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Indizien und ihre Bedeutung im deutschen Recht

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Indizien und ihre Bedeutung im deutschen Recht

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Ein Indiz ist ein Anzeichen, aus dem sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Entwicklung, einen Sachverhalt, eine Situation oder einen Zustand schließen lässt. Somit ist es weniger als ein Beweis, jedoch mehr als eine bloße Behauptung. Ein Beweis ist das Ergebnis eines auf die Feststellung von Tatsachen gerichteten Beweisverfahrens.  

Immer wenn aufgrund einer oder mehrerer Tatsachen auf die zu beweisende Haupttatsache folgerichtig geschlossen werden kann, spricht man von einem Indizienbeweis. In der Indizienwissenschaft wird von einem einzelnen entdeckten Indiz und mit einer allgemeinen Regel auf den besonderen Fall geschlossen. 

Indizien im Zivilprozess

Zivilprozesse werden in der deutschen Zivilprozessordnung vom Beweislastprinzip bestimmt. Die sogenannte Feststellungslast regelt, welche Partei das Risiko der mangelnden Erweislichkeit einer Beweisbehauptung trägt. Rechtlich spricht man dabei von einem „non liquet“ (es ist nicht klar). Dagegen bestimmt die Beweisführungslast, wem es momentan obliegt, einen Beweis für eine Behauptung anzubieten. Derjenige, der seine Behauptung beweisen kann, obsiegt letztlich. Die Beweislast für die Indiztatsachen trägt derjenige, der auch die Haupttatsache zu beweisen hat. 

Ein Beispiel aus dem Kaufrecht kann dies veranschaulichen. Derjenige, der einen Anspruch – etwa auf Zahlung eines Kaufpreises – herleitet, muss entsprechend vortragen. Wenn der Gegner dies bestreitet, muss Ersterer es beweisen. Der Gegner muss jedoch behaupten und beweisen, dass ihm etwaige Einwände – beispielsweise, wenn er nach eigener Aussage bereits bezahlt hat – zustehen. 

Durch den Indizienbeweis können Kenntnis, Absicht, Arglist oder das Wissen und Wollen des Erfolges beim Vorsatz (sogenannte innere Tatsachen) bewiesen werden (BVerfG 30.06.1993 – 2 BvR 459/93). Der Anscheinsbeweis lässt im Gegensatz zum Indizienbeweis den Schluss von typischen Sachverhalten auf das Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals zu: Beim Auffahren auf ein vorausfahrendes Auto spricht der Anscheinsbeweis für ein alleiniges Verschulden des Auffahrenden. Behauptet der Auffahrende wiederum glaubhaft, dass sein Unfallgegner erst kurz vor ihm auf seine Fahrbahn eingeschert ist und er keine Möglichkeit mehr hatte zu bremsen, obliegt die Beweislast dem Kläger. Dieser kann versuchen, den Beweis auch über ein Sachverständigengutachten zu führen. 

Wenn aufgrund von Indizien ein indirekter Gegenbeweis geführt werden soll, müssen die Indiztatsachen ebenfalls zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BGH 28.02.1966 – VII ZR 125/65). Im vorbezeichneten Beispiel reicht die Behauptung des Einscherens somit nicht aus. Hinzukommen müssen weitere Anzeichen, etwa die Aussage anderer Zeugen. 

Grundsatzentscheidung: Anastasiaprozess 

Im Grundsatzurteil, dem so bezeichneten Anastasiaprozess vom 17.02.1970 (Az.: III ZR 139/67) hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst, ob die Grundsätze der Zivilprozessordnung auch gültig sind, wenn Grundrechte im Spiel sind oder wenn eine Person mit vermögensrechtlichen Ansprüchen ihre Identität beweisen will. Die Klägerin Anna Anderson gab an, die jüngste Zarentochter Anastasia Romanow zu sein. Sie soll somit das Massaker am 17. Juli 1918 überlebt haben. Als Beweis sollte das Glaubhaftmachen der Klägerin ausreichen. Der Bundesgerichtshof lehnte die bloße Glaubhaftmachung als Beweis jedoch ab, da die Identität der Klägerin auch auf andere Art von Amts wegen ermittelt werden könne. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Grundsätze im Urteil vom 17.02.1970 (Az.: III ZR 139/67): 

„Wer einen Zivilprozess gegen einen anderen Menschen mit der Frage seiner Identität verknüpft, insbesondere wie hier daraus vermögensrechtliche Folgerungen herleitet, muss sich an die Regeln des Zivilprozessrechts halten. Die allgemeine Beweislastregel des deutschen Rechts, dass jede Partei die Beweislast für alle Voraussetzungen einer von ihr in Anspruch genommenen Norm trägt, entspricht rechtsstaatlicher Auffassung.“ 

Indizien: Hauptanwendungsfälle

In der Praxis ist der Indizienbeweis für den Nachweis eines vorgetäuschten Kfz-Diebstahls und eines fingierten Verkehrsunfalls erheblich. Richtigerweise reicht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines vorgetäuschten Unfalls nicht aus. Auch Fälle der Eigenbrandstiftung sind sehr verbreitete Anwendungsfälle. 

Indizien im Strafprozess

Im Strafprozess muss die Staatsanwaltschaft entsprechende Beweise vorbringen, um eine Verurteilung des Täters zu ermöglichen. Gelingt dies bei den Ermittlungen nicht, ist das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts bereits nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) einzustellen. Ausnahmsweise sind keine tatsächlichen Beweise, sondern nur Indizienbeweise ausreichend.  

Im Kern sind Sachbeweise und Indizienbeweise unter Anwendung von Denkgesetzen durch das Gericht zu würdigen. Häufig werden von den Gerichten Polizeibeamte als Zeugen geladen, die die Ermittlungen geführt haben. Die Aussage vor der Polizei durch einen Beschuldigten kann gemäß § 136 I 2 in Verbindung mit § 163a IV 2 StPO nur verwertet werden, wenn derjenige entsprechend belehrt wurde. 

Was ist ein Indizienprozess? 

Ein sogenannter Indizienprozess ist ein Verfahren, in dem das Gericht nur auf Beweisanzeichen Bezug nehmen kann. Diese sind entgegen landläufiger Meinung sogar in der Mehrheit aller Strafprozesse die Regel. Selbst wenn ein Geständnis vorliegt, liegt im Prinzip ein Indizienprozess vor. 

Nicht einmal das Geständnis schließt den Indizienbeweis aus. Das Gericht muss sich von der Glaubwürdigkeit des Geständnisses Klarheit verschaffen. Dies erfolgt in der Regel durch genaue Befragung und gegebenenfalls durch die Erhebung weiterer Beweise. Der Bundesgerichtshof sieht den Denkprozess als maßgeblich an: „Nicht die eigentliche Indizientatsache ist das Hauptstück des Indizienbeweises, sondern der daran anknüpfende weitere Denkprozess, kraft dessen auf das Vorhandensein der rechtserheblichen weiteren Tatsache geschlossen wird“ (BGHZ 53, 245,2660). 

Die Beweisführung muss sich nicht immer unmittelbar auf den zu beweisenden Umstand beziehen. Sie kann auch indirekt erfolgen, indem andere Tatsachen bewiesen werden. Anhand dieser können dann Rückschlüsse gezogen werden.  

Indizienkette 

Bei einer sogenannten Indizienkette wird von einem Indiz auf ein zweites und weitere geschlossen. Erst am Schluss wird auf die beweiserhebliche Tatsache geschlossen; ihr Wert hängt vom schwächsten Glied ab (vgl. OLG Hamm vom 07.07.2005 – 2 Ss 192/05). 

Im Zweifel für den Angeklagten? 

Das Strafverfahren ist von der Unschuldsvermutung geprägt. Solange jemand nicht verurteilt wurde, gilt er als unschuldig. Auch im gerichtlichen Verfahren ist keine Gewissheit von der Unschuld notwendig. Laienhaft wird oft von einem Freispruch zweiter Klasse gesprochen. Einen solchen kennt die Strafprozessordnung jedoch nicht. 

Ist ein Tatrichter vom Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts einschließlich des Vorhandenseins bestimmter subjektiver Elemente überzeugt, ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit, sondern ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit ausreichend, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (BGH, Urteil vom 06.11.1987 – 2 StR 390/87). 

Beispiele für Indizienbeweise

Seitdem es möglich ist, Fingerabdrücke mit gespeicherten Fingerabdrücken abzugleichen, wurden im Strafprozess häufig Fingerabdrücke als Indizienbeweise herangezogen. Anhand von auf einer Waffe festgestellten Fingerabdrücken kann nachgewiesen werden, dass der Tatverdächtige die Waffe in der Hand hatte. Dies ist ein Indiz dafür, dass derjenige den tödlichen Schuss abgegeben hat. Unter Umständen gibt es aber weitere Beteiligte des Banküberfalls, die ebenfalls die Waffe benutzt haben. Der Rückschluss ist somit nur mittelbar möglich. 

Heutzutage werden Indizienbeweise häufig über DNA-Spuren nachgewiesen. Oft gibt es an einem Tatwerkzeug oder an der Tatstelle mehrere Spuren. Anhand mehrerer Indizien können dann weitere Schlussfolgerungen gezogen werden. 

Foto(s): ©Adobe Stock/Microgen

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