der Norm, also der Grund, weshalb eine falsche uneidliche Aussage mit Strafe bedroht ist. Dies dient insbesondere dem Schutz der Rechtspflege. Durch falsche Aussagen wird diese gestört, zum Beispiel können falsche Urteile ergehen, wenn der Richter dem falsch Aussagenden Glauben schenkt. Diese Gefahr tritt allerdings nur dann ein, wenn die Aussage objektiv falsch ist, nicht dann, wenn der Aussagende dies lediglich glaubt. Letzteres wäre eine klassische Konstellation der versuchten Begehung einer Straftat. Der Versuch einer uneidlichen Falschaussage nach § 153 StGB ist aber nicht strafbar.

Ist das bewusste Übertreiben bei der Darstellung von Tatsachen eine Falschaussage?

Das kann  tatsächlich sein. Dies bejahte das Oberlandesgericht München in einem Beschluss unter Verweis darauf, dass die Strafbewehrung einer Falschaussage nach § 153 StGB (im Rahmen eines Strafverfahren) dazu diene, dass die Tatsachen in einem Strafverfahren wahrheitsgemäß festgestellt werden können. Dieses Schutzgut sei auch dann gefährdet, wenn der Aussagende seine Wahrnehmungen ausschmückt und intensiver darstellt, als es tatsächlich nach seiner Wahrnehmung geschehen ist. Dies begründet sich unter anderem darin, dass sich dies auf die Strafe, die am Ende des Verfahrens verhängt wird, auswirken kann. Vgl. OLG München, Beschluss v. 04.03.2009 – 5 St RR 38/09 in openJur 2012, 99381.

Ist es strafbar, bei einer polizeilichen Vernehmung zu lügen?

Die §§ 153 ff. StGB setzen voraus, dass vor einer tauglichen Stelle die Falschaussage vorgenommen wurde. Hierzu gehören im Rahmen einer falschen uneidlichen Aussage gem. § 153 StGB Gerichte und Stellen, die für die eidliche Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständig sind.

Taugliche Stellen zur Begehung eines Meineids sind Gerichte und für die Abnahme von Eiden zuständige Stellen (§ 154 StGB).

Eine Strafbarkeit wegen Falscher Versicherung an Eides Statt droht gem. § 156 StGB bei entsprechenden Aussagen vor Behörden, die für eine Versicherung an Eides Statt zuständig sind.


Die Polizei gehört zu keiner dieser Stellen, sodass bei einer Falschaussage bei der Polizei jedenfalls keine Strafbarkeit nach den §§ 153 ff. StGB begründet wird. Aber Vorsicht: Nur weil keine Strafbarkeit nach diesen Aussagedelikten droht, bedeutet dies nicht, dass das Lügen bei der Polizei in Gänze straflos ist. Unter Umständen kann aber auch hier eine Strafe drohen, insbesondere wenn man zum Beispiel als Beschuldigter nicht nur die Vorwürfe leugnet, sondern eine andere Person stattdessen bewusst fälschlicherweise beschuldigt.


Hier kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Hier können Details gegebenenfalls einen großen Unterschied machen. Wenden Sie sich daher bei dem Vorwurf einer Falschaussage am Besten an einen auf das Strafrecht spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht. Dieser hat sowohl die nötige Erfahrung als auch Fachexpertise, um einen Fall juristisch korrekt einschätzen zu können und bei Bedarf eine passende Verteidigungsstrategie zu entwickeln.

Mache ich mich auch als Beschuldigter in einem Strafverfahren wegen einer Falschaussage strafbar?

Oftmals fällt der Satz, als Beschuldigter habe man im Strafverfahren „ein Recht zu Lügen“. Das stimmt – insbesondere in dieser Absolutheit – so nicht ganz.

Was stimmt ist, dass man als Beschuldigter im Strafverfahren nicht dazu verpflichtet ist, auszusagen und auch nicht dazu verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Das reine Leugnen ist also straflos, auch wenn dieses nicht der Wahrheit entsprechen sollte. Ein Recht zu Lügen in dem Sinne, dass eine andere Person aktiv beschuldigt wird, um den Tatverdacht von sich abzuwenden, hat allerdings auch der Beschuldigte nicht. Hier drohen gegebenenfalls Strafbarkeiten wie beispielsweise wegen falscher Verdächtigung nach § 164 StGB.

Wie hoch ist die Strafe für eine Falschaussage?

Eine falsche uneidliche Aussage gem. § 153 StGB ist mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren bedroht.

Wird die Falschaussage unter Eid begangen, wird die Strafe höher. Für Meineid droht § 154 StGB nämlich eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr an. Wird der Meineid allerdings nicht vorsätzlich, sondern lediglich fahrlässig begangen, so sieht das Gesetz nur eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor (§ 161 StGB).

Für eine Falsche Versicherung an Eides Statt droht gem. § 156 StGB eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Wann droht eine höhere Strafe für eine Falschaussage? Wann macht man sich wegen Meineids strafbar?

Die Strafe für eine Falschaussage wird höher, wenn man nicht nur uneidlich falsch aussagt, sondern seine falsche Aussage sogar vereidigt. Dann droht eine Strafe wegen Meineids.


Erforderlich ist zudem, dass der Eid in dem Verfahren, in dem er geleistet wurde, in diesem Verfahren auch gesetzlich zulässig war (vgl. BGH, Beschluss v. 14.04.2020 – 5 StR 424/19).


Bei Dolmetschern ist (unter anderem) zu beachten – so das Oberlandesgericht Koblenz – dass der Eid im Sinne des Meineids hier nicht der allgemeine Eid von Dolmetschern ist, sondern dass eine Vereidigung durch die Stelle, in Bezug zu der der Vorwurf eines Meineids besteht, besteht. Vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 22.03.2017 – 1 OLG 4 Ss 201/16 (2) in openJur 2020, 20897.

Wirkt es sich aus, wenn ich eine Falschaussage korrigiere?

Das kann sich durchaus auswirken, insbesondere bis hin zur Straflosigkeit.

Zunächst einmal ist zu beachten, dass eine falsche uneidliche Aussage erst dann vollendet ist, wenn der Zeuge endgültig aus dem Zeugenstand entlassen wurde (wenn seine Vernehmung also tatsächlich beendet wurde und er auch nicht wieder in den Zeugenstand gerufen wird). Der Versuch einer falschen uneidlichen Aussage ist nicht strafbar. Erst ab der Vollendung wird eine Strafbarkeit begründet. Korrigiert sich der Zeuge also vor Ende seiner Vernehmung selbst, so liegt keine vollendete falsche uneidliche Aussage vor und eine Strafbarkeit nach § 153 StGB entfällt.

Auch nach Ende der Vernehmung ist es möglich, dass der falsch Aussagende noch mal glimpflich und ohne Strafe davonkommt. Das nämlich dann, wenn er die falsche Angabe rechtzeitig im Sinne des § 158 StGB berichtigt. Kann sich die Berichtigung nicht mehr auf die Entscheidung (z.B.) des Gerichts auswirken, so ist sie verspätet (§ 158 Abs.2 StGB). Verspätet ist sie auch dann, wenn bereits ein Nachteil durch sie für eine andere Person entstanden ist oder wenn schon Anzeige erstattet oder eine Untersuchung eingeleitet wurde (§ 158 Abs.2 StGB).

Das Risiko, ob die Berichtigung noch rechtzeitig in diesem Sinne erfolgt, liegt demnach beim falsch Aussagenden (Täter) (vgl. BGH, Beschluss v. 23.11.2020 – 5 StR 172/20).

Wird die Angabe aber rechtzeitig berichtigt, so hat das Gericht die Möglichkeit, die Strafe zu mildern oder von einer Strafe sogar abzusehen. Eine zwingende Folge ist dies aber nicht. Das Gericht kann dies tun.

Wo kann ich meine falsche Angabe berichtigen?

Es gibt verschiedene Stellen, bei denen die falsche Angabe berichtigt werden kann.

Hierzu gehört:

  • die Stelle, bei der die falsche Angabe gemacht wurde oder die die Angabe zu prüfen hat,
  • ein Gericht,
  • ein Staatsanwalt,
  • eine Polizeibehörde

(§ 158 Abs.3 StGB).

Kann eine Falschaussage ausnahmsweise straflos bleiben?

Neben allgemeinen Gründen, wieso eine Falschaussage unter Umständen ausnahmsweise doch keine Strafe nach sich ziehen kann, normiert § 157 StGB eine für die Aussagedelikte spezielle Konstellation und regelt den sogenannten „Aussagenotstand“. Liegt ein solcher vor, kann das Gericht die Strafe mildern oder unter Umständen sogar von ihr absehen.

Ein solcher Aussagenotstand liegt vor, wenn die Falschaussage erfolgt, „um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr abzuwenden, bestraft oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung unterworfen zu werden“ (§ 157 Abs.1 StGB).


Ob eine solche Situation vorliegt, bemisst sich an dem, was der Täter sich vorstellt, also ob er sich vorstellt, dass bei einer ordnungsgemäßen Aussage solche Folgen drohen können. Die Regelung zum Aussagenotstand greift also auch dann, wenn solche Folgen tatsächlich gar nicht drohen, sich der Aussagende hierüber also irrt. Vgl. BGH, Beschluss v. 26.07.2007 – 4 StR 240/07 (unter Verweis auf weitere Rechtsprechung).

Ist es strafbar, einen Zeugen dazu zu überreden, vor Gericht zu lügen?

Es kann auch strafbar sein, wenn man zwar nicht selbst falsch aussagt, aber einen anderen hierzu überredet oder derart auf ihn einwirkt, dass er falsch aussagt, ohne sich hierüber bewusst zu sein.

In Letzterem Fall kann beispielsweise ein nach § 160 StGB strafbares Verleiten zu einer Falschaussage bestehen.

Es kann auch dann strafbar sein, wenn man versucht jemanden zu einer Falschaussage anzustiften (den Tatentschluss zur Falschaussage bei jemandem hervorzurufen) und es schlussendlich nicht zu einer Falschaussage kommt. Hier spricht man vom Versuch der Anstiftung zu einer Falschaussage, der gem. § 159 StGB strafbewehrt ist.


Sie sehen, dass hier einige komplizierte Konstellationen entstehen können, bei denen Details große Bedeutung zukommen kann. Wenden Sie sich daher beim Vorwurf einer Falschaussage bzw. eines Aussagedelikts am Besten an einen erfahrenen Strafverteidiger, der weiß, worauf bei der rechtlichen Analyse des Vorwurfs und bei der Entwicklung der Verteidigungsstrategie zu achten ist.

Welche Strafbarkeiten kommen bei einer Falschaussage vor Gericht noch in Betracht?

Nicht nur die Delikte der §§ 153 ff. StGB kommen bei einer Falschaussage vor Gericht in Betracht. Weitere Delikte, die – je nachdem wie die Umstände des Einzelfalles liegen – im Raum stehen, sind  regelmäßig die Falsche Verdächtigung, die Strafvereitelung sowie Beleidigung, Verleumdung und Üble Nachrede.


Das Oberlandesgericht Hamm stellte in einem Beschluss darauf ab, dass eine Strafe wegen Strafvereitelung durch Unterlassen zum Beispiel dann drohe, wenn der Zeuge das Zeugnis verweigert, obwohl er in der konkreten Konstellation hierzu nicht berechtigt ist. Das OLG Hamm führte aus, dass der Zeuge in diesem Fall eine besondere Pflichtenstellung einnimmt (weshalb eine Strafbarkeit durch Unterlassen in Betracht kommt). Vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 09.11.2017 – 4 RVs 127/17 in openJur 2019, 16219.

Bin ich als Zeuge vor Gericht zu einer Aussage verpflichtet oder habe ich ein Recht zu schweigen?

Das kommt darauf an. Grundsätzlich müssen Zeugen vor Gericht aussagen. Es gibt aber Konstellationen, in denen Zeugen ein Aussageverweigerungsrecht oder ein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Berufen sie sich hierauf, müssen sie dann entweder gar nicht aussagen oder bestimmte Fragen nicht beantworten. Dies kann im Strafprozess zum Beispiel darauf beruhen, dass der Zeuge ein Angehöriger des Beschuldigten ist oder die Gefahr besteht, dass sich der Zeuge bei einer Aussage selbst belasten würde.

Zu beachten ist allerdings, dass das Gericht im Strafprozess Möglichkeiten hat, eine Aussage zu erzwingen, wenn sie zu Unrecht verweigert wird (wenn sich der Zeuge zum Beispiel auf ein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, dass tatsächlich gar nicht besteht). Eine solche unberechtigte Verweigerung hat gem. § 70 Abs.1 StPO zur Folge, dass die Kosten, die hierdurch entstehen, dem Zeugen auferlegt werden und ein Ordnungsgeld festgesetzt wird. Gem. § 70 Abs.2 der Strafprozessordnung kann sogar Haft angeordnet werden, um das Zeugnis zu erzwingen.


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