Was tun bei der Verletzung rechtlichen Gehörs? – sofort handeln!

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Was tun bei der Verletzung rechtlichen Gehörs? – sofort handeln! 

Sie haben vor Gericht einen Anspruch auf rechtliches Gehör (Artikel 103 Absatz 1 GG). Sie meinen, dass Gericht lässt Ihren Vortrag unberücksichtigt oder verletzt Sie aus anderen Gründen in diesem Recht? Dann müssen Sie  sehr schnell handeln. Es gilt nicht die Monatsfrist für die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (§ 93 Absatz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Sie müssen eine Frist von nur zwei Wochen (!) beachten, die nicht verlängert werden kann (Zum Beispiel § 152 VwGO im Verwaltungsrecht, § 78a ArbGG im Arbeitsrecht oder § 321a ZPO im Zivilprozess).  Im Strafrecht beträgt die Frist sogar nur eine Woche (§ 356a StPO).

Viele meiner potenziellen Mandanten kommen leider zu spät zu mir. Nach Ablauf der Frist kann eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht mehr geltend macht werden. Auch eine Verfassungsbeschwerde ist dann endgültig unzulässig. Nicht wenige Rechtsanwälte erheben vorschnell eine dann unzulässige Verfassungsbeschwerde. Wie kann das sein? Der Grund liegt in einer besonderen Regelung.

Keine Verfassungsbeschwerde ohne Anhörungsrüge!

Die Verletzung rechtlichen Gehörs wird sehr häufig gerügt. Der Gesetzgeber hat daher zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts mit der Anhörungsrüge einen außerordentlichen Rechtsbehelf geschaffen. Die Rüge gibt es in jeder Verfahrensordnung, also im Zivilprozess genauso wie im Verwaltungs- oder Strafrecht. Die Verfassungsbeschwerde ist aber nur zulässig, wenn der ordentliche Rechtsweg voll ausgeschöpft ist. Hierzu zählt für den Fall der Verletzung rechtlichen Gehörs die Anhörungsrüge. Sie können also nicht sofort Verfassungsbeschwerde erheben, sondern müssen bei dem letztinstanzlichen Gericht Ihre Rechtsweges eine Anhörungsrüge erheben.

Extrem kurze Frist von 2 Wochen 

Das Problem der Anhörungsrüge liegt in Ihrer kurzen Frist. Sie müssen binnen zwei Wochen einen Rechtsanwalt finden, der die Anhörungsrüge prüft, erhebt und begründet. Die Frist läuft in den meisten Fällen mit der Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung (Zum Beispiel Urteil oder Beschluss). Die Frist kann nicht verlängert werden.

Sonderproblem: Parallele Verfassungsbeschwerde, ja oder nein?

Ein weiteres Sonderproblem stellt die Frage dar, ob parallel noch eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden muss. Auch aufgrund dieses höchst umstrittenen Problems, dass der Einzelfallentscheidung bedarf, lassen viele Rechtsanwälte von der Anhörungsrüge die Finger.

Wann ist das rechtliche Gehör verletzt?

Kann die kurze Frist eingehalten werden, scheitert eine Anhörungsrüge oft daran, dass keine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt. Wann eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Rechtsprechung ist hier sehr unübersichtlich.

An dieser Stelle möchte ich aber mit zwei häufigen Missverständnissen aufräumen: In einem Gerichtsprozess muss nicht zwingend mündlich verhandelt werden. Die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gewährt Ihnen rechtliches Gehör. Die meisten Prozesse werden durch schriftliche Stellungnahmen vorbereitet. Eine Ausnahme bildet das Strafrecht. Das zweite Missverständnis: Im Urteil des Gerichts müssen nicht alle Ihre Argumente aufgeführt werden. Ein Verweis auf die Schriftsätze der Parteien reicht. Hingegen ist das Recht auf rechtliches Gehör oft verletzt, wenn das Gericht Ihre Beweisanträge übergeht, Überraschungsentscheidungen trifft, es unterlässt, auf streitentscheidende Aspekte so hinzuweisen, dass die Parteien sich äußern können oder sonstige Verfahrensfehler vorliegen.

Ansonsten gilt: Wenn Sie den Eindruck haben, Sie könnten in Ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt sein, lassen Sie dies durch einen versierten Rechtsanwalt prüfen. Und vor allem: Kommen Sie bitte rechtzeitig!

Dies gilt in allen rechtlichen Belangen: Schöpfen Sie Fristen nicht aus, sondern handeln Sie sofort. Das gilt auch bei der Verfassungsbeschwerde, die innerhalb eines Monats erhoben und begründet werden muss. Dies ist sehr viel Arbeit und der Fachkräftemangel ist bei Anwälten ähnlich groß wie bei Fachärzten.

Herzliche Grüße

Ihr

 Dr. Olaf Hiebert
 Rechtsanwalt 
 Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht


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