Heimliche Toilettenvideos - Welche Strafe droht? Vorladung, Anklage, Strafbefehl

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Als Fachanwälte für Strafrecht kontaktieren uns immer wieder Mandanten, welchen vorgeworfen wird, heimlich Filmaufnahmen in Toiletten angefertigt zu haben. Um einen solchen Fall ging es auch am 13.10.2022 vor dem Amtsgericht Osnabrück:


Was war der Sachverhalt?


Einem 26-jährigen ehemaligen Studenten wurde vorgeworfen, in 19 Fällen zwischen dem Oktober 2019 und Januar 2020 Spionagekameras in privaten und öffentlichen Toiletten aufgestellt zu haben. Er soll gezielt Videoaufnahmen von Frauen beim Toilettengang gemacht haben, um sie sich später anzusehen und sich daran sexuell zu befriedigen. Dabei soll es auch vereinzelt zu Aufnahmen von zufällig in den Badezimmern anwesenden Männern gekommen sein.

Die Kameras, welche aufnahmen, wie sich vor allem Frauen auf die Toilette setzten und urinierten,  soll er dabei im Badezimmer seiner eigenen Wohngemeinschaft, bei Partys in anderen Wohngemeinschaften sowie im Zeitraum von Oktober 2019 bis Januar 2020 auf der öffentlichen Toilette des Instituts für Musik der Hochschule Osnabrück installiert haben. Zudem soll er in der eigenen Wohngemeinschaft seine Mitbewohnerin unter der Dusche gefilmt haben.



Welche Straftat kann das heimliche Filmen auf Toiletten verwirklichen?


Wer heimlich andere Leute beim Toilettengang filmt, kann sich unter Umständen wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen gemäß § 201a Abs. 1, Nr. 1 StGB strafbar machen. Sollte der Täter die Aufnahmen anschließend verbreiten oder öffentlich zur Schau stellen, kommt überdies eine Strafbarkeit nach § 33 KUG in Betracht.

Erfüllt die Handlung schließlich die Voraussetzung des im Volksmund unter dem Namen „Stalking“ bekannten Verhaltens, ist auch eine Strafbarkeit wegen Nachstellung gemäß § 238 StGB möglich.



Welche Strafe kann bei heimlichen Filmaufnahmen drohen?


Geht man lediglich von einer Strafbarkeit wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen nach § 204a Abs. 1, Nr. 1 StGB aus, so sieht das Gesetz Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor.



Unter welchen Voraussetzungen sind heimliche Filmaufnahmen auf der Toilette strafbar?


Wie bereits die amtliche Überschrift verrät, schützt die Vorschrift das Rechtsgut des „höchstpersönlichen Lebensbereiches“ gegen bestimmtes Verhalten. Mit dem Begriff „höchstpersönlich“ ist im Gegensatz zum bloß „persönlichen Lebensbereich“ klargestellt, dass es sich um Eingriffe in die Bereiche des privaten Lebensbereiches handeln muss, welche besonders schutzbedürftig sind. Der Gesetzgeber versteht darunter den unantastbaren Kernbereich der privaten Lebensführung, insbesondere Themen wie Sexualität, Krankheit und Tod.


Strafbar macht sich sodann, wer in diesen Bereich durch bestimmes Verhalten eingreift, nämlich:


  • durch Anfertigen von Bildaufnahmen in besonders geschützten Räumlichkeiten

(§ 201a Abs. 1, Nr. 1 StGB),

  • durch Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen

(§ 201a Abs. 1, Nr. 2 StGB),

  • durch Bildaufnahmen, die eine verstorbene Person in besonders anstößiger Weise darstellen

(§ 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB)

  • durch Gebrauch- oder Zugänglichmachung entsprechender Bildaufnahmen

(§ 201a Abs. 1, Nr. 4 StGB),

  • durch unbefugtes Zugängigmachen einer befugt hergestellten Aufnahme

(§ 201a Abs. 1, Nr. 5 StGB)

  • sowie durch die besonderen Tathandlungen in den Absätzen 2 und 3


Was versteht man unter einer besonders geschützten Räumlichkeit

(§ 201a Abs. 1, Nr. 1 StGB)?


Strafbar macht sich, wer unbefugt eine Bildaufnahme (sowohl Fotos als auch Videos) einer anderen Person herstellt oder überträgt, welche sich in einer besonders geschützten Räumlichkeit befindet. Darunter versteht man Wohnungen und gegen den Einblick besonders gesicherte Rückzugsorte, wo das Opfer aus gutem Grund davon ausgehen kann, vor den Blicken Dritter sicher zu sein. Es muss sich dabei jedoch nicht um Räume des Opfers handeln, es muss sich nach der Rechtsprechung nicht einmal zwingend befugt darin aufhalten. Zu denken ist dabei in erster Linie an Räumlichkeiten wie Toiletten, Umkleidekabinen, Duschen oder ärztliche Behandlungszimmer. Anders als der allgemeine Wortlaut der „Räumlichkeit“ wohl nahelegen würde, muss es sich nicht einmal zwangsläufig um einen Raum mit einer festen seitlichen Begrenzung oder einem Dach handeln. So reicht beispielsweise auch ein Sichtschutz aus.


Da das Gesetz nur das Herstellen und Übertragen unter Strafe stellt, bleibt der „freche Blick“ - zum Beispiel das Hineinschauen in eine Wohnung mit einem Fernglas – straflos. Mit dem Merkmal „unbefugt“ wird zudem klargestellt, dass entsprechende Aufnahmen natürlich dann nicht strafbar sind, wenn sich die aufgenommene Person damit einverstanden erklärt.


Was bedeutet es, die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau zu stellen oder einen Verstorbenen in besonders anstößiger Weise zur Schau zu stellen?


Unter einer hilflosen Person im Sinne von § 201a Abs. 1 Nr. 2 versteht man jemanden, der sich in einer Gefahr für Leib oder Leben befindet, aus welcher er sich aus eigener Kraft nicht befreien kann. Ob die Gefahrenlage vom Betroffenen selbst verschuldet herbeigeführt wurde oder nicht, ist unerheblich. Erfasst sind daher sowohl schwerst alkoholisierte oder drogenintoxinierte Menschen, als auch Opfer von Gewalttaten, Unfällen sowie demente und behinderte Menschen. Solch eine Hilflosigkeit wird dann zur Schau gestellt, wenn sie objektiv in den Fokus der Aufnahme gerückt ist. Strafbar ist daher nicht, wenn bei einem Foto am äußersten Rand zufällig die Bewegungsunfähigkeit eines Sturzbetrunkenen mitaufgezeichnet wurde.


Mit der Tatbestandsvariante des in besonders anstößigerweise Zur-Schau-Stellens eines Verstorbenen wird das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in postumer Hinsicht geschützt. Wann eine besonders anstößige Weise vorliegt, kann dabei jedoch nicht pauschal beantwortet werden. Vielmehr kommt darin zum Ausdruck, dass nicht jede Zurschaustellung eines Toten per se strafwürdig ist. Dies ist nur der Fall, wenn es im extremen Maße die Würde des Toten untergräbt.


Wann liegt das Gebrauchmachen oder Zugänglichmachen einer Bildaufnahme vor?


Mit dem Gebrauch- und Zugänglichmachung wird die Strafbarkeit der vorherigen Tatbestandsvarianten insofern erweitert, als es auch ausreichend ist, wenn man die Aufnahmen nicht selbst hervorgebracht hat, aber die Verletzung des Persönlichkeitsrechts dadurch vertieft oder aktualisiert, dass man sie nach außen weiterträgt. Damit zielt die Vorschrift insbesondere auf die Redakteure und Verleger von Zeitschriften ab.


Bleibe ich stets straflos, wenn die Aufnahmen einmal befugt erfolgt sind?


Die klare Antwort auf diese Frage liefert § 201a Abs. 1, Nr. 5 StGB. Nein! Wurde das Foto oder das Video mit dem Einverständnis des Betroffenen gemacht, dann liegt lediglich kein unbefugtes Herstellen einer Bildaufnahme vor. Das Einverständnis zum Fertigen von Bildaufnahmen umfasst aber nicht immer automatisch auch die Weitergabe an dritte Personen. Ist die betroffene Person daher nicht mit der Weitergabe einverstanden, kann sich der Täter wegen unbefugter Zugänglichmachung strafbar machen, sofern der höchstpersönliche Lebensbereich betroffen ist.

Der klassische Fall ist hier die Anfertigung von Intimfotos in romantischen Situationen, welche nach einer Trennung durch den wütenden und enttäuschten Partner weitergegeben werden.


Welche Bildaufnahmen können im Einzelfall noch strafbar sein?


In den Absätzen 2 und 3 hat der Gesetzgeber schließlich Tatbegehungsvarianten unter Strafe gestellt, welche noch nicht von Absatz 1 erfasst waren und die er für besonders strafwürdig hielt.


In Zeiten von Digitalisierung und Social-Media hat der Gesetzgeber das gesellschaftliche Problem von Cybermobbing erkannt und daher in § 201a Abs. 2 unter Strafe gestellt, wenn Bildaufnahmen einer Person Dritten zugänglich gemacht werden, die geeignet sind, die abgebildete Person in ihrem Ansehen erheblich zu schaden. Ausdrücklich keine Voraussetzung ist danach, dass die abgebildete Person in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt ist.


In Absatz 3 wird schließlich bestraft, wer eine Bildaufnahme einer nackten minderjährigen Person herstellt/anbietet, um sie einem Dritten gegen Entgelt zu verschaffen oder wer sie sich selbst oder einem Dritten entgeltlich verschafft. Flankierend zu den Strafvorschriften des Sexualstrafrechts geht es hier daher auch darum die Kommerzialisierung entsprechender Bilder vor dem Hintergrund des Jugendschutzes zu verhindern.


Und was ist, wenn ich mit den Bildaufnahmen eigentlich Gutes tun wollte?


Ist einer der dargestellten Tatbestände erfüllt, führt dies dennoch nicht zwangsläufig zu einer Strafbarkeit. Das Gesetz sieht einen sog. „Rechtfertigungsgrund“ vor, wenn der Täter mit seiner Handlung in Wahrnehmung „überwiegend berechtigter Interessen“ gehandelt hat. Wann dies der Fall ist, kann jedoch nur einzelfallabhängig unter Gesamtwürdigung aller Umstände abgewogen und beurteilt werden. Namentlich nennt das Gesetz künstlerische, wissenschaftliche Gründe, Gründe der Forschung und Lehre, Berichterstattungen über historisch relevante Vorgänge oder „ähnliche Zwecke“. Die Aufzählung ist somit nicht abschließend.

Klassischer Fall der Wahrnehmung überwiegend berechtigter Interesse ist beispielsweise, wenn jemand bei einem schweren Verkehrsunfall Beweisfotos für die Polizei dokumentiert, bei welchem auch das Unfallopfer in seiner hilflosen Situation (möglicherweise gerade in notärztlicher Behandlung) gezeigt wird.


Wie hat das Amtsgericht Osnabrück nun im vorliegenden Fall bei dem 26-jährigen Studenten entschieden?


In dem eingangs geschilderten Fall flog das Verhalten des Angeklagten bei einer WG-Party auf, wo er gegenüber den anwesenden Gästen die Tat zugab. Die Partygäste zeigten ihn daraufin an. Der ehemalige Student meldete sich anschließend bei der Polizei, informierte die Hochschule und begann eine Therapie.

Auf dieser Grundlage verurteilte das Amtsgericht Osnabrück den Angeklagten wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen und Verletzung der Persönlichkeitsrechte in 19 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf Bewährung. Zudem ordnete der Richter in der Entscheidung an, dass der ehemalige Student für die Dauer von einem Jahr von einem Bewährungshelfer betreut werden muss. Mit zwei Tatopfern wurde eine Einigung auf Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 2000 EUR getroffen. Laut des Richters sei die Geltendmachung weiterer zivilrechtlicher Ansprüche nicht ausgeschlossen.

Fazit


Das heimliche Fertigen von Aufnahmen auf öffentlichen oder privaten Toiletten ist nicht nur kein Kavaliersdelikt, es kann auch (unter anderem) wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen gemäß § 201a StGB zu einer Strafbarkeit führen. Die Strafen können im Einzelfall – wie auch vorliegend bei der Verurteilung zu sechs Monaten auf Bewährung – nicht unerheblich sein. Die zunehmenden technischen Möglichkeiten führen dazu, dass sich Straftaten nach § 201a StGB in den letzten Jahren vermehrt in der polizeilichen Kriminalstatistik wiederfinden. Dies zeigt sich auch anhand der gewachsenden Anzahl von Mandanten, die sich wegen der Vorwurfs der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches an uns als Fachanwälte für Strafrecht wenden. Auch gesamtgesellschaftlich kommt es immer häufiger zur Thematisierung von entsprechenden Vorfällen.






Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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