Hinterbliebenengeld – was ist zu tun?

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Der unnatürliche Tod einer Person infolge eines Unfalles oder einer Gewalttat kann eventuell nicht nur Ansprüche auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz auslösen, sondern seit dem 22.07.2017 auch zu einem sog. Hinterbliebenengeld führen. Die gesetzliche Regelung hierzu findet sich in § 844 Absatz 3 BGB; dort heißt es:

„Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.“

Ausgleich für seelische Beeinträchtigungen

Das Hinterbliebenengeld soll danach einen Ausgleich für die Beeinträchtigung des eigenen seelischen Wohlbefindens schaffen, welche durch den Verlust eines nahestehenden Menschen entstanden ist. Das Hinterbliebenengeld ist hingegen nicht dazu gedacht, das Leben einer getöteten Person in Geld aufzuwiegen.

Anspruchsvoraussetzung: Deliktische Haftung oder Gefährdungshaftung

Voraussetzung für einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ist zunächst eine schuldhafte unerlaubte Handlung gem. §§ 823 ff. BGB oder eine zu einer Gefährdungshaftung z.B. nach § 833 BGB (Tierhalterhaftung) oder § 7 StVG (Fahrzeughalterhaftung) führende, verschuldensunabhängige Verhaltensweise.

Tod eines Menschen

Diese Verhaltensweise muss den Tod eines Menschen herbeigeführt haben. Unerheblich ist dabei, ob die Verletzungshandlung sofort zum Tod führt, oder der Verletzte erst nach längerer Behandlungszeit verstirbt. Selbst untypische Geschehensabläufe, die zum Tod führen sind ausreichend, bspw. wenn die nahestehende Person als Opfer einer Gewalttat oder eines Unfalles einen Suizid begeht.  Da sich das Verschulden des Schädigers nicht auf den Tod beziehen muss (BT-Drs 18/11397 S. 13) ist allein entscheidend, dass die Verletzungshandlung kausal zum Tod führt.

Zeitpunkt der Verletzungshandlung

Einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht allerdings nur, wenn sich die Verletzungshandlung und auch der Tod nach dem 22.07.2017 ereignet haben.

Besonderes persönliches Näheverhältnis zu der getöteten Person

Maßgeblich für das Hinterbliebenengeld ist weiter, dass zwischen dem Getöteten und Hinterbliebenen ein besonderes persönliches Näheverhältnis bestanden hat.

Dieses  Näheverhältnis besteht kraft gesetzlicher Vermutung zwischen dem Verstorbenen und seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner, seinen Eltern und seinen Kindern, und zwar unabhängig davon, ob eine häusliche Gemeinschaft bestanden hat oder nicht.

Das Hinterbliebenengeld ist aber nicht beschränkt auf diesen Familienkreis. Die Anspruchsberechtigung knüpft nämlich an tatsächliche soziale Beziehung zueinander an, und nicht  an eine formelle familienrechtliche Beziehung des Hinterbliebenen zum Getöteten. Daher kann ein persönliches Näheverhältnis zu jeder Person bestehen.

Entscheidend für das Vorliegen eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses ist die Intensität der tatsächlich gelebten sozialen Beziehung (BT-Drucks. 18/11397, S.11). Erforderlich ist eine enge Beziehung, die in ihrer Tiefe und Intensität über freundschaftliche Verbindungen in der Sozialsphäre, also in Beruf, Sport und Freizeit deutlich hinausgeht. Vielmehr muss die Beziehung in etwa dem entsprechen, was normalerweise eine Beziehung zwischen Ehegatten oder Lebenspartnern sowie Eltern und Kindern auszeichnet. Die Beziehung muss eine enge persönliche Bindung aufweisen. Nicht zwingend notwendig ist eine räumliche Nähe, wenngleich eine solche ein gewichtiges Indiz für ein besonderes Näheverhältnis ist. 

Weitere Indizien für ein besonderes persönliches Näheverhältnis können sein, eine häusliche Gemeinschaft, regelmäßige gemeinsame Kontakte, gemeinsame Lebenspläne, testamentarisches Bedenken des Hinterbliebenen durch den Verstorbenen, gegenseitige finanzielle Abhängigkeit usw.

Vor diesem Hintergrund ist es daher gut denkbar, dass auch Partner einer ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Verlobte, Geschwister, Enkel, Großeltern, Stief- und Pflegekinder oder Mitglieder sog. Patchworkfamilien in einem besonderen Näheverhältnis zum Getöteten stehen. Ganz ausnahmsweise können sogar Freunde ein besonderes Näheverhältnis zueinander haben, sofern die Freundschaft über das übliche Maß hinausgeht, indem z.B. gemeinsam gelebt, gewohnt und gearbeitet wurde.

Zeitpunkt des besonderen Näheverhältnisses zur getöteten Person

Die persönliche enge Beziehung und Bindung zwischen dem Getöteten und den Hinterbliebenen muss zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses und des Todes bestanden haben. Dies könnte evtl. nicht mehr der Fall sein, wenn die Ehegatten zum Zeitpunkt des Todes bereits in Trennung lebten, Scheidungsantrag gestellt war oder der Hinterbliebene zum Unfallzeitpunkt bereits eine neue Partnerschaft eingegangen war. Auch wenn der Verstorbenen zum Hinterbliebenen zu Lebzeiten keinen Kontakt mehr hatte oder der Getötete die vermeintlich nahestehende Person enterbt hat, wird ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld eher nicht bestehen.

Erlittenes seelisches Leid

Schließlich müssen die Hinterbliebenen aufgrund der Tötung ein seelisches Leid erlitten haben. Bestand zwischen dem Getöteten und dem Hinterbliebenen ein persönliches Näheverhältnis kann jedoch unterstellt werden, dass der Tod auch zu einem seelischen Leid geführt hat (BT-Drs 18/11397 S. 14).

Höhe des Hinterbliebenengeldes

Die Höhe des Anspruchs ist gesetzlich nicht festgelegt.  Nach § 844 Abs.3 BGB ist eine „angemessene Entschädigung“ in Geld zu leisten.

Für die Beantwortung der Frage, was als „angemessen“ anzusehen ist, kommt es immer auf den Einzelfall an.  

Bedeutsam ist dabei, dass es bei der Gewährung des Hinterbliebenengeldes nicht um einen Schadensersatz für die Tötung eines Menschen und den daraus folgenden wirtschaftlichen Nachteilen geht. Stattdessen wird ein Hinterbliebenengeld ausschließlich als finanzieller Ausgleich gewährt, für die seelischen Beeinträchtigungen des Hinterbliebenen, welche durch den Verlust einer geliebten nahestehenden Person entstanden sind.

Daher hängt die Höhe des Hinterbliebenengeldes allein vom Ausmaß des seelischen Leids des Hinterbliebenen ab. Hierfür ist wiederum die Intensität der Beziehung zwischen dem Verstorbenen und dem Hinterbliebenen entscheidend. Darüber hinaus kann auch die eigene gesundheitliche Beeinträchtigung des Hinterbliebenen sowie das Verhalten des Schädigers zu berücksichtigen sein; dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Tod für den Hinterbliebenen über das übliche Maß hinaus sehr schmerzhaft war, die Tötung absichtlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde, die Täterschaft bestritten wurde, Schadensregulierung durch den Täter oder seinen Haftpflichtversicherer nur zögerlich erfolgte usw.

Von Gerichten wird bei Festsetzung des Hinterbliebenengeldes häufig ins Feld geführt, dass die in der Rechtsprechung entwickelten Beträge zur Bemessung eines Schmerzensgeldes aufgrund eines Schockschadens als Orientierungshilfe, eventuell sogar als Obergrenze für das Hinterbliebenengeld heranzuziehen seien. Da für solche Schockschäden in der Regel höchstens 10.000,00 EUR zugesprochen werden, kommen die Gerichte auch beim Hinterbliebenengeld meist nicht über diese Beträge hinaus. Zwingend erscheint dies aber keineswegs.

Fazit: Umstände des Einzelfalles aufzeigen

Daher ist es wichtig, gegenüber dem Anspruchsgegner bzw. dem Gericht die Einzelfallumstände der Beziehung des Hinterbliebenen zum Getöteten sorgfältig herauszuarbeiten und ggf. zu beweisen. Es sollte aufgezeigt werden, wie sich die soziale Beziehung zur verstorbenen Person tatsächlich gestaltet hat, seit wann, wie oft und in welcher Form Kontakt bestand, wie eng z.B. das Vertrauensverhältnis war, welche wirtschaftlichen und persönlichen Folgen der Wegfall der nahestehenden Person für den Hinterbliebenen hat usw..

Sofern Sie hierbei rechtlichen Rat und Unterstützung benötigen, bieten wir eine umfassende Beratung und professionelle Vertretung gegenüber dem Schädiger und Versicherungen sowie vor den Gerichten.



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