Homeschooling und das SGB II - Gibt es einen Zuschuss zu Laptops für Hartz IV-Empfänger?

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Neben vielen negativen Dingen wirkt die Corona-Pandemie jedenfalls in Deutschland als Katalysator für die Digitalisierung. Das Problem: viele Bereiche sind noch längst nicht ausreichend ausgestattet. Neben Angeboten und Plattformen fehlt es gerade bei den Empfängern staatlicher Leistungen, insbesondere im Bereich Hartz IV, an den notwendigen Endgeräten, also PC oder Laptop, Drucker und notwendiges Zubehör. 


Doch was tun? Die notwendigen Geräte von dem ohnehin knappen Regelsatz bezahlen? Sich das Geld hierfür oder die Geräte selbst leihen? Kann über das Bildungs- und Teilhabepaket Abhilfe geschaffen werden?


Dieser Beitrag stellt die Möglichkeiten und Wege der Durchsetzung dar. Dabei werden auch die rechtlichen Grundlagen intensiver betrachtet, weil sich einige Grundsätze auf vergleichbare Konstellationen übertragen lassen. 


Das Bildungs- und Teilhabepaket

Verschiedene Gesetze gewähren unter verschiedenen Voraussetzungen Leistungen für Bildung und Teilhabe für (eigene) Kinder.


Sinn und Zweck der Leistungen, sowie der Inhalt sind dabei grundlegend gleich gestaltet.  

Insbesondere sollen die betroffenen Kinder Zugang zu schulischen und außerschulischen Bildungsangeboten bekommen. So können sie am Leben in der Gemeinschaft teilhaben (jedenfalls nach dem gesetzgeberischen Plan).


Die Leistungen umfassen dabei:

  • Klassenfahrten und Ausflüge
    Übernahme der Kosten für eintägige Ausflüge und mehrtätige Fahrten von Schulen und Kindertagesstätten
  • Schulbedarf
    Zuschuss von 150,00 € zu Lernmaterialien (100,00 € zum 1. August, 50,00 € zum 1. Februar eines Jahres)
  • Schülerbeförderung
    Erstattung der Fahrtkosten ist möglich, wenn diese nicht anderweitig übernommen werden
  • Lernförderung
    Nachhilfestunden können finanziert werden, falls sie zusätzlich zu schulischen Angeboten erforderlich sind
  • Mittagessen
    Wird durch Schule, Kindertagesstätte oder Tageseltern ein gemeinsames Mittagessen angeboten, so werden auch hierfür die Kosten übernommen
  • Sport, Kultur, Freizeiten
    Monatlich werden zudem 15,00 € pauschal für Mitgliedsbeiträge (etwa in Sportvereinen), kulturelle Bildung (beispielsweise Musikunterricht) und Freizeiten zur Verfügung gestellt


Leistungsberechtigt sind Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV), Sozialgeld, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungen, Kinderzuschlag und Wohngeld. 

Auch für Personen, die keine der vorgenannten Leistungen beziehen, haben unter Umständen einen entsprechenden Anspruch. 


Im Bereich von SGB II und XII ist grundsätzlich kein gesonderter Antrag erforderlich, eine Ausnahme gilt lediglich für die Leistung zur Lernförderung. Gleiches gilt beim Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. 

Wird der Kinderzuschlag oder Wohngeld bezogen, so ist für alle Leistungen ein Antrag erforderlich.


Doch kann das Bildungs- und Teilhabepaket auch für die Beschaffung der notwendigen Endgeräte für das Homeschooling herangezogen werden?

In Betracht kommt hier allein die Leistung „Schulbedarf“. Allerdings wird bereits durch die Auszahlung jeweils zu Beginn der beiden Schulhalbjahre deutlich, dass es hier um die klassischen Schulmaterialien (Hefte, Stifte, Bücher) geht und nicht um die jetzt, aufgrund einer besonderen, unvorhersehbaren Situation, erforderlich gewordene Geräte zur Ermöglichung des Zugangs zu Unterrichtsinhalten. Nach meiner Einschätzung ist daher das Bildungs- und Teilhabepaket nicht das richtige Instrument. Bislang liegt zu dieser Frage aber noch keine höchstrichterliche Entscheidung vor. 


Geld oder Geräte leihen

…ist zwar eine Möglichkeit, aber nur bedingt sinnvoll. Wer das Glück hat, jemanden zu kennen, von dem er überhaupt leihen könnte, ist jedenfalls gut beraten, die Leihe in ordnungsgemäße, rechtliche Form zu gießen, damit nicht durch das zuständige Jobcenter im Nachhinein noch Einnahmen angenommen und angerechnet werden.


Ausgaben bestreiten aus dem Regelsatz

…dürfte allenfalls mit erheblicher zeitlicher Verzögerung zum gewünschten Erfolg führen. Auch dieses Vorgehen ist also nicht zu empfehlen.



Wenn nun aber nichts funktioniert, heißt das, dass einzelne Kinder vom Lernen ausgeschlossen werden? 

Keineswegs. Entgegen der Ansicht mancher Jobcenter existiert eine Rechtsgrundlage für die Gewährung entsprechender zusätzlicher Leistungen. Denn neben dem Regelbedarf und den Kosten der Unterkunft und der Heizung sieht das SGB II auch den Mehrbedarf (§ 21 Abs. 6 SGB II) vor.


Ein Mehrbedarf wird anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. 

Ein solcher Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er nicht durch Zuwendungen Dritter oder Einsparmöglichkeiten gedeckt werden kann und in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (vgl. § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II).


Notwendig ist also zunächst einmal ein besonderer Bedarf.

Ob qualitativ oder quantitativ, der Bedarf muss über den durchschnittlichen, durch den Regelbedarf bereits abgebildeten Bedarf hinausgehen. Diese Voraussetzung wird man ohne große Schwierigkeiten bejahen können. 


Dieser Bedarf muss „unabweisbar“ sein. 

Dieser Begriff bedeutet, dass der Bedarf unaufschiebbar sein muss. Seine Deckung muss erforderlich sein, um im konkreten Einzelfall das menschenwürdige, sozio-kulturelle Existenzminimum sicherzustellen.

Auch insoweit können keine ernsthaften Zweifel bestehen. Denn das Recht eines Kindes auf Lernen ist unbestreitbar ein hohes Gut. Schiebt man die Bedarfsdeckung auf, so ist in der momentanen Situation (allerdings abhängig vom jeweiligen Bundesland) davon auszugehen, dass das betroffene Kind nicht am Unterricht teilnehmen kann. Neben den offensichtlichen, akuten Auswirkungen kommt es hier natürlich auch zu langfristigen Auswirkungen, wenn der Stoff bestenfalls verspätet, schlimmstenfalls nie erarbeitet wird.


Schwierigkeiten könnte allerdings bereiten, dass es sich um einen laufenden, also nicht nur einmaligen, Bedarf handeln muss.

Entscheidend ist dabei, dass der Bedarf absehbar wiederholt auftreten wird. Dass im Laufe der Zeit auch ein Ersatzgerät angeschafft werden muss ist selbstverständlich. Für einen laufenden Bedarf ist aber erforderlich, dass dies in einem Abstand von ein bis zwei Jahren der Fall ist. Hier wird es von dem einzelnen Sachbearbeiter, dem einzelnen Richter abhängen, ob tatsächlich von einem laufenden Bedarf auszugehen ist. 

Richtigerweise ist allerdings diese Frage mit dem Sozialgericht Köln (Beschluss vom 24. Juni 2020, Az.: S 32 AS 2150/20 ER), das sich selbst auf das Bundessozialgericht (Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 12/13 R) beruft, so zu entscheiden, dass auch die Anschaffung eines Gegenstandes zur laufenden Benutzung einen laufenden Bedarf darstellen kann (SG Köln, a.a.O., Rn. 9). Zu demselben Ergebnis kommt auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22. Mai 2020, Az.: L 7 AS 719/20).


Zu beachten ist, wie auch sonst im Bereich des SGB II, dass nicht jeder Preis gezahlt wird, eine realistische Wertgrenze dürfte für einen PC oder Laptop bei 150,00 € liegen. Man wird also (auch) hier den Markt für gebrauchte Geräte berücksichtigen müssen. 


Zudem zwingend zu beachten: stellt die Schule entsprechende Geräte bereit oder sind diese beispielsweise über einen Förderverein zu erhalten, so sind diese Angebote vorrangig in Anspruch zu nehmen. 


Zur Durchsetzung

Für die Durchsetzung dieses Anspruchs muss der Mehrbedarf natürlich zunächst gegenüber dem zuständigen Jobcenter geltend gemacht werden. Dies kann (und sollte aus Kostengründen) durch den jeweils Betroffenen selbst geschehen. Dabei ist auf eine genaue Bezeichnung des geltend gemachten Bedarfs (welches Gerät zu welchem Zweck) ebenso zu achten, wie auf Angaben dazu, warum eine anderweitige Beschaffung ausscheidet. 


Es muss leider damit gerechnet werden, dass in einer Mehrzahl von Fällen die Ablehnung erfolgt.


Dann ist fristgerecht (binnen eines Monats ab Zugang des Ablehnungsbescheides) Widerspruch gegen die Entscheidung einzulegen.


Da Widerspruchsverfahren zur Durchführung einige Zeit benötigen, bietet sich zur Beschleunigung die Einleitung eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz (hier nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz) vor den Sozialgerichten an. 

Details zu diesem Verfahren finden Sie hier.

Soweit es das für ein erfolgreiches Eilverfahren notwendige, besondere Eilbedürfnis anbelangt, dürfte dieses nahezu stets recht unproblematisch gegeben sein, denn die Durchführung eines Hauptsache-Verfahrens erfordert einen deutlich längeren Zeitraum als etwa die Schulferien. Gleichzeitig kann einem Kind nicht zugemutet werden, für längere Zeit nicht am Unterricht teilnehmen zu können.



ERGÄNZUNG:

Inzwischen gibt es auch eine ausdrückliche fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit, wonach der hier dargestellte Mehrbedarf tatsächlich erbracht werden kann. Die Argumentation und die Voraussetzungen decken sich mit meinen Darstellungen. 

Die Erfolgsaussichten für den Fall einer Auseinandersetzung mit dem zuständigen Jobcenter dürften damit noch einmal gestiegen sein.




Gerne unterstütze ich Sie bei dieser und weiteren Fragestellungen des Sozialrechts.

Sie erreichen mich unter den nachstehenden Kontaktdaten oder über die Kontaktfunktion.

Rechtsanwalt Matthias B. Lorenz

Philipp-Reis-Straße 10

63128 Dietzenbach

Tel.: 06074/485 29 29

e-Mail: lorenz@lorenz-law.de





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