Filesharing - haften Kinder?

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Immer wieder stellt sich nach Filesharing-Abmahnungen heraus, dass nicht der Anschlussinhaber für das Filesharing verantwortlich ist, sondern sein minderjähriges Kind. Wenn die Eltern dem Kind die Teilnahme an Tauschbörsen verboten haben, haften sie nicht auf Schadensersatz; dies hatten wir hier erläutert.

Haftung des minderjährigen Kindes

In solchen Situationen ist es denkbar, dass das Kind selbst für das Filesharing haftet und Schadensersatz leisten muss. Wann aber haften Kinder?

Ein Kind, das noch nicht sieben Jahre alt ist, ist für einen Schaden, den es anrichtet, nicht verantwortlich (§ 828 Abs. 1 BGB). Bei Filesharing- Verfahren kommt es darauf aber kaum an, weil ein so junge Kinder normalerweise nicht an Tauschbörsen teilnehmen. Uns sind solche Fälle jedenfalls nicht bekannt.

Ältere Kinder

Anders liegt die Sache, wenn ein Kind mindestens sieben Jahre alt ist. Kinder zwischen 7 und 18 Jahren sind nämlich „eingeschränkt deliktsfähig“. Das bedeutet, dass sie für Schäden haften, wenn sie die notwendige Einsichtsfähigkeit haben (§ 828 Abs. 3 BGB). Das Kind muss also in der Lage sein, das Gefährliche seines Handelns zu erkennen und sich der Folgen seines Tuns bewusst zu sein (BGH, Urt. v. 30.11.2004, Az. VI ZR 335/03). Es beim Filesharing also wissen, dass es verboten ist und hohe Schäden nach sich ziehen kann.

Einsichtsfähigkeit

Die Einsichtsfähigkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Alter und der geistigen Entwicklung des Kindes. Je jünger ein Kind ist, desto eher wird ihm die Einsichtsfähigkeit fehlen. Es wird erwartet, dass ältere Kinder eher die Konsequenzen ihres Handelns verstehen können und eher in der Lage sind, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Das gilt auch in Filesharing-Fällen. Aber leider wird gesetzlich vermutet, dass bereits Siebenjährige auch hier über die notwendige Einsichtsfähigkeit verfügen. Das Kind muss beweisen, dass es die Einsichtsfähigkeit nicht hatte; es muss darlegen und ggf. beweisen, dass es nicht wusste, dass Filesharing von geschützten Werken verboten ist, wie Tauschbörsen funktionieren und welche Schäden Filesharing nach sich ziehen kann.

Ab wann hat ein Kind die Einsichtsfähigkeit wegen Filesharing?

Die Einsichtsfähigkeit von Kindern ist jedoch individuell unterschiedlich. Einige Kinder können früh eine hohe Einsichtsfähigkeit entwickeln, während andere möglicherweise erst später in der Lage sind, die Folgen ihres Handelns zu verstehen. Soweit ersichtlich gehen die Gerichte aber davon aus, dass jedenfalls ein fast 13jähriges Kind zum Thema Filesharing einsichtsfähig ist. 

Das LG Bielefeld (Urt. v. 04.03.2015, Az. 4 O 211/14) hat entschieden, dass davon ausgegangen werden müsse,

„dass auch ein 12 bzw. fast schon 13-jähriger Gymnasiast bereits in der Lage ist, die Gefährlichkeit von Internettauschbörsen zu erkennen, auf denen verschiedene Software zum Up- und Download angeboten wird.“

Der Junge habe zugegeben, dass er vor jeder Computernutzung von seinen Eltern belehrt worden sei, den Computer nur für seine Schulaufgaben zu nutzen; das habe er aber nicht gemacht. Er habe auch gewusst, wie Filesharing grundsätzlich funktioniert.

Das sah das OLG Hamm genauso und wies die Berufung mit Urteil vom 28.01.2016 (Az. I-4 U 75/15) zurück. Es sei

„nicht ersichtlich, dass der Beklagte diese unmissverständlichen und strikten Anweisungen intellektuell nicht verstanden hat und hierdurch nicht in die Lage versetzt worden ist, das Gefährliche des hier streitgegenständlichen Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein.“

Ähnlich hat das AG Charlottenburg im Falle eines Fünfzehnjährigen entschieden (Urt. v. 19.11.2019, Az. 203 C 438/17).

Wenn also ein fast Dreizehnjähriger verständlich belehrt wird und ihm die Teilnahme an Tauschbörsen untersagt wird, verfügt er über die nötige Einsichtsfähigkeit und muss für das Filesharing einstehen. Das kann zu erheblichen Forderungen führen, mit denen das Kind dann irgendwann ins Berufsleben startet.

Nur bei jüngeren Kindern nehmen das AG Koblenz (Urt. v. 19.02.2015, Az. 164 C 1485/14) und das LG Frankfurt (Urt. v. 28.10.2020, Az. 2-03 O 15/19) keine Einsichtsfähigkeit zum Filesharing an: Auch bei einem überdurchschnittlich intelligenten Elfjährigen fehle

„regelmäßig noch das Verständnis für die Rechtswidrigkeit des ‚Downloadens‘ eines Computerspiels im Internet“.

Das LG Frankfurt vertritt auch die Auffassung, dass bei diesem Kind die Einsichtsfähigkeit auch nicht durch eine gute Belehrung und ein Filesharing-Verbot hergestellt wird.

Filesharing-Belehrung durch die Eltern - ein Dilemma

Wir hatten erläutert, dass Eltern für das Filesharing ihrer Kinder nicht haften, wenn sie den Kindern die Teilnahme an einer Tauschbörse ausdrücklich verbieten. Das birgt für die ganze Familie ein Problem:

Wenn das Kind richtig belehrt wurde und die Belehrung verstanden hat, wird es die nötige Einsichtsfähigkeit haben und deshalb Schadensersatz leisten müssen. Hat es die Einsichtsfähigkeit nicht, kann die Belehrung nicht gut genug gewesen sein, und dann haften wieder die Eltern. Anders sieht das nur das LG Frankfurt.

Letztlich haftet also entweder das Kind oder die Eltern. Für die Familienkasse ist das gleich, denn es gilt das Prinzip "linke Tasche - rechte Tasche. Irgendjemand aus der Familie muss den Schaden ersetzen. In derartigen Filesharing-Fällen ist es deshalb nicht ratsam, zu schnell auf die Täterschaft des minderjährigen Kindes zu verweisen, selbst wenn die Täterschaft bekannt ist und das Kind belehrt wurde. Dr. Wachs Rechtsanwälte haben dies bei der Beratung im Blick und beachten immer die wirtschaftliche Belastung für die gesamte Familie und nicht nur für das Kind. Ein Vergleich kann in solchen Fällen ratsam sein, auch wenn das Kind nicht haftet.

Zusammenfassung: Kinder haften nicht immer für Filesharing

  • Bei Filesharing-Angelegenheiten muss berücksichtigt werden, ob das betreffende Kind die erforderliche Einsichtsfähigkeit hatte, um die rechtlichen Konsequenzen seines Handelns zu verstehen.
  • Die Gerichte nehmen sie bei elfjährigen Kindern noch nicht an, bei fast Dreizehnjährigen dagegen schon.
  • Wenn die Einsichtsfähigkeit fehlt, muss beim Filesharing von einer Verletzung der Aufsichtspflichten durch unzureichende Belehrung der Eltern ausgegangen werden.

Für weitere Auskünfte stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.  Die Kanzlei Dr. Wachs Rechtsanwälte bietet allen Betroffenen einer Filesharing-Abmahnung eine kostenlose Erstberatung an und

  • ist seit nunmehr 15 Jahren aktiv
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