Für den Mutterschutz ist nicht zwingend eine Schwangerschaft zum Kündigungszeitpunkt erforderlich

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Es erscheint zunächst kurios, wenn ein Gericht im Ergebnis feststellt, dass eine Arbeitnehmerin sich auf den Kündigungsschutz aus dem Mutterschutzgesetz berufen kann, obwohl sie zum Kündigungszeitpunkt – möglicherweise – noch gar nicht schwanger ist. In seinem Urteil vom 24.11.2022 (AZ: 2 AZR 11/22) hatte das Bundesarbeitsgericht in einem solchen Zusammenhang über die Dauer des Kündigungsverbotes gemäß § 17 Abs. 1 MuSchG zu entscheiden.


Die Parteien verband ein seit dem 15.10.2020 bestehendes Arbeitsverhältnis, welches der Arbeitgeber mit Zugang eines Schreibens an 06.11.2020 ordentlich zu kündigen beabsichtigte. Im Kündigungsschutzverfahren legte die Arbeitnehmerin mehrere ärztliche Bescheinigungen vor, wonach sie jedenfalls seit dem 26.11.2020 schwanger gewesen sei und die Ärzte den Geburtstermin auf den 05.08.2021 prognostiziert hatten. Sie trug zudem vor, dass sie bereits bei Zugang der Kündigung schwanger gewesen sei, wenngleich sie erst ab dem 26.11.2020 sichere Kenntnis davon gehabt habe. Dass sie den Arbeitgeber nicht bereits vor dem 26.11.2020 von ihrer Schwangerschaft informiert habe, könne ihr daher nicht vorgeworfen werden.


Der Arbeitgeber bestritt, dass die Arbeitnehmerin bei Zugang der Kündigung bereits schwanger war. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so hätte die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber jedenfalls nicht unverzüglich informiert. Die Kündigung sei daher wirksam.


Das Arbeitsgericht sowie das Landesarbeitsgericht hielten die Kündigung für wirksam. Das Landesarbeitsgericht führte insbesondere aus, dass eine durchschnittliche Schwangerschaft lediglich 266 Tage dauere. Daher habe, wenn der Geburtstermin auf den 05.08.2021 festgesetzt sei, im Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 06.11.2020 keine Schwangerschaft vorgelegen.


Das Bundesarbeitsgericht hingegen hob die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurück. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sei insbesondere unter Beachtung des Unionsrechts davon auszugehen, dass die Mutterschutzfrist 280 Tage dauere. Dies sei die äußere zeitliche Grenze einer Schwangerschaft.

Zwar würden insoweit auch Tage einbezogen, in welcher eine Schwangerschaft eher unwahrscheinlich ist. Es komme jedoch nicht auf den tatsächlichen naturwissenschaftlichen Beginn der Schwangerschaft an, sondern es gehe um eine Berechnungsmethode für die Bestimmung des Kündigungsverbotes, dem prognostische Elemente innewohnten und welche sich am verfassungsrechtlich gebotenen Schutzauftrag zu orientieren hätte. Das Kündigungsverbot im vorliegenden Fall habe damit bereits am 29.10.2020 begonnen.

Das Landesarbeitsgericht habe nun unter anderem weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob und inwieweit die Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft gegenüber dem Arbeitgeber rechtzeitig bzw. nicht rechtzeitig aber unverschuldet anzeigte.


Für Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen bedeutet dies, dass die Zulässigkeit einer Kündigung im Vorfeld einer Schwangerschaft präzise - also mit taggenauer Berechnung ausgehend von dem prognostizierten Geburtstermin - zu prüfen ist. Für den Arbeitgeber birgt dies Risiken, für die schwangere Arbeitnehmerin hingegen Chancen, sich gegen die Kündigung zu wehren.


Rechtsanwalt Torsten Geißler


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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