Ideologische Ablehnung von Krankenhausgeburten - Hebamme tötet Kind?

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Schwangerschaftsabbruch und Totschlag


Wer wird wegen Schwangerschaftsabbruch und wer wegen Totschlags bestraft? Der Schwangerschaftsabbruch ist im § 218 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt:


„Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.“


Wer jedoch einen bereits geborenen Menschen vorsätzlich tötet, wird wegen Totschlags (§ 212 StGB) mit nicht unter fünf Jahren oder wegen Mordes (§ 211 StGB) mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.


Totschlag durch Unterlassen - Hebamme tötet Baby?


Ab wann der Anwendungsbereich der §§ 211 ff. StGB eröffnet ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 128/23) in seinem Beschluss vom 2. November 2023 entschieden. Die Angeklagte, die als Hebamme tätig war, bestärkte die Nebenklägerin darin, eine Hausgeburt durchzuführen. In den Jahren, in denen sie als Hebamme arbeitete, entwickelte sie tiefgreifende Vorbehalte gegen Krankenhausgeburten. Nach dem Blasensprung schritt die Geburt nur sehr langsam voran. 3 Tage nach dem Blasensprung war der Muttermund sieben bis acht Zentimeter geöffnet. Einen Tag später verspürte die Nebenklägerin einen stechenden Schmerz im Bauch und nahm außerdem fortan keine Bewegungen des Kindes mehr wahr. Nachdem bei einer veranlassten Ultraschalluntersuchung nur noch ein stark verlangsamter Herzschlag festzustellen war, wurde ein Rettungswagen alarmiert. Spätestens während des Transports in das Krankenhaus verstarb das Kind an einer Minderversorgung des Körpers (Hypoxie durch Aspiration eitrigen Fruchtwassers). Nach Eröffnung der Fruchtblase muss innerhalb von 18 bzw. spätestens 24 Stunden eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden, wenn nicht abzusehen ist, dass die Geburt unmittelbar bevorsteht. Wenn kein Arzt zur Verfügung steht, muss die schwangere Person ins Krankenhaus verlegt werden. Eine Antibiotikatherapie wurde vorliegend nicht durchgeführt.


Urteil des Landgerichts


Das Landgericht führte in seinem Beschluss aus, dass der Tod des Kindes drei Tage nach dem Blasensprung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu vermeiden gewesen wäre. Am darauffolgenden Tag, an dem der Rettungswagen alarmiert wurde, hätte nur noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Überleben des Kindes bestanden. Die Angeklagte habe sich wissentlich den geltenden Leit- und Richtlinien entgegengesetzt, da sie tiefgreifende Vorbehalte gegen Krankenhausgeburten hat. Daher habe sich die Angeklagte wegen Totschlags durch Unterlassen in Tateinheit mit Körperverletzung durch Unterlassen strafbar gemacht. Das Landgericht Verden verurteilte sie aufgrund dessen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren.


Entscheidung des Bundesgerichtshofes: Kein Totschlag durch Unterlassen


Der Bundesgerichtshof bestätigt zwar, dass eine Verurteilung wegen Totschlags möglich ist, da kein Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB vorliegt. Vielmehr hat die Geburt nach den Eröffnungswehen bereits begonnen. Demnach muss die Strafbarkeit nach §§ 211 ff. StGB dort beginnen, wo diejenige aus § 218 StGB endet. Da eine Schwangerschaft nicht mehr abgebrochen werden kann, wenn sie sich bereits in der Selbstauflösung befindet, kann nicht mehr von einem Schwangerschaftsabbruch gesprochen werden. Jedoch stellt der Bundesgerichtshof klar, dass ein Unterlassen nur dann ursächlich für den Erfolg ist, wenn dessen Eintritt bei Vornahme der gebotenen Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre. Laut dem Urteil des Landgerichts sei der Angeklagten spätestens 4 Tage nach dem Blasensprung bewusst gewesen, dass ein weiteres Abwarten unweigerlich zum Tod des Kindes führen würde. Jedoch bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Rettung der Tochter.


Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


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