Statt Hartz IV nun Bürgergeld – Wichtige Neuregelungen beim Bürgergeld

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Lange wurde darum gerungen und gestritten, seit dem 01. Januar 2023 hat das Bürgergeld das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld abgelöstEine der wichtigsten Änderung ist wohl die Erhöhung der Regelbedarfe. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Grundlagen und wichtigsten Neuerungen bezüglich des Bürgergelds.


Grundsätzlich dient die Grundsicherung der Sicherung des Lebensunterhaltes von Arbeitssuchenden. Im Hinblick auf die Implementierung des Bürgergeldes stand vor allem die Berücksichtigung der Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie der individuellen Lebensumstände der Bezugsberechtigten im Vordergrund.


Voraussetzungen für das Bürgergeld

Zu beachten ist, dass es sich beim Bürgergeld nicht um ein bedingungsloses Bürgergeld oder ein bedingungsloses Grundeinkommen handelt; viel mehr muss grundsätzlich eine Erwerbsfähigkeit und eine Hilfsbedürftigkeit bei dem Anspruchssteller vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Arbeitslosigkeit vorliegt oder aber ein so geringer Lohn erwirtschaftet wird, dass der gesamte Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaftet werden kann. 

Grundsätzlich ist eine Person dann „hilfebedürftig“, wenn das Einkommen unter dem Existenzminimum liegt und in der Folge der Lebensunterhalt nicht bestritten werden kann. 

„Erwerbsfähig“ inkludiert, dass weder eine Krankheit noch eine Behinderung den Betroffenen daran hindert, einer vergüteten Beschäftigung nachzugehen. Daneben müssen anspruchsberechtigte Personen das 15. Lebensjahr vollendet haben, die Altersgrenze für die Rente noch nicht erreicht haben, § 7a SGB II, und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, § 7 Abs. 1 SGB II.

Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, welche mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigte in einer Bedarfsgemeinschaft leben, § 7 Abs. 2 SGB II, erhalten nun anstelle des Sozialgeldes ebenfalls Bürgergeld, § 19 Abs. 2 SGB II.

Das Bürgergeld kann beim zuständigen Jobcenter, d.h. in der Regel das Jobcenter am Wohnort, beantragt werden.


Einkommen und Vermögen

Nur hilfebedürftige Personen sind berechtigt, Bürgergeld zu erhalten. Mithin ist es erforderlich, dass zunächst die eigenen Mittel verbraucht werden, bevor eine Leistungsbeziehung in Betracht kommt.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Freibeträge, die nicht verbraucht werden müssen, bevor eine Beziehung in Betracht kommt, erhöht wurden, § 11b Abs. 3 SGB II. § 11b SGB regelt die Absetzbeträge. So wurde der Absetzbetrag für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, welcher zwischen 520 Euro und 1.000 Euro liegt, von 20 Prozent auf 30 Prozent des erzielten Erwerbseinkommens erhöht.

Weiterhin wird das Mutterschaftsgeld nunmehr freigestellt, § 11a Abs. 1 Nr. 6 SGB II.

Erbschaften werden künftig nicht mehr als Einkommen klassifiziert, sondern ab dem Folgemonat als Vermögen, § 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II. In der Folge bleiben (kleinere) Erbschaften dem Bürger künftig (ohne grundsätzliche Anrechnung) erhalten; hierbei sind jedoch die Vermögensfreibeträge zu beachten.

Nicht als Einkommen sind gemäß § 11a Abs. 1 Nr. 5 SGB II daneben Aufwandsentschädigungen und Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten anzusehen, insoweit wird auf § 3 Nr. 26 EStG rekurriert, soweit ein kalenderjährlicher Betrag von 3.000 Euro nicht überschritten wird.

Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind daneben Einnahmen von Schülerinnen und Schülern der allgemein- oder berufsbildenden Schule, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit es sich um Erwerbstätigkeiten handelt, die während der Schulferien ausgeübt werden („Ferienjob“). Bislang gab es hierfür nach § 1 Alg II-Verordnung eine Höchstgrenze [vgl. Groth/Güssow, NJW 2023, 184 (185)].

Weitgehende Änderungen gab es auch im Bereich des Vermögens. Zum Vermögen gehören zunächst einmal Bargeld, Sparguthaben, Wertpapiere, vermögenswertige Sachen wie Kfz oder Schmuckstücke, Kapitallebensversicherungen sowie Haus- und Grundeigentum und Eigentumswohnungen, vgl. § 12 SGB II. Berücksichtigt wird insoweit sogenanntes „verwertbares“ Vermögen, d.h. Vermögen, welches für den Lebensunterhalt verwertet werden kann. Implementiert wurde eine sogenannte „Karenzzeit“ für das Vermögen von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach dem SGB II bezogen werden, § 12 Abs. 3 SGB II. Innerhalb dieser Karenzzeit wird das Vermögen lediglich berücksichtigt, soweit es erheblich ist. Wann ein Vermögen erheblich ist, regelt § 12 Abs. 4 SGB II. Das Vermögen ist damit grundsätzlich erheblich, wenn es in der Summe 40.000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15.000 Euro für jede weitere mit in dieser Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt. Wesentlich ist auch, dass bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ein selbst genutztes Hausgrundstück – ebenso eine selbst genutzte Eigentumswohnung – nicht zu berücksichtigen ist, § 12 Abs. 4 SGB II; wobei bei der Größe Grenzen gesetzt werden. Grundsätzlich wird zudem vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn der Antragssteller dies im Antrag erklärt. Heizkosten werden lediglich in einem angemessenen Umfang gewährt.

Eine neue Karenzzeit beginnt, soweit der Leistungsbezug mindestens drei Jahre unterbrochen gewesen ist.


Kooperationsplan

Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wurde durch einen von der Leistungsberechtigten und seiner Integrationsfachkraft zu erarbeitenden Kooperationsplan abgelöst. Dieser beinhaltet die gemeinsam entwickelte Eingliederungsstrategie. Der Kooperationsplan beinhaltet im Vergleich zur Eingliederungsvereinbarung weniger Rechtsfolgen. Der Kooperationsplan beinhaltet Mitwirkungspflichten; die Absprachen können überprüft werden.


Abschaffung des Vermittlungsvorranges

Der Vermittlungsvorrang wurde abgeschafft. Mithin wurden bislang Betroffene, unter Umständen ungeachtet der jeweiligen Fähigkeiten und Qualifikationen, in Jobs vermittelt bzw. zu vermitteln versucht. Dies förderte einerseits den Niedriglohnsektor und andererseits die Zeitarbeit und nicht, wie eigentlich erforderlich, eine langfristige Festanstellung beziehungsweise Beschäftigung. Anstelle dieses Vermittlungsvorrangs stehen nun Aus- und Weiterbildungen, welche eine langfristige Perspektive offerieren, im Vordergrund, vgl. § 3 SGB II. Weiterbildung und der Abschluss eines Berufs stehen im Rahmen des Bürgergeldes im Vordergrund.


Sanktionen

Die Möglichkeit von Leistungsminderungen wurde neu geregelt. Hintergrund dessen ist vor allem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes [BVerfG NJW 2019, 3703] und die damit verbundene Umsetzungspflicht der dort aufgestellten Vorgaben. Grundsätzlich darf der Gesetzgeber jedoch an Mitwirkungspflichten der Bezieher von staatlichen Leistungen festhalten und diese mit verhältnismäßigen Möglichkeiten auch durchsetzbar ausgestalten. Die Leistungsminderungen erfolgen nach einem dreistufig gestaffelten System, § 31a I SGB II. Soweit eine Pflichtverletzung nach § 31 SGB II vorliegt, mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs für einen Monat. Bei einer weiteren Pflichtverletzung mindert sich der Regelbedarf um 20 Prozent für zwei Monate; bei einer weiteren Pflichtverletzung um 30 Prozent für drei Monate. Die Leistungsminderungen wegen wiederholten Pflichtverletzungen beträgt jedoch höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs, § 31a IV SGB II.

Verschärfte Sonderregeln für Leistungsberechtigte unter 25 Jahren existieren nicht mehr. Soweit es hier jedoch zu Pflichtverletzungen kommt, sind die Jobcenter gehalten, innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot zu offerieren, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden, § 31a VI SGB II.


Bürgergeldbonus und Weiterbildungsgeld

Zum 01.07.2023 treten im Hinblick auf Weiterbildungsmaßnahmen weitere Regelungen in Kraft. Wer an Maßnahmen teilnimmt, die für eine nachhaltige Integration besonders förderlich sind, erhält einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro. Für Maßnahmen, welche auf eine Weiterbildung mit Abschluss abzielen, wird es ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro zugebilligt.


Erhöhung der Regelbedarfe

Mit Einführung des Bürgergeldes zum 01. Januar wurden die Regelbedarfe erhöht. So erhält eine alleinstehende Person beispielsweise nunmehr bis zu 502 Euro; Volljährige Partner 451 Euro und Volljährige unter 25 Jahren 402 Euro.


Bagatellgrenze

Soweit es zu einer Überzahlung kam, verzichtet das Jobcenter künftig auf Rückforderungen, sodass also von der Aufhebung von Leistungsbewilligungen für die Vergangenheit abgesehen wird, soweit die berechtigte Rückforderungshöhe weniger als 50 Euro beträgt.


Erstattungsregelungen bei Minderjährigen

Soweit Minderjährige zu Unrecht Grundsicherungsleistungen erhalten haben und mit Erreichen der Volljährigkeit diese bislang zurückzahlen mussten, haften die nunmehr Volljährigen lediglich, wenn sie ein Vermögen von über 15.000 Euro haben.

Foto(s): Jana Christina Hartmann

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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