In diesen Fällen erben Sie auch, wenn Sie im Testament übergangen wurde

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Das deutsche Grundgesetz garantiert das Erbrecht, wodurch Vermögen auch nach dem Tod privat übertragen werden kann. Selbst Personen, die im Testament nicht erwähnt sind, können unter Umständen einen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses haben. Diese Regelung gewinnt besonders an Bedeutung, wenn durch Wertsteigerungen bei Immobilien Erbstreitigkeiten entstehen.


Pflichtteilansprüche

In Deutschland hat jeder direkte Abkömmling, auch wenn er nicht ehelich geboren oder adoptiert wurde, sowie Ehepartner und Eltern des Verstorbenen, einen gesetzlich garantierten Pflichtteilanspruch, selbst wenn sie im Testament nicht erwähnt sind. Dieser Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs und bleibt auch bei einer testamentarischen Nichtberücksichtigung bestehen.

Berechnung des Pflichtteils

Der Pflichtteil wird nach den Paragrafen 1924 bis 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) berechnet. Dabei wird die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils des Hinterbliebenen angesetzt. Die Berechnung berücksichtigt, ob der Verstorbene verheiratet war, die Anzahl der pflichtteilsberechtigten Erben sowie den Güterstand der Ehe.

Beispiel zur Veranschaulichung

Angenommen, ein Nachlass ist 200.000 Euro wert und der Verstorbene hinterlässt zwei Kinder. Im Testament wird einem Kind 180.000 Euro und dem anderen 20.000 Euro zugewiesen. Der Pflichtteil des weniger bedachten Kindes würde 50.000 Euro betragen, da dies die Hälfte seines gesetzlichen Erbanspruchs von 100.000 Euro ist. Es könnte daher zusätzlich 30.000 Euro fordern, um den Pflichtteil zu erreichen.

Erbunwürdigkeit und Verlust des Pflichtteils

Eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr oder begangene Straftaten gegen die Eltern können eine Person erbunwürdig machen. In solchen extremen Fällen verliert der Betreffende jeglichen Anspruch auf das Erbe, einschließlich des Pflichtteils. Die gesetzlichen Regelungen zur Erbunwürdigkeit definieren konkret, dass erbunwürdig ist:

  1. Wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht hat oder den Erblasser in einen Zustand versetzt hat, der ihn bis zu seinem Tod unfähig macht, ein Testament zu machen oder zu widerrufen;
  2. Wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich daran gehindert hat, ein Testament zu erstellen oder zu widerrufen;
  3. Wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung dazu gebracht hat, ein Testament zu erstellen oder zu widerrufen;
  4. Wer in Bezug auf ein Testament des Erblassers eine Straftat gemäß den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs begangen hat.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Fall (Beschluss vom 24.01.2019, Az.: 19 U 80/18) entschieden, dass der Diebstahl von Bargeld eine schwere vorsätzliche Straftat darstellt, die die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigt.


Fazit

Auch wenn Sie im Testament übergangen wurden, gibt es in Deutschland durch die Erbrechtsgarantie und den Pflichtteil rechtliche Mechanismen, die Ihren Anspruch auf einen Teil des Nachlasses sichern. Bei weiteren Fragen zu Ihrem Erbrecht stehe ich Ihnen als Experte für Erbrecht zur Verfügung.



Foto(s): @orlowa

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