FAQ zum Unterhaltsrecht in Zeiten der Corona-Krise

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Die Corona-Krise wirkt sich in vieler Hinsicht auf Familien aus. Die Folgen müssen derzeit als nachhaltig und nicht lediglich temporär relevant angesehen werden. Die Gerichte habe ihre Tätigkeit mindestens bis Mitte April stark einschränken müssen. Verhandlungstermine werden abgesetzt und nur in Eilsachen terminiert. Mit dringenden praktischen Fragen sehen sich familienrechtlich Beteiligte oft allein gelassen. Zudem besteht konkreter Vorsorgebedarf. Hinweise zu Fragen, die sich in unterhaltsrechtlicher Hinsicht stellen können, haben wir nachstehend zusammengefasst.

Unser ganzes Team bleibt durchgehend erreichbar und wir werden uns, trotz derzeit stark eingeschränkter Möglichkeiten für eine gerichtliche Klärung, um die Wahrung Ihrer Interessen mit aller Kraft bemühen:

1. Mein Einkommen ist wegen angeordneter Kurzarbeit stark gesunken. Ich kann den bisher geleisteten Ehegattenunterhalt nicht mehr zahlen. Was muss ich jetzt unternehmen?

Der Unterhaltsberechtigte ist umgehend über die Situation zu informieren. Die Anordnung der Kurzarbeit sollte durch die arbeitgeberseitige Mitteilung nachgewiesen werden. Dabei sollte das zukünftige Einkommen möglichst konkret dargestellt werden, z. B. anhand einer Probeabrechnung. Die rückwirkende Geltendmachung eines Abänderungsgrundes ist erst ab dem Zeitpunkt möglich, in dem die Abänderung erstmals verlangt wurde. Dies sollte daher unverzüglich erfolgen und nicht aufgeschoben werden.

2. Ich bin selbstständig tätig und erinnere mich, dass bei der Einkommensermittlung auf ein 3-Jahresfenster abgestellt werden muss. Bis sich die Umsatzeinbrüche bei dieser Berechnung tatsächlich auswirken, könnte also erheblich Zeit vergehen. Soll ich trotzdem bereits jetzt tätig werden?

Nach aktuellem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass die Corona-Krise zu erheblichen und insbesondere auch nachhaltigen wirtschaftlichen Auswirkungen gerade bei Selbstständigen und Unternehmern führt. Diese Auswirkungen können z. B. durch eine vorläufige Liquiditätsberechnung Ihres Steuerberaters prognostiziert werden. Im Einzelfall ist das zukünftig erzielte Einkommen auch einer richterlichen Schätzung zugänglich. Es ist daher vertretbar und zur Meidung von Rechtsnachteilen auch geboten, die Abänderung sofort anzugehen und nicht zuzuwarten.

3. Was gilt für Kindesunterhalt?

Der Kindesunterhalt richtet sich regelmäßig nach der Düsseldorfer Tabelle. Eine Abänderung setzt daher voraus, dass das Einkommen soweit gesunken ist, um eine Einordnung in einer niedrigeren Einkommensgruppe zu begründen. Für die Darstellung der verminderten Leistungsfähigkeit und die rückwirkende Abänderung gelten die gleichen Grundsätze wie für den Ehegattenunterhalt. Allerdings ist der Mindestunterhalt grundsätzlich immer zu leisten. Dies kann bedeuten, dass der Unterhaltspflichtige auch bei stark gesunkenen Einkünften auf Vermögen zurückgreifen muss. Die Zumutbarkeit des Vermögenseinsatzes ist jedoch konkret zu ermitteln.

4. Was muss ich bei mehreren Unterhaltspflichten beachten?   

Reicht das Einkommen nicht mehr aus, um alle Unterhaltspflichten vollständig zu erfüllen, kann im Rahmen einer sogenannten Mangelfallberechnung eine Quote gebildet werden. Dazu ist eine vollständige Neuberechnung aller Unterhaltsansprüche anhand der aktuellen Voraussetzungen notwendig. Im Einzelfall kann es auch darauf ankommen, dass der betreuende Elternteil eigenes Einkommen erzielt, das ihn in die Lage versetzt, einen größeren Teil des Barunterhalts zu übernehmen. Auch dies ist in die Berechnung einzubeziehen und gegebenenfalls das Einkommen zu erfragen.

5. Meine Unterhaltsverpflichtung ist durch eine Jugendamtsurkunde, einen gerichtlichen Beschluss oder einen gerichtlichen Vergleich festgeschrieben. Muss ich befürchten, dass der Unterhaltsberechtigte die Zwangsvollstreckung betreibt, wenn ich nicht mehr zahlen kann?

Grundsätzlich besteht diese Gefahr. Scheitert eine – insbesondere in der jetzigen Situation unbedingt anzustrebende – außergerichtliche Vereinbarung, muss ein Abänderungsantrag zusammen mit einem Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung an das zuständige Gericht gestellt werden. Nachdem derzeit alle gerichtsbezogenen Verfahren, also auch Vollstreckungsmaßnahmen, verlangsamt bearbeitet werden, dürfte eine rechtzeitige Antragstellung zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen ausreichen. Auch hier ist jedoch eine beschleunigte Bearbeitung dringend geboten.

6. Mir stehen Unterhaltszahlungen zu, der Unterhaltspflichtige hat seine Zahlungen jedoch eingestellt. Was soll ich tun?

Für Ehegattenunterhalt bleibt lediglich ein Antrag auf Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Dabei sollte vorab geklärt werden, ob der Schuldner noch Arbeitseinkommen oder sonstige Leistungen, z. B. Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld bezieht, um die Forderungspfändung richtig zu adressieren. Möglich ist auch eine Pfändung von Bankguthaben, soweit solches noch vorhanden ist. Die Pfändung von sonstigen Vermögensgegenständen, etwa durch Eintragung einer Zwangshypothek an einer Immobilie wird nicht zu einer kurzfristigen Befriedigung führen. Insbesondere wenn eine Insolvenz des Unterhaltsschuldners drohen könnte, sollten aber Vollstreckungsmaßnahmen unverzüglich auf den Weg gebracht werden, auch wenn mit längeren Bearbeitungszeiten gerechnet werden muss.

Ist der Lebensbedarf aktuell nicht zu decken, kommt ein Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht. Bei Antragstellung sollte aufgrund der stattfindenden Überleitung in jedem Fall der bestehende Unterhaltstitel vorgelegt werden.

7. Habe ich zusätzliche Möglichkeiten, wenn Kindesunterhalt nicht bezahlt wird?

Erhält der betreuende Elternteil keinen Kindesunterhalt mehr, kann der bei der Unterhaltsvorschusskasse Leistungen nach dem UVG beantragen. Auf sein eigenes Einkommen kommt es dabei nicht an. Der geleistete Zahlbetrag liegt jedoch etwas unter den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Insoweit erfolgt einen Anspruchsübergang auf den Leistungsträger, der dann bis zu dem von dort bezahlten Betrag den Unterhaltsschuldner in Anspruch nimmt, z. B. Vollstreckungsmaßnahmen einleitet. Der Differenzbetrag zum tatsächlich geschuldeten Kindesunterhalt kann weiterhin vom Berechtigten geltend gemacht werden. UVG-Leistungen können erst ab Antragstellung gewährt werden. Diese sollte daher unverzüglich mit Ausbleiben der Unterhaltszahlungen erfolgen.

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Bleiben Sie gesund!


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