"Gelber Zettel" und die Grenzen seiner Aussagekraft im Streitfall

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Jeder weiß, dass man beim Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – den (bisherigen) gelben Zettel – vorzulegen hat, um während des krankheitsbedingten Ausfalls die bisherige Vergütung in Form der sogenannten Entgeltfortzahlung (früher Lohnfortzahlung) zu bekommen.

Zahlt der Arbeitgeber trotzdem nicht, kann man ihn mit Hinweis auf die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Zahlung der Entgeltfortzahlung verklagen und hat gute Chancen. Nach absolut einhelliger Rechtsprechung kommt der ärztlich ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nämlich ein hoher Beweiswert zu und zwar dafür, dass der betreffende Mitarbeiter im Zeitraum, der sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergibt, tatsächlich arbeitsunfähig krank war. 

Der Arbeitgeber muss dann diesen Beweiswert erschüttern, indem er Umstände vorträgt, die diesen hohen Beweiswert erschüttern, worauf es wieder Sache des Mitarbeiters ist, seine Arbeitsunfähigkeit auf anderem Wege zu beweisen.

So wäre eine Mount Everest–Besteigung während eines krankheitsbedingten Ausfalls wegen angeblichen Bandscheibenvorfalls kontraproduktiv und damit ein Umstand, der den Beweiswert erschüttern könnte. 

In der Praxis sind solche eindeutigen Fälle aber natürlich sehr selten.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einer Entscheidung vom 8.9.2021 die Gefechtslage um einen weiteren Aspekt bereichert.

Eine Mitarbeiterin kündigte ihr Arbeitsverhältnis auf ein bestimmtes Datum und legte zeitgleich eine genau auf den Tag der Eigenkündigung ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, deren Laufzeit wiederum genau der Kündigungsfrist entsprach, also Arbeitsverhältnis und Arbeitsunfähigkeit am selben Tag enden sollten.

Der Arbeitgeber bezweifelte die Arbeitsunfähigkeit und verweigerte die Entgeltfortzahlung, wogegen die Mitarbeiterin vor Gericht zog und in den Vorinstanzen gewandt, beim Bundesarbeitsgericht aber unterlag. 

Das Bundesarbeitsgericht rieb sich bereits an der Laufzeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Wir zitieren wörtlich aus der Pressemitteilung:„ … Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. 

Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8. Februar zum 22. Februar 2019 und der am 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen. Die Klage war daher abzuweisen. …“.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8..9.2021 – 5 AZR 149/21 –


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