„Glei foid da Wadschnbam um“ („Gleich gibt es ein paar Ohrfeigen“): Vorwurf Körperverletzung auf dem Oktoberfest

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Das Oktoberfest, im Volksmund eher als „Wiesn“ bekannt, ist das größte Volksfest der Welt und findet jedes Jahr im September in München statt. Die Besucheranzahl des insgesamt 16 Tage lang andauernden Festes beläuft sich dabei auf etwa 6 Millionen Besucher:innen. 2023 wurde dieser Besucherrekord mit einer Zahl von 7,2 Millionen Besucher:innen gebrochen. Großer Beliebtheit bei den Besucher:innen erfreuen sich insbesondere die Festzelte, in denen Bier in großen Mengen getrunken ist. Was auf der einen Seite für eine fröhliche Feierlaune sorgt, hat die Kehrseite, dass einige Personen alkoholbedingt enthemmt und aggressiv werden. Aus diesem Grund sind die Wiesn nicht nur für fröhlich feiernde Menschen im Dirndl bekannt, sondern auch für zahlreich begangene Körperverletzungsdelikte. Doch was ist zu erwarten, wenn man mit dem Maßkrug zuschlägt oder in eine Schlägerei auf dem Oktoberfest verwickelt wird?  


Polizeiliche Kriminalstatistik zur Körperverletzung auf der Wiesn

Regelmäßig muss die Polizei auf den Wiesn einschreiten. 2023 betrug die Anzahl der Polizeieinsätze insgesamt 1.854, wobei Körperverletzungen einer der häufigsten Gründe dafür waren. So wurden 2023 insgesamt 268 Körperverletzungsdelikte zur Anzeige gebracht. Das entspricht in etwa dem Wert in den vergangenen Jahren. Auch müssen jährlich tausende Personen auf dem Oktoberfest ärztlich behandelt werden. So lag die Zahl der Verletzten 2019 bei insgesamt 6.500 Personen. 


Wann droht der Vorwurf der Körperverletzung auf dem Oktoberfest?

Schnell kann sich ein:e Besucher:in wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar machen. Dazu reicht schon eine Backpfeife oder ein heftiger Schubser zu Boden. Denn Voraussetzung für die Strafbarkeit wegen einer Körperverletzung ist zunächst die körperliche Misshandlung und/oder die Gesundheitsschädigung einer anderen Person. 


Körperliche Misshandlung 

Körperliche Misshandlung bedeutet jede üble und unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt. Darunter können beispielsweise fallen:

  • Ohrfeige
  • das Festhalten einer Person im „Schwitzkasten“, sodass diese Nackenschmerzen davonträgt
  • Schmerz infolge eines heftigen Stoßes zu Boden.

Zu beachten ist allerdings, dass das Empfinden von Schmerz lediglich ein Indiz für eine körperliche Misshandlung ist. Voraussetzung ist dies nicht.


Gesundheitsschädigung

Eine Gesundheitsschädigung liegt hingegen vor, wenn ein pathologischer Gesundheitszustand entweder hervorgerufen oder gesteigert wird. Es reicht aus, wenn der verschlechterte Gesundheitszustand nur vorübergehend ist. Typische Fälle für eine Gesundheitsschädigung im Sinne der Körperverletzung können sein:

  • Verabreichen von bewusstseinstrübenden Mitteln und Betäubungsmitteln.
  • Brechen der Nase durch einen Faustschlag


Wie hoch ist die Strafe für Körperverletzung?

Die (einfache) Körperverletzung nach § 223 StGB wird grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Wird jede Körperverletzung strafrechtlich verfolgt?

Im Falle der einfachen Körperverletzung muss man nicht immer direkt mit einer Anklage rechnen. So wird diese gemäß § 230 StGB nur auf Antrag des Verletzten verfolgt oder wenn die Staatsanwaltschaft in diesem bestimmten Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Wenn also die verletzte Person keinen Strafantrag gegen den Täter gestellt hat, so kann es sein, dass die Staatsanwaltschaft im Einzelfall auch kein besonderes öffentliches Interesse annimmt und deshalb gar keine Anklage gegen den Täter erhoben wird. 


Wann besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung einer einfachen Körperverletzung?

Ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung kann zum Beispiel vorliegen, wenn 

  • der Beschuldigte einschlägig vorbestraft ist, roh oder besonders leichtfertig oder aus rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat, 
  • durch die Tat eine erhebliche Verletzung verursacht wurde oder
  • dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Beschuldigten nicht zugemutet werden kann, Strafantrag zu stellen, 
  • und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.

Zwar spricht der Öffentlichkeitsbezug des Oktoberfests für ein besonderes öffentliches Interesse. Dennoch können Umstände wie etwa eine unbedachte Ohrfeige ohne nennenswert vorwerfbare Motive wie etwa Rassismus sowie fehlende Vorstrafen gegen ein solches öffentliches Interesse sprechen.

Wie es sich in Ihrem konkreten Fall verhält, kann Ihr Anwalt für Strafrecht aus München für Sie prüfen.


Wann macht man sich wegen gefährlicher Körperverletzung auf dem Oktoberfest strafbar?

Bei der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB sieht dies hingegen anders aus. Wird eine solche begangen, so kann bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts Anklage gegen den Täter erhoben oder ein Strafbefehl erlassen werden – die Strafverfolgung hängt also nicht von einem etwaigen Strafantrag des Verletzten ab

Die gefährliche Körperverletzung setzt sich im Grunde aus den Elementen der einfachen Körperverletzung zusammen, das bedeutet, dass man eine andere Person vorsätzlich körperlich misshandelt und/oder an der Gesundheit geschädigt haben muss. Dabei kommt bei der gefährlichen Körperverletzung ein zusätzliches Element hinzu, das die Tat besonders verwerflich macht. Die gefährliche Körperverletzung zeichnet sich nämlich durch eine besonders gefährliche Art und Weise der Begehung der Körperverletzung aus.

Namentlich ist dies der Fall bei einer Körperverletzung … 

  • „durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
  • mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
  • mittels eines hinterlistigen Überfalls,
  • mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder 
  • mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“.

(§ 224 Abs. 1 StGB)


Vorwurf gefährliche Körperverletzung bei Schlag mit dem Maßkrug?

Besonders großer Beliebtheit erfreut sich die Tatbegehung mit dem Maßkrug als gefährliches Werkzeug. So wurde im Jahre 2023 in 29 Fällen der gefährlichen Körperverletzung dabei ein Maßkrug als Tatwaffe verwendet. Diese Art der Tatbegehung liegt deshalb nahe, weil der Täter die Maß in der Regel bereits in der Hand hält. Allerdings handelt es sich hier wohl regelmäßig um ein gefährliches Werkzeug, weil die Maß nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Denn die schwere und aus Glas bestehende Maß kann bei einem Schlag gegen den Kopf durchaus sehr schwere Verletzungen hervorrufen. Aus diesem Grund wird diese Begehungsweise regelmäßig bereits als gefährliche Körperverletzung eingeordnet.

Die Frage bleibt aber eine Frage des konkreten Einzelfalls. Ob in Ihrem konkreten Fall ein Schlag mit einem Maßkrug den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung stützen kann, prüft Ihr Anwalt für Strafrecht aus München für Sie im Rahmen der Verteidigung.


Korkenzieher als gefährliches Werkzeug? Freiheitsstrafe wegen Schlag mit Korkenzieher?

Im vergangenen Jahr prügelten zwei britische Brüder einen am Boden liegenden Besucher krankenhausreif. Dabei verwendeten sie auch einen Korkenzieher. Mit diesem schlugen sie dem Geschädigten ins Gesicht, wodurch der Geschädigte Verletzungen an der rechten Gesichtshälfte sowie an einem Auge davontrug. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, da der Korkenzieher ein gefährliches Werkzeug darstellt.


Wie hoch ist die Strafe für gefährliche Körperverletzung auf dem Oktoberfest?

Die gefährliche Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Sogenannte minder schwere Fälle können beispielsweise bei Provokationsfällen durch die geschädigte Person angenommen werden.


Vorwurf schwere Körperverletzung nach Oktoberfest

In bestimmten Fällen kann man sich auch der schweren Körperverletzung gemäß § 226 StGB strafbar machen. Dies ist der Fall, wenn die Körperverletzung zur Folge hat, „dass die verletzte Person:

  • das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, 
  • ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
  • in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt“.

(§ 226 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB)


Angriff mit dem Korkenzieher als schwere Körperverletzung?

Wäre beispielsweise das rechte Auge des Geschädigten in dem oben genannten Fall so schwer verletzt worden, dass er darauf erblindet wäre, so würde statt „nur“ einer gefährlichen Körperverletzung der Vorwurf einer schweren Körperverletzung und in der Folge eine deutlich höhere Strafe drohen.


Wie hoch ist die Strafe für schwere Körperverletzung?

Die schwere Körperverletzung wird grundsätzlich mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In bestimmten Fällen kann aber eine höhere Strafe – eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren – drohen; insbesondere, wenn es dem Beschuldigten auf die Verursachung einer solchen schweren Folge gerade ankam.

In sogenannten minder schweren Fällen, sieht das Gesetz aber für die schwere Körperverletzung eine etwas niedrigere Strafe vor.


Strafe wegen Beteiligung an einer Schlägerei auf dem Oktoberfest

Gerade Großveranstaltung mit viel Alkoholkonsum bieten Potential für die Beteiligung an einer Schlägerei. Dafür macht man sich jedoch nach § 231 StGB in besonderem Maße strafbar, wenn sich drei oder mehr Personen schlagen oder mindestens zwei Personen auf eine andere Person einen Angriff verüben und sie in der Folge ungewollt den Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung nach § 226 StGB verursachen (s.o.). Man muss den Tod oder die schwere Körperverletzung also gar nicht beabsichtigt bzw. gewollt haben, vielmehr reicht es bereits aus, wenn man durch die Schlägerei diese Folge schlicht herbeigeführt hat. Grund dafür ist das hohe Gefährdungspotenzial einer Schlägerei durch mindestens drei Personen, da diese schnell ausarten kann und das Gefährdungsrisiko weiterhin steigt.


Mitmischen reicht aus für den Vorwurf der Beteiligung an einer Schlägerei

Man kann selbst dann wegen der Beteiligung an einer Schlägerei nach § 231 StGB bestraft werden, wenn man den todbringenden Schlag o.ä. selbst gar nicht ausgeführt. Es reicht schon aus, dass man in irgendeiner Form zu irgendeiner Zeit an der Schlägerei beteiligt war. Das gilt beispielsweise selbst dann, wenn die schwere Folge bereits eingetreten ist und man anschließend erst dazugekommen ist und mitgemischt hat oder aber die Schlägerei bereits verlassen hat und die schwere Folge erst später eingetreten ist. Grund für diese Rechtsprechung sind die ansonsten typischerweise aufkommenden Beweisschwierigkeiten, wer denn nun wann welchen Schlag ausgeführt hat, der die schwere Folge letztlich herbeigeführt hat.


Welche Strafe droht für Beteiligung an einer Schlägerei auf der Wiesn

Wegen Beteiligung an einer Schlägerei wird man mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Strafe wegen Verursachen eines Unfalls? Vorwurf Fahrlässige Körperverletzung auf dem Oktoberfest

Oftmals geschehen im Rahmen des Oktoberfests auch Unfälle usw., sodass sich der nicht vorsätzlich handelnde Täter stattdessen wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB strafbar machen kann. Dies wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

Auch der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung wird nur dann strafrechtlich verfolgt, wenn der erforderliche Strafantrag gestellt wurde oder die Ermittlungsbehörden ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejahen.


Betrunken zugeschlagen – Wirkt sich Alkoholkonsum auf die Strafhöhe aus?

Gerade weil beim Oktoberfest bekanntermaßen viel Alkohol konsumiert wird (2022 wurde auf den Wiesn insgesamt 5,6 Millionen Liter stark prozentiges „Wiesn-Bier“ ausgeschenkt), kommt bei Körperverletzungsdelikten unter Umständen eine Strafmilderung wegen verminderter Schuldfähigkeit nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in Betracht. Das bedeutet, dass die Schuldfähigkeit des Täters wegen der starken Alkoholisierung eingeschränkt sein kann. Dieser Fall der verminderten Schuldfähigkeit liegt in der Regel ab einem Wert von 2,0 Promille im Tatzeitpunkt vor, sodass die Strafe nach Ermessen des Gerichts gemildert werden kann. 

Im Fall der (vollständigen) Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB entfällt die Schuld des Täters hingegen komplett ab einem Wert von 3,0 Promille im Tatzeitpunkt. Das bedeutet, dass der Täter sich wegen Schuldunfähigkeit nicht strafbar gemacht haben konnte. Dies kann aber widerlegt werden, insbesondere wenn der Täter Alkoholiker ist und daher an große Mengen Alkohol gewöhnt ist.

Diese Strafmilderung ist jedoch mitnichten absolut oder gar zwingend. Insbesondere – aber nicht nur – wenn der Beschuldigte weiß, dass er zu Gewalttätigkeiten neigt, wenn er Alkohol getrunken hat, kann das Gericht möglicherweise von einer Strafmilderung trotz verminderter Schuldfähigkeit absehen.


Neben Geldstrafe oder Freiheitsstrafe zivilrechtliche Schadensersatzansprüche – Körperverletzung auf dem Oktoberfest 

Bei Körperverletzungsdelikten bleibt es regelmäßig nicht „nur“ beim strafrechtlichen Verfahren. Oft wird das strafrechtliche Verfahren im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens mit dem zivilrechtlichen Verfahren „verbunden“. In der Folge heißt das für den Täter, dass er bei Verurteilung wegen Körperverletzung (auf der strafrechtlichen Ebene) automatisch auch Schmerzensgeld und Schadensersatz an den Geschädigten (auf zivilrechtlicher Ebene) zahlen muss, sofern der Geschädigte einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Die Besonderheit ist also, dass das Zivilverfahren nicht getrennt, sondern im Rahmen des Strafverfahrens, durchgeführt wird.

Als Anwalt für Strafrecht und Zivilrecht aus München vertrete ich Sie auch im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens wegen Ansprüchen aus Körperverletzung.

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