Ist es strafbar bei Kenntnis von einer Straftat keine Strafanzeige zu stellen? Anwalt für Strafrecht informiert

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Straftaten werden begangen. Kenntnis von der Begehung einer Strafbarkeit haben nicht immer nur die Täter oder die an der Tat Beteiligten. Es kann auch vorkommen, dass man als zunächst gänzlich Unbeteiligter an einer Straftat, von deren Begehung erfährt.


Damit stellt sich nun die Frage, ob man sich in einem solchen Fall strafbar macht, wenn man nicht die Polizei kontaktiert bzw. Anzeige stellt.

Wann macht man sich wegen der Nichtanzeige von Straftaten strafbar?

Eine Strafe droht wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten gem. 138 StGB dann, wenn man von einer geplanten Straftat rechtzeitig (zu einem Zeitpunkt, in dem es noch möglich ist, dass die Begehung der Straftat verhindert wird) glaubhaft Kenntnis erlangt und diese nicht bei einer Behörde oder der bedrohten Person anzeigt. Unter „anzeigen“ ist nicht nur die Anzeige als solche zu verstehen. Vielmehr ist hiermit auch die Warnung der bedrohten Person und der Behörde gemeint. Sowohl die Kenntnis von der Ausführung als auch von dem Vorhaben der Straftat, können eine Strafbarkeit wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten begründen.


Die folgende Übersicht stellt keine abschließende Aufzählung der Straftaten dar. Insbesondere sollte mithilfe eines Fachanwalts des Strafrechts geklärt werden, welche Straftat vorliegt und ob das Nichtanzeigen folglich eine Strafbarkeit begründen kann.


Zu den in §138 StGB aufgezählten Fälle zählen z.B.:


  • Mord
  • Totschlag
  • Raub
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • gemeingefährliche Straftaten (in ausgewählten Fällen)
  • Straftaten gegen die persönliche Freiheit (in bestimmten Fällen)

und weitere.


Die Nichtanzeige dieser im Gesetz benannten Taten führt somit zu einer eigenen Strafbarkeit. Auch wenn man die Anzeige bloß leichtfertig unterlässt, obwohl man von der geplanten Straftat glaubhaft erfahren hat, kann eine Freiheitsstrafe oder Geldstrafe drohen. Die Strafe ist in diesem Fall aber geringer, als im Falle des vorsätzlichen Nichtanzeigen einer Straftat (Vorsätzlich handelt, wer in Kenntnis der Umstände willentlich handelt). Leichtfertigkeit ist eine gesteigerte Form der Fahrlässigkeit, also des Außerachtlassens der Sorgfalt, die es in einer konkreten Situation zu beachten gilt.

Wie hoch ist die Strafe für die Nichtanzeige einer Straftat?

Dies richtet sich vor allem nach den im Gesetz unter §138 StGB aufgelisteten Fällen.

In den Fällen des §138 Abs.1 Nr. 2-8 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft jedoch ist auch hier eine Geldstrafe möglich. Ebenso werden die Fälle des §138 StGB Abs.2 Nr.1-2 StGB gehandhabt. Die Strafe kann geringer ausfallen (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe), wenn die Anzeige der geplanten Straftat lediglich leichtfertig unterlassen wurde.

Es ist aber festzuhalten, dass die Höhe der Strafe schlussendlich durch das Gericht selbst bestimmt wird.

Gibt es Ausnahmen in denen die Nichtanzeige einer Straftat straflos bleibt?

Von einer Strafe kann abgesehen werden, wenn die Tat in den Fällen des §138 StGB nicht versucht worden ist (§139 Abs.1 StGB). Auch ein Geistlicher ist nicht zur Anzeige verpflichtet, wenn ihm die geplante Straftat im Rahmen der Seelsorge anvertraut wurde (139 Abs.2 StGB). Zur Straffreiheit kann es auch kommen, wenn es sich um eine Anzeige gegen einen Angehörigen handelt (§139 Abs.3 StGB). Hier ist allerdings zu beachten, dass bestimmte Delikte von dieser Ausnahme wiederum ausgenommen sind (z.B. bei geplantem Mord, Erpresserischen Menschenraub oder Geiselnahme) Wichtig ist jedoch zu beachten, dass dies nur straffrei ist, wenn man sich ernsthaft bemüht denjenigen von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden.

Weitere Ausnahmen:

Unter den Voraussetzungen, sich ernsthaft zu bemühen den Täter von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden, können auch weitere Berufsgruppen straffrei bleiben. Hierzu zählen beispielsweise Ärzte, Rechtsanwälte, Psychotherapeuten (vgl. §139 Abs.2 StGB), die nicht zur Anzeige der vertraulichen Mitteilungen verpflichtet sind. Dies soll das Vertrauensverhältnis zwischen diesen Berufsgruppen und demjenigen, der deren Leistungen in Anspruch nimmt gewährleisten.


Straffrei bleibt außerdem derjenige, der die Ausführung oder den Erfolgseintritt der Straftat anders als durch eine Anzeige verhindert. Wenn die Straftat jedoch ohne Mitwirkung des zur Anzeige Verpflichteten ausbleibt, reicht gegebenenfalls dessen ernsthaftes Bemühen, den Erfolg abzuwenden.


In folgenden Fällen gilt diese Möglichkeit der Straffreiheit jedoch nicht:



  • Mord oder Totschlag (§211, §212 StGB)
  • Völkermord in den Fällen des §6 Abs.1 Nr.1 des Völkerstrafgesetzbuches, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Fällen des §7 Abs.1 Nr.1 des Völkerstrafgesetzbuches, Kriegsverbrechen in den Fällen des §8 Abs.1 Nr.1 des Völkerstrafgesetzbuches
  • Erpresserischer Menschenraub (§239a Abs.1), Geiselnahme (§239b Abs.1) oder ein Angriff auf Luft- und Seeverkehr (§136c Abs.1) durch eine terroristische Vereinigung (§129a, auch in Verbindung mit §129b Abs.1)


Warum steht die Nichtanzeige einer Straftat unter Strafe?

Stellen Sie sich vor, ihr Nachbar weiht Sie in seinen Plan ein, die angrenzenden Wohnungen in die Luft zu sprengen. Nur mit ihrer rechtzeitigen Anzeige und somit Warnung der Behörde kann nun der Erfolg dieses Vorhabens verhindert werden. Die Regelung des §138 StGB soll somit den Erfolg von Straftaten und den damit einhergehenden Schaden verhindern.

Ist man generell zur Anzeige jeder Straftat verpflichtet?

Sinn und Zweck des §138 StGB ist es vor allem, die schweren Katalogtaten des §138 StGB zu verhindern. Mithin gibt es keine generelle Verpflichtung beispielsweise jeden Ladendiebstahl oder jede Sachbeschädigung anzuzeigen.

Wie verhält man sich korrekt, wenn man von einer geplanten Straftat erfährt?

Aus §138 StGB folgt wie beschrieben die „Pflicht“ zur Anzeige der oben genannten Straftaten. Erfährt man dementsprechend von der Ausführung oder dem bloßen Vorhaben der Straftat, muss man sich an die zuständige Behörde (Polizei) und/oder die bedrohte Person wenden, um den Eintritt des Schadens zu verhindern.

Ist man bei vergangenen Straftaten auch zur Anzeige verpflichtet?

§138 StGB regelt explizit, dass zukünftig geplante Straftaten angezeigt werden sollen, um diese zu verhindern. Bei vergangenen Taten ist der Erfolg bereits eingetreten und es kann kein Schaden mehr abgewendet werden. Hieraus folgt, dass nur die Pflicht zur Anzeige noch bevorstehender Straftaten besteht.

Erfahren Sie also davon, dass vor ein paar Wochen ein Bekannte von Ihnen eine Straftat begangen hat, so machen Sie sich durch das Untätig bleiben, also das Unterlassen des Stellens einer Anzeige, nicht gem. § 138 StGB strafbar.



Für eine genaue Einschätzung Ihres Falles, wenden Sie sich am Besten an einen erfahrenen Fachanwalt für Strafrecht. Dieser weiß, worauf bei der rechtlichen Beurteilung eines Falles zu achten ist.





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