Haftung bei einem Unfall zwischen Pkw und Pedelec

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Natürlich gibt es schon seit einiger Zeit Pedelecs im Straßenverkehr. Es gibt aber noch nicht allzu viel Rechtsprechung zur Frage der Haftungsverteilung. Also Entscheidungen zu der Frage: wer zahlt denn eigentlich nach einem Unfall den entstandenen Schaden und vielleicht auch ein Schmerzensgeld?

Tatsächlich ist es so, dass die Verkaufs- und Unfallzahlen von Pedelecs rasant ansteigen.

Interessant ist dazu ein aktuelles Urteil des Landgerichts Bonn, dessen Gegenstand eine Kollision zwischen einem Pkw und einem Pedelec 25 ist ‒ mit leider tödlichem Ausgang für den 78-jährigen Pedelec-Fahrer.

Der Fahrer des Pedelec fuhr auf einem Fahrradweg parallel zur Straße. Er versuchte vom Fahrradweg auf die Fahrbahn zu wechseln und wurde dabei vom Pkw des Klägers erfasst. Durch Zeugen und Unfallumstände war klar, dass es kein Verschulden des Pkw-Fahrers gab (auch keinen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO).

Es war also zweifelsfrei klar, dass der Pedelec-Fahrer unter Verstoß gegen die § 10, § 9 Abs. 2 S. 1 und S. 2 StVO den Unfall verursacht hatte.



Betriebsgefahr – was ist das eigentlich?

Die Betriebsgefahr ergibt sich aus § 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz).

Die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges wird durch die Gesamtheit aller Umstände definiert, die geeignet sind, Gefahr in den Verkehr zu tragen.

Dieser etwas abstrakte Satz bedeutet nichts anderes, als dass ein Kraftfahrzeug grundsätzlich eine gewisse Gefahr darstellt. Das kann man sich leicht vorstellen, wenn man sich bewusst macht, welche Flüssigkeiten sich normalerweise in einem Auto befinden. Das sind zum Beispiel Motoröl, Getriebeöl, Bremsflüssigkeit und der Kraftstoff (Benzin, Diesel), die jeweils hochgiftig für Mensch und Umwelt oder auch brennbar sind.

Stellen Sie sich beispielsweise vor, 

  • der Tank hat durch einen Materialfehler ein Leck. Kraftstoff läuft aus und entzündet sich am noch heißen Katalysator oder einen glimmenden Zigarettenkippe,
  • die Handbremse des am Hang geparkten Fahrzeugs löst sich durch einen technischen Defekt und das Fahrzeug rollt von selbst die Straße entlang.

Da gibt es keinen Fahrer/keine Fahrerin, der bzw. die etwas falsch gemacht hat und trotzdem wird durch das Fahrzeug etwas beschädigt oder vielleicht sogar ein Mensch verletzt.

Dies also ist die Betriebsgefahr, die von einem Kraftfahrzeug ausgeht



Kann von einem Pedelec eine Betriebsgefahr ausgehen?

Denn dies wäre ja die Voraussetzung, damit dieses Fahrzeug (bzw. natürlich dessen Fahrer*In/Versicherung) grundsätzlich nach dem Gesetz einen Teil des Schadens bezahlen müsste.

Dazu müssen wir uns anschauen, wo der Unterschied zwischen Pedelec und E-Bike liegt:

Da gibt es einmal die Pedelecs bis 25 km/h:

Diese Pedelecs werden juristisch wie Fahrräder behandelt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen:

  • Der Motor darf nur eine maximale Nenndauerleistung von 250 Watt haben
  • die Tret-Unterstützung muss sich progressiv mit zunehmender Geschwindigkeit verringern. Dies bedeutet, dass die Unterstützung durch den Motor abnimmt, wenn die Geschwindigkeit steigt. Wenn der Fahrer vor Erreichen von 25 km/h mit dem Treten aufhört, wird auch die Unterstützung durch den Hilfsmotor unterbrochen.
  • es darf eine Anfahr- oder Schiebehilfe bis 6 km/h haben

Wie beim Radfahren brauchen Fahrer*Innen weder Führerschein noch Prüfbescheinigung und es gibt auch kein Mindestalter.

Dieses Pedelecs brauchen kein Versicherungskennzeichen. Auch besteht keine Helmpflicht. Kommt es zu einem Unfall werden Schäden oftmals von der privaten Haftpflichtversicherung abgedeckt (sofern diese freiwillige Versicherung abgeschlossen wurde).

Gekennzeichnete Radwege müssen benutzt werden. Sonstige Radwege dürfen befahren werden.

... und auch die Pedelecs bis 45 km/h

Die bis 45 km/h schnellen Pedelecs sind Kraftfahrzeuge, für die ein eigenes Versicherungskennzeichen benötigt wird.

Fahrer*Innen müssen mindestens 16 Jahre alt sein und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM besitzen. Diese Fahrzeuge dürfen nur auf der Fahrbahn fahren, niemals auf Radwegen. Es besteht Helmpflicht, wie beim Motorradfahren.



Nun zurück zu unserem Fall:

Der 78-jährige Fahrer befuhr Radweg und Straße mit einem Pedelec bis 25 km/h. Er war damit wie ein gewöhnlicher Fahrradfahrer zu betrachten, und die Rechtslage in Bezug auf Fahrradfahrer steht eigentlich stets zugunsten des Radfahrers. D. h., dass Fahrer von Kraftfahrzeugen erhöhte Vorsicht walten lassen müssen, wenn Radfahrer (und natürlich auch Fußgänger) in Fahrbahnnähe kommen.

Deshalb war in dem Gerichtsverfahren die reine Betriebsgefahr des Pkw und das für den Unfall ursächliche Verschulden des 78-Jährigen gegeneinander abzuwägen. Bei ihm fiel eine Betriebsgefahr (§ 1 Abs. 3 StVG) nicht ins Gewicht.

Das LG Bonn gelangte in seinem Urteil zu einer Quote von 80 : 20 zugunsten des Pkw-Halters (LG Bonn 18.12.20, 1 O 334/18).

Dies bedeutet, dass das auf den Verkehr bezogen falsche Verhalten des Radfahrers überwiegende Ursache des Unfalls war und deshalb auch die wesentliche Haftung auf ihn entfiel.

Gewöhnlich bewerten Gerichte die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs in den meisten Schadensituationen auch ohne Verschulden des Kraftfahrers mit 30 %.

Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/ebike-pedelec-fahrrad-e-bike-2261979/


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