Hilfe! Wird es teuer, wenn ich meine Immobilie an meine Kinder ab 2023 übertrage?

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Für den Fall, dass Ihre Kinder eines Tages Immobilien vererbt bekommen, sollten Sie noch dieses Jahr prüfen, ob sich hohe Erbschaftssteuern vermeiden lassen. Wenn Sie überlegen, Ihre Immobilie an Ihre Kinder zu übertragen, ist möglicherweise jetzt genau der richtige Zeitpunkt.

Warum?

Durch die hohe Nachfrage an Immobilien kam es in den Jahren von 2015 bis 2022 zu einer enormen Preissteigerung von ca. 67 %-Punkten (Quelle: Häuserpreisindex destatis). Im Rahmen des Re-gierungsentwurfs des Jahressteuergesetzes 2022 (BT-Drucks. 20/3879) werden u.a. Änderungen im Bewertungsgesetz angekündigt, welche die steuerliche Bewertungssituation an das Marktniveau annähern will. Dazu nutzt der Gesetzgeber die 2021 im Baurecht vorgenommenen Anpassungen der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV, BGBl. I 2021 S. 2805 vom 14.07.2021). Für die Bemessungsgrundlage bei der Erbschafts- und Schenkungsteuer sowie bei der Grunderwerbsteuer bei Übertragungen von Immobilien kommt es auf den Wert des Grundbesitzes an. Dieser steuerliche Immobilienwert ermittelt sich nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Durch die gesetzliche Veränderung der Bewertungsparameter verändern sich die Besteuerungen entsprechend. Die steuerlichen Freibeträge (von Ehegatte zu Ehegatte sind 500.000,00 Euro steuerfrei, von Eltern zu Kind 400.000,00 Euro) werden allerdings nicht erhöht. Das hat zur Folge, dass einige Übertragungen, die bisher steuergünstig oder gar steuerfrei sind, ab 2023 besteuert werden.

Kurz umrissen, sind folgende Änderungen angedacht:

Die Erhöhung der Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22 BewG-E)

Die Gesamtnutzungsdauer für die Gebäudearten Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohn-grundstücke, Wohnungseigentum und gemischt genutzte Grundstücke (Wohnhäuser mit Mischnutzung) wird entsprechend der ImmoWertV von 70 auf 80 Jahre erhöht. 

Wie bisher erfolgt die steuerliche Wertermittlung überwiegend nach zwei Bewertungsverfahren: Für Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke ist in der Regel das Ertragswertverfahren maßgeblich (§§ 184 ff BewG) und für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnungs- oder Teileigentum das Sachwertverfahren (§§ 189 ff BewG). Da beide Bewertungsverfahren den Wert eines Gebäudes ins Verhältnis zu einer pauschal gesetzlich festgelegten Gesamtnutzungsdauer setzen und die Gesamtnutzungsdauer um 10 Jahre angehoben wird, steigt der Wert der Immobilie aufgrund der längeren Restnutzungsdauer.

Anpassung und jährliche Indexierung der Bewirtschaftungskosten (Anlage 23 BewG-E)

Bei einer Immobilienbewertung im sog. Ertragswertverfahren (Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke) minderten die bisher pauschal angesetzten Bewirtschaftungskosten den Wert, was nun abgeschafft wird. Bewirtschaftungskosten sollen nun anhand von Verwaltungs- und Instandhaltungskosten sowie dem Mietausfallwagnis unter der Betrachtung, ob Gewerbe- oder Wohnraum vorliegt, ermittelt werden. Des Weiteren wird die Höhe der Liegenschaftszinssätze geändert. Beim Liegenschaftszinssatz handelt es sich vereinfacht gesagt um eine Rentabilitätskennzahl, die für die Ermittlung weiterer Bewertungsgrößen und für das Gesamtergebnis maßgeblich ist. So führt ein hoher Liegenschaftszinssatz zu einem niedrigeren Immobilienwert. Der Zins wird durch die Gesetzesänderung an den vom Statistischen Bundesamt festgestellten Verbraucherpreisindex für Deutschland angepasst, was wahrscheinlich zu einer dynamischen Erhöhung der Immobilienwerte führt. Sofern die Gutachterausschüsse für die jeweilige Immobilie einen eigenen Liegenschaftszinssatz veröffentlicht haben, ist dieser allerdings nach wie vor primär anzuwenden.

Bei einer Immobilienbewertung im Sachwertverfahren (Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnungs- oder Teileigentum wenn kein Vergleichswert vorliegt) werden die Regelherstellungskosten künftig nicht nur mit den Baupreisindizes, sondern mittels einem Regionalfaktor und einem Alterswertminderungsfaktor an die Marktlage angepasst (§ 190 BewG-E). 

Die Formel zur Ermittlung der Bewertung lautet:

Regelherstellungskosten x Bruttogrundfläche x Baupreisindex 

= durchschnittliche Herstellungskosten des Gebäudes. 

Durchschnittliche Herstellungskosten des Gebäudes x Regionalfaktor x Alterswertminderungsfaktor 

= Gebäudesachwert nach § 190 BewG-E.

Einführung eines Regionalfaktors

Der neu eingeführte Regionalfaktor berücksichtigt den Unterschied zwischen dem bundesdurchschnittlichen und dem regionalen Baukostenniveau. Auch dies kann im Ergebnis je nach Lage der Immobilien zu Werterhöhungen führen. Die Regionalfaktoren werden grundsätzlich durch die Gutachterausschüsse veröffentlicht. Soweit von den Gutachterausschüssen keine geeigneten Regionalfaktoren zur Verfügung gestellt werden, ist der Regionalfaktor von 1,0 anzuwenden.

Änderungen bei Erbbaurechten

Die Bewertungsvorschriften für Erbbaurechtsfälle und für die weniger praxisrelevanten Fälle von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden wurden ebenfalls neu geregelt. Die Wertermittlung erfolgt nun auf Grundlage des Wertes des unbelasteten Grundstücks. Sofern dies nicht möglich ist, ist die Wertermittlung anhand des finanzmathematischen Wertes des Erbbaurechts bzw. Erbbaugrundstücks vorzunehmen.


Was ist nun zu tun?

Ob für Sie Handlungsbedarf besteht, ist vom Einzelfall abhängig. Durch die geplante Gesetzesänderung wird die Besteuerung aufgrund der Bewertung von Immobilien für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer in vielen Fällen deutlich höher ausfallen als nach dem bisherigen Bewertungsverfahren – muss aber nicht. Oftmals werden die steuerlichen Freibeträge gar nicht überschritten, weil die Erbengemeinschaft groß ist oder weil andere Steuerbefreiungen greifen.

Das Gesetz gewährt dem Steuerpflichtigen nach wie vor die Möglichkeit, einen geringeren Wert durch ein Gutachten nachzuweisen (§ 198 BewG), wobei die Finanzverwaltung hohe formelle und inhaltliche Anforderungen an ein solches Gutachten stellt. Der Gesetzgeber hatte hier letztes Jahr zumindest den Kreis der anerkannten Gutachter auch auf DIN-zertifizierte Gutachter erweitert.

Unsere Kanzlei steht Ihnen für eine individuelle Beratung zu den möglichen Auswirkungen der geplanten Änderungen auf Ihr Immobilienvermögen fachkundig zur Verfügung und hilft dabei, jetzt noch vor dem Jahreswechsel Übertragungen zu ermöglichen.





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