Habe ich einen Anspruch auf einen Anwalt bei Insolvenzverschleppung / § 266a StGB?

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Pflichtverteidigung sichert faires Verfahren

Jeder Beschuldigte oder Angeklagte in einem Strafverfahren sollte Anspruch auf einen vom Staat bezahlten Rechtsanwalt (Strafverteidiger) haben. Nur so kann ein faires, dem Grundgesetz entsprechendes Verfahren garantiert werden. 

Grundsätzlich kein Anspruch - komplexe Regelungen

Der deutsche Gesetzgeber hat dies anders geregelt. Ein Anspruch auf Bezahlung des Verteidigers durch den Staat besteht in Deutschland nur in bestimmten Fällen. Die Voraussetzungen sind in § 140 Strafprozessordnung sehr komplex geregelt. Vereinfacht gesagt besteht dann ein Anspruch, wenn die Sache schwierig ist oder eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr droht. Die Details und weitere Ausnahmen (Kinder und Jugendliche) sind streitig. 

Anspruch bei Insolvenzverschleppung? Ja sagt das LG Regensburg!

Geschäftsführer und Unternehmer werden regelmäßig beschuldigt, Insolvenzanträge zu spät gestellt zu haben (Insolvenzverschleppung). Zudem seien Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht abgeführt worden, was nach § 266a StGB strafbar ist. Angeklagt werden diese Taten regelmäßig nur beim einfachen Strafgericht, sodass kein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht. Dies ist falsch und unverständlich, da die Tatsachen und Rechtsfragen sehr komplex ist. So entschieden hat jetzt in einer aktuellen Entscheidung das LG Regensburg als Beschwerdeinstanz (Beschluss v. 15.07.2020, Aktenzeichen 6Qs 5/20) und klargestellt: Dem Anklagten muss ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden. 

Insolvenzverschleppung ist komplex - Pflichtverteidigung erforderlich!

Die Pflichtverteidigung ist erforderlich, wenn damit zu rechnen ist, dass Vorgänge der Buchhaltung und Bilanzierung zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit zu prüfen sind. Gleiches gilt, wenn Geschäftsunterlagen zur Betriebsfortführung oder Gutachten zur Zahlungsunfähigkeit Thema im Strafprozess werden. Der nicht verteidigte Angeklagte wird Ausführungen eines Insolvenzverwalters zu den rechtlich und tatsächlich schwierigen Themen der Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens schon nicht folgen oder diesen gar entgegentreten können. 


Daher gilt: Beauftragen Sie stets einen Rechtsanwalt (Strafverteidiger) bereits im Ermittlungsverfahren und machen Sie diesen auf die Möglichkeit der Pflichtverteidigung aufmerksam.

Dr. Olaf Hiebert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht






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