Ist eine vorherige Berufsausbildung bei der Berechnung der Kündigungsfrist zu berücksichtigen?

  • 1 Minuten Lesezeit

Ein Running Gag unter Juristen lautet: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Dem ist jedoch bei weitem nicht immer so. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist § 622 Abs. 2 BGB. Diese Regelung stellt bei der Berechnung der Frist einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung ausdrücklich auf die Dauer des Bestehens eines „Arbeitsverhältnisses“ ab. Ein Berufsausbildungsverhältnis ist nach einhelliger Auffassung kein Arbeitsverhältnis. Man sollte daher meinen, dass eine Berufsausbildung bei der Berechnung der Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB unberücksichtigt bleibt. Doch weit gefehlt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 02.12.1999, Az.: 2 AZR 139/99) hat bereits im Jahr 1999 entschieden, dass die Ausbildungszeit bei der Fristberechnung zu berücksichtigen ist, sofern der Arbeitnehmer direkt nach der Ausbildung übernommen wurde. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 09.09.2010 (Az.: 2 AZR 714/08) fortgeführt. Dies bedeutet, dass der kündigende Arbeitgeber die Ausbildungszeit zur Dauer des Arbeitsverhältnisses hinzuzurechnen hat. Dies kann dazu führen, dass sich die vom Arbeitgeber zu beachtende Kündigungsfrist um einen vollen Kalendermonat verlängert.

Beispiel: Arbeitnehmer Schmidt absolvierte vom 01.08.2009 bis zum 31.05.2012 erfolgreich eine Berufsausbildung. Im direkten Anschluss wurde er von seinem Ausbildungsbetrieb übernommen. Am 29.08.2017 erhält er sodann eine Kündigung. Schmidt ist nach der Berechnungsweise des Bundesarbeitsgerichts über 8 Jahre bei dem Betrieb beschäftigt, daher beträgt seine Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB drei Monate zum Monatsende (es wären nur zwei Monate ohne Berücksichtigung der Berufsausbildung!). Eine wirksame Kündigung unterstellt, endet das Arbeitsverhältnis somit aufgrund der Kündigung vom 29.08.2017 erst mit Ablauf des 30.11.2017 und nicht bereits mit Ablauf des 31.10.2017. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Christopher Mensching

Beiträge zum Thema