Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen?

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Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte Anfang der Woche eine Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeheimen und Kitas in Aussicht gestellt.  Nach späteren Angaben der Grünen-Fraktion sollte dies aber dann doch nicht der Fall sein und man wolle darüber nur beraten.

Auch nach der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder ging die Meldung durch die Medien, dass für Pflegeeinrichtungen eine Impfpflicht "beschlossen" worden sei.

In dem Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) steht aber nichts davon: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1982598/defbdff47daf5f177586 a5d34e8677e8/2021-11-18-mpk-data.pdf?download=1

D.h. danach gibt es hier noch Diskussionsmöglichkeiten. 

Die Ministerpräsidenten der Länder "wollen" es und Angela Merkel denkt, dass es auch als Verordnung "schnell" möglich wäre.

Noch-Finanzminister Olaf Scholz (SPD) weist richtigerweise darauf hin, dass ein reguläres Gesetzgebungsverfahren erforderlich ist, das nach dem bisherigen Sitzungskalender des Bundestages nur noch in der Woche ab dem 13. Dezember mit verkürzter 2./3. Lesung auf den Weg gebracht werden könnte.

In diesem Beitrag erfahren Sie, wann eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen möglich sein könnte und warum ich aktuell nicht davon ausgehe.

Gesetzliche Grundlage

Aktuell ist eine theoretisch möglich Rechtsverordnungsermächtigung für eine Impflicht in  § 20 Abs. 6 oder Abs. 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorgesehen. Diese dürfte jedoch nur  für „Notfälle“ (BT-Drucks. 3/1888, S. 23) greifen, wie die Begründung zum früheren Bundes-Seuchengesetz betont, auf die sich die Begründung zum Infektionsschutzgesetz der Sache nach bezieht (vgl. BT-Drucks. 14/2530, S. 72).

Eine tätigkeits- bzw. berufsbezogene Impfpflicht auf § 20 Abs.6 oder Abs. 7 IfSG zu stützen, ist auch deshalb problematisch, weil der Verordnungsgeber nur anordnen kann, dass

 „bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen […] teilzunehmen haben“

(§ 20 Abs. 6 Satz 1 IfSG).

Ich kann mir gerade nicht vorstellen, inwiefern Pflegekräfte oder Mitarbeiter in einer Kita ein besonders bedrohter Teil der Bevölkerung sein sollen.

Eine parlamentsgesetzliche Regelung einer tätigkeitsbezogenen Impfpflicht gibt es bislang nur hinsichtlich der Masernimpfung (vgl. § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend über die dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerden entschieden. Die eigentlich für dieses Jahr erwartete Hauptsache-Entscheidung musste wegen der vielen Corona-Verfahren verschoben werden.

Klar ist jedenfalls, dass eine Impfpflicht für alle oder für bestimmte Berufsgruppen nur per Gesetz eingeführt werden könnte.

Verfassungsrechtliche Anforderungen

Eine gesetzliche Impfpflicht kommt aber nur unter der Bedingung in Betracht, dass das Ziel anders nicht erreicht werden kann.

Ziele einer Impfpflicht

Aber dafür müsste das Ziel zunächst genau benannt werden.

Was wäre das Ziel der Impfpflicht?

  • die Überlastung des Gesundheits­systems oder
  • die Überlastung der Intensiv­stationen vermeiden,
  • allgemein weniger Covid-Erkrankungen,
  • weniger Long-Covid-Fälle oder
  • eine hohe Impfquote / Herdenimmunität?

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Impfpflicht wäre dann zu prüfen, ob die Impfpflicht geeignet, erforderlich und angemessen ist, um diese Ziele zu erreichen.

Geeignetheit

Je nachdem, für welches Ziel man sich entscheidet, müsste die Impfpflicht zur Erreichung dieses Ziels geeignet sein.

Die Corona-Impfung führt jedoch nach Auskunft von Experte keine sterilisierende Immunität herbei, d.h. auch geimpfte Personen können andere Personen anstecken, so dass eine hohe Impfquote allein nicht das Ziel sein dürfte.

Da insb. bei Pflegeberufen ein Fachkräftemangel herrscht, könnten Pflegekräfte mit einer Impfpflicht aus ihren gesellschaftlich so relevanten Berufe getrieben werden und dadurch könnte eine Impfpflicht indirekt eine Gefahr für das Gesundheitssystem hervorrufen.

Hohe Impfquote im Pflegebereich

Dank der Impf-Priorisierung waren Ärzte hierzulande schon im Juli 2021 zu 94 Prozent vollständig geimpft und das Pflegepersonal zu 90 Prozent, ist die Diskussion um eine Impfpflicht für diese Berufsgruppe hinfällig. Mehr zu den Zahlen lesen Sie in dieser Studie.

Erforderlichkeit

Die meisten Bedenken haben Juristen aber unter dem Aspekt der Erforderlichkeit.

Hier muss geprüft werden, ob es nicht ein anderes Mittel gibt, was milder ist und dem Betroffenen nicht so sehr in seinen Grundrechten einschränkt.

Corona-Test als milderes Mittel?

Ist nicht ein ungeimpfter, der verlässlich getestet ist, vielleicht genauso wenig infektiös also geht von diesem ein genauso geringes Risiko aus, wie von einem Geimpften. 

Wenn man das mit Ja beantworten könnte, wäre es ganz schwierig zu begründen, warum man trotzdem eine Impfpflicht für diese besonderen Berufsgruppen braucht.

Impfung soll keine sterile Immunität vermitteln

In diesem Zusammenhang muss sich die Bundesregierung auch damit auseinandersetzen, dass  eine Impfung nicht zu einer sterilen Immunität führen und damit keinen 100 %igen Fremdschutz gewähren soll, so dass hier sogar die These aufgestellt werden könnte, dass die verlässlich getestete Person, die sich an das Hygienekonzept hält, möglicherweise sogar den effektivsten Infektionsschutz haben könnte.

Testpflicht für Alle?

Dafür könnte auch sprechen, dass viele Virologen zur Pandemiebekämpfung die Testpflicht auch für Ungeimpfte fordern.

Angemessenheit

Schließlich müsste eine Impfpflicht auch angemessen, d.h. verhältnismäßig i.e.S. sein.

Hier werden die Grundrechte miteinander abgewogen und dem Schutz der öffentlichen Gesundheit müsste der Gefahr möglicher / nicht bekannte Langzeitfolgen / Nebenwirkungen gegenüber gestellt werden. Auch wenn von offizieller Seite Nebenwirkungen und Langzeitfolgen verneint werden, so können diese heute denknotwendig noch gar nicht alle bekannt sein.

Ein Beispiel ist der Impfstoff Pandemrix, der 2009 im Rahmen der Schweinegrippe verimpft worden ist und infolgedessen einige Kindern und junge Erwachsene an Narkolepsie erkrankten.

Wenn es eine sterile Immunität (also der Fremdschutz) gegeben wäre, wären dies wichtige Punkte, die bei der Abwägung ins Gewicht fallen würden.

Wenn die Covid-19-Impfung aber keinen Fremdschutz im Sinne einer sterilen Immunität vermitteln sollte, sondern in erster Linie einen Selbstschutz darstellt, dürften derartige Eingriffe nicht angemessen und damit nicht verhältnismäßig sein.

Das RKI veröffentlicht am 11.11.2021 für die über 60-jährigen Impfdurchbrüche in Höhe von 60,9 %. 45,1 % der hospitalisierten Covid-Fälle sollen geimpft sein und 36 % der Covid-Fälle auf Intensivstation entfallen auf Geimpfte.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-11-11.pdf?__blob=publicationFile

Wenn wir dann noch bedenken, dass die Geimpften gar nicht mehr getestet werden und damit die symptomlosen Impfdurchbrüche gar nicht erfasst werden, könnte der Anteil der Impfdurchbrüche noch höher sein. 

Mit diesen Erkenntnissen insb. im Zusammenhang mit den zahlreichen Impfdurchbrüchen dürfte es auch schwer sein, die These aufrecht zu halten, dass eine Impfung und ein negativer Corona-Test die gleiche Aussagekraft besitzen. Damit entfiele aber auch der sachliche Grund für eine Ungleichbehandlung.

Ich sehe daher für die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht hohe verfassungsrechtliche Hürden.

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