Haftung einer Pferdehalterin für ihre Schwangerschaftsvertretung - LG Koblenz, Urteil vom 25.05.2022 – 3 O 134/19 –

  • 5 Minuten Lesezeit

Schwerpunkt der Entscheidung des Landgerichtes Koblenz war die Frage, ob eine Tierhalterin haftbar gemacht werden kann, wenn ihre Schwangerschaftsvertretung von ihrem Pferd fällt und sich dabei eine Fraktur zuzieht. Ein gutes Beispiel, warum eine Tierhalter-Haftpflichtversicherung so wichtig ist!

Sachverhalt 

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Sie macht aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche der Geschädigten, welche bei ihr versichert ist, gegen die Beklagte geltend, nachdem die Geschädigte am 04.12.2017 vom Pferd der Beklagten gefallen ist.

Die Geschädigte und die Beklagte sind jeweils Tierhalter eigener Pferde im gleichen Stall. Die Geschädigte ist seit vielen Jahren Reiterin und ritt vor dem Unfall in der Regel dreimal in der Woche. Die Geschädigte ritt das Pferd der Beklagten. Hierbei handelte es sich um ein zum Unfallzeitpunkt dreijähriges Pferd, welches seit August 2017 im Besitz der Beklagten war. 

Am 04.12.2017 kam es sodann zum Sturz der Geschädigten. Hierbei zog sie sich eine distale rechtsseitige Radiusschaftfraktur zu, sodass sie mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus transportiert werden musste und sodann ein 9-tägigen Krankenhausaufenthalt folgte. Hierbei seien Kosten für Maßnahmen und Behandlungen in Höhe von 5.175,29 Euro entstanden. 

In der Folge lehnte der Haftpflichtversicherer der Beklagten eine Kostentragung ab. 

Die Klägerin trug vor, dass die Beklagte die Geschädigte darum gebeten habe, das Tier für sie zu reiten. Vor dem Unfall sei die Geschädigte das Tier ca. drei Mal geritten. Hierbei sei das Tier friedlich gewesen. Sodann sei die Geschädigte am 04.12.2017 mit ihrer Tochter ausgeritten. Bei der Hilfegebung zum Antraben habe das Tier plötzlich und unvermittelt angefangen zu bocken, sodass es zum Sturz kam. 

Die Beklagte trug demgegenüber vor, dass sie das Tier aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht habe reiten können, sodass sie die Geschädigte und deren Tochter gefragt habe, ob die Tochter – nicht jedoch die Geschädigte – ihr Pferd reiten könne. Die Haftung sei infolgedessen bereits aufgrund eines Handelns auf eigene Gefahr ausgeschlossen.


Entscheidung des Landgerichts Koblenz 

Das Landgericht Koblenz entschied, dass der Klägerin ein Anspruch aus übergegangenen Recht der bei ihr versicherten Geschädigten, ein Anspruch auf Zahlung von 5.175,29 Euro gemäß § 833 Abs. 1 BGB zusteht. Das Landgericht konstatiert – der ständigen Rechtsprechung des BGH folgend – dass die Gefährdungshaftung des Tierhalters aus § 833 BGB in der Regel auch dem Reiter des Pferdes zugute kommt. 

Beim Ausritt mit dem Tier hat sich durch das Bocken und dem hierauf folgenden Sturz der Geschädigten sodann auch die spezifische Tiergefahr realisiert. 

Als die Geschädigte das Tier zum Antraben bringen wollte, hat das Pferd nicht wie gewünscht mit der Erhöhung seines Tempos reagiert, sondern explodierte und buckelte mehrfach. Zugleich nahm das Tier den Kopf zwischen die Beine, sodass der Geschädigten die Zügel aus der Hand gerissen wurden und sie letztlich vom Tier fiel. 

Das Landgericht Koblenz verneinte sodann eine Haftungsfreistellung. Selbst wenn eine gefälligkeitshalbe Überlassung des Tieres vorgelegen hätte, ist ein Haftungsausschluss nicht gegeben. 

Zwar seien vertragliche Ansprüche bei Vorliegen einer Gefälligkeit ausgeschlossen, so sei dies bei deliktischen Ansprüchen nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht der Fall. Dies gelte auch dann, wenn eine Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB in Betracht kommt. 

Sodann verneinte das Landgericht Koblenz einen Haftungsausschluss aufgrund des Handelns auf eigener Gefahr, § 242 BGB. Auch wenn sich der Geschädigte bewusst und freiwillig der normalen Tiergefahr aussetzt, ist hierdurch in der Regel eine Haftung § 833 S.1 BGB nicht ausgeschlossen. Dies gelte unabhängig davon, ob dem Geschädigten das Tier vom Halter zur Nutzung überlassen worden sei oder nicht.

Ein Handeln auf eigene Gefahr komme demgegenüber insbesondere dann in Betracht, wenn der Geschädigte bewusst ungewöhnliche und hohe Risiken eingehe – z.B. wenn das Pferd vor dem späteren Geschädigten, einem Reiter, sichtbar mehrfach bockt und auf Kommandos nicht hört und der Reiter vom Halter gesagt bekommt, dass das Tier derzeit nicht reitbar ist. 

Das Landgericht kam sodann zu dem Ergebnis, dass die Geschädigte keine Risiken übernommen hat, welche über die gewöhnlichen mit einem Tier dieser Art und seiner üblichen Nutzung verbundenen Gefahr hinausgeht. Insbesondere hat die Geschädigte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Pferd nicht eigenmächtig genutzt. Durch die vorherige Nutzung hat die Geschädigte das Tier auch kennengelernt. Insbesondere war das Tier auch eingeritten. Einen Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII kommt nicht in Betracht.


Fazit

Insgesamt verdient die Entscheidung des Landgerichtes umfängliche Zustimmung. Soweit man infolge einer Schwangerschaft nicht dazu in der Lage ist, das eigene Tier zu bewegen, ist man auch dazu verpflichtet, die (grundsätzliche) Haftung zu übernehmen, wenn man möchte, dass ein anderer Reiter in der Zeit das Pferd reitet. Insofern kann es keinen Unterschied machen, ob eine Reitbeteiligung (gegen Zahlung eines Geldbetrages) oder eine bloße (entgeltlose) „Vertretung“ der Halterin ist. 

Die Entscheidung des Landgerichts Koblenz zeigt einmal mehr, wie wichtig es als Tierhalter ist, eine entsprechende Tierhalter-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Dies gilt einmal mehr, wenn man nicht dazu in Lage ist – aufgrund von Schwangerschaft – sich selbstständig um sein Tier zu kümmern und Dritte hierfür hinzuzieht. 

Um Haftungs- und Beweisschwierigkeiten zu begegnen, bietet es sich an, auch bei nur vorübergehender Vertretung vertraglich festzuhalten, wer dazu befugt ist, das Tier zu pflegen / reiten und in welchem Umfang, also ob beispielsweise auch die Bewegung des Pferdes im Gelände erlaubt sein soll. An dieser Stelle sei daraufhin hingewiesen, dass auch (pauschale) Haftungsausschlüsse nicht grundsätzlich zwingend Geltung erlangen, sondern auch die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen in der Rechtsprechung und Literatur umstritten sind. 

Soweit es zum Haftungsfall kommt, ist zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit besteht, den Haftenden nicht nur für Heilbehandlungskosten in Anspruch zu nehmen, sondern auch Fahrkosten zum Arzt, § 249 Abs. 1 BGB (BGH NJW 2010,930), Haushaltsführungsschäden §§ 249, 843 Abs. 1 BGB (Almeroth NJW 2023, 195; BGH VersR 2002, 188; OLG Nürnberg NJW-RR 2016, 593) geltend zu machen sowie ein angemessenes Schmerzensgeld zu verlangen. 

Daneben besteht die Möglichkeit, dass festgestellt wird, dass der Haftende dazu verpflichtet wird, dem Geschädigten alle noch künftig entstehenden – zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststehenden und noch nicht abschließend absehenden – materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis zu ersetzen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Jana Christina Hartmann

Beiträge zum Thema